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Im Jahr 2022 reichte die Partnerorganisation „Flüchtlingskinder im Libanon e.V.“ erstmals einen Projektantrag bei der Stiftung HDZ ein. Die Zusage kam unmittelbar: „Weil jedes Kind, egal welcher Herkunft und Religion, ein Recht auf Bildung und Gesundheit haben sollte“, sagt Dr. Klaus Winter, Vorstand der Stiftung HDZ. „In Beddawi leben tausende Kinder, für die genau das keineswegs selbstverständlich ist.“ Eine gut funktionierende Zahnarztpraxis allein löst nicht alle Lebensumstände – sie leistet jedoch einen wichtigen Beitrag, um den Alltag der Familien zu erleichtern.
Perspektiven schaffen für Flüchtlinge
Hunderttausende palästinensische Flüchtlinge leben seit ihrer Flucht und Vertreibung aus Palästina während der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 im Nachbarland Libanon. Diese traumatische Erfahrung, die Nakba, arabisch Katastrophe, prägt das Bewusstsein der Palästinenser/-innen noch heute. Verstärkt wird dies noch durch den weitgehenden Ausschluss der Flüchtlinge aus der libanesischen Gesellschaft. Gravierende Arbeitsbeschränkungen, fehlende Bildungsmöglichkeiten, mangelnde Gesundheits-versorgung und damit wachsende Armut, Perspektivlosigkeit und Ausgrenzung prägen ihr Flüchtlingsschicksal heute mehr denn je. Vergessen von der Welt und den eigenen politischen Führern wachsen deshalb in den palästinensischen Flüchtlingslagern Resignation und Verzweiflung. Das 1955 gegründete Flüchtlingslager Beddawi liegt vor den Toren der Stadt Tripoli im Nordlibanon und beherbergt heute rund 18.000 palästinensische und syrische Flüchtlinge. Mehrfach zerstört und wieder aufgebaut, ist die Infrastruktur schlecht: unbefestigte Wege, stundenweise Strom und begrenzte Wasserversorgung. Die Bewohner/-innen haben Krieg, Vertreibung und traumatische Flucht hinter sich; Beddawi ist ihre provisorische Heimat unter prekären Bedingungen. Perspektive und Hoffnung sollen auch für diese Flüchtlinge wieder wachsen. Sie brauchen eine Zukunft. Eine kleine Zahnklinik im Flüchtlingslager Beddawi ist Teil dieser Bemühungen (Abb. 1).
I.Rumpf_Flüchtlingskinder im Libanon e.VSie spiegelt das Engagement wider, eine bessere Versorgung anzubieten, die den schwierigen Umständen der palästinensischen Flüchtlinge Rechnung trägt. Obwohl die UNRWA* die medizinische Versorgung primär übernimmt, reichen die Mittel längst nicht aus. Seit Jahrzehnten schließen NGOs die Lücken – angesichts der wirtschaftlichen Krise im Libanon, in der 80% der palästinensischen Flüchtlinge unter der Armutsgrenze leben, wächst der Hilfsbedarf. Mangel- und Fehlernährung beeinträchtigen besonders die Zahngesundheit, weshalb eine verlässliche zahnmedizinische Versorgung dringend notwendig ist.
Modernisierung der Zahnklinik verbessert die zahnärztliche Versorgung
Die NGO NISCVT (National Institution of Social Care and Vocational Training) engagiert sich seit 1976 unter anderem in der zahnärztlichen Betreuung der Lagerbewohner. In Beddawi betrieb sie 27 Jahre lang eine Zahnarztpraxis, die mit ihren antiquierten Geräten (z.B. Bohrer ohne Wasserkühlung etc.) und der allgemein veralteten Ausstattung 2022 dringend renovierungsbedürftig wurde. Die NISCVT-Kliniken richten den Fokus auf Kinder und Familien, während Erwachsene in UNRWA-Praxen behandelt werden. In Beddawi profitieren über 1.400 Kinder von der Praxis. Zu Beginn jedes Kindergartenjahres besucht das Zahnarztteam die Einrichtungen: Gruppen- und Individualprophylaxe, Untersuchungen und ein spielerisches pädagogisches Konzept vermitteln die Grundlagen der Mundgesundheit (Abb. 2 und 3).
Die kostenlose Behandlung umfasst eine jährliche Fluoridbehandlung. Da viele Familien sich Zahnbürsten und Zahnpasta nicht leisten können, leistete die Stiftung HDZ ergänzende Sachspenden. 2022 galt es bei der Erneuerung, Zahnarztstuhl, schwenkbare Operationsleuchte, Druckluftmotor, Turbinen mit Bohrern, Röntgengerät, Autoklav und Handinstrumente zu ersetzen. Der Praxisbetrieb musste während der Arbeiten uneingeschränkt laufen. Der Transport des Equipments in den Libanon gelang dank der professionellen Organisation durch HDZ-Partner. Ein Fachmann übernahm die Installation und die einjährige Garantie wurde gesichert. Mit einer Spende von rund 8.000 Euro beteiligte sich die Stiftung HDZ 2023 an den Gesamtinvestitionen von 43.485 Euro. Durch die Modernisierung arbeitet das Team schneller, schonender und effizienter und die hochwertigen Turbinen und Bohrer sorgen für eine deutlich angenehmere Behandlung (Abb. 4).
I.Rumpf_Flüchtlingskinder im Libanon e.VDie Zahlen sprechen für sich: Behandlungsfälle bei Kindern stiegen von 1.832 (2022) auf 1.924 (2023), trotz sinkender Kindergartenkinder von 1.592 auf 1.433. Insgesamt wuchs die Patientenzahl von 4.646 auf 4.906 (+5,7%). Besonders positiv: 18% mehr Zahnfüllungen, was künftig weniger Extraktionen bedeutete. Das neue Röntgengerät verbessert die Diagnostik. 2024 umfasste die Behandlung 1.262 Kompositfüllungen, 256 Wurzelkanalbehandlungen, sechs Zementfüllungen, 108 Extraktionen und zwei Prothetikversorgungen. Ein Zeitgewinn ergibt sich durch effizientere, schmerzärmere Behandlungen, was künftig intensivere Patientengespräche und eine einfühlsamere Betreuung der Kindergartenkinder ermöglicht (Abb. 5).
I.Rumpf_Flüchtlingskinder im Libanon e.VKurse zur Mundhygiene werden von Bewohnern/-innen und Mitarbeitenden gerne angenommen. Dr. Klaus Winter: „Unsere Partner hätten sich gewünscht, dass junge deutsche Zahnärztinnen und -ärzte im Rahmen von Famulaturen vor Ort tätig werden.” Aufgrund der Sicherheitslage ist dies derzeit jedoch nicht realisierbar. 2024 erreichten Kämpfe auch das Lager Beddawi. Rund 2.000 Todesopfer, darunter über 100 Kinder, waren zu beklagen; Angriffe führten zu Zerstörungen. Die Zahnstation blieb unversehrt, der Praxisbetrieb musste allerdings eingeschränkt werden, weil Eltern ihre Kinder nicht unbeaufsichtigt ins Freie schicken wollten. Angesichts der sich verschärfenden humanitären Lage stellte das HDZ im Jahr 2024 zusätzliche 10 000 Euro Soforthilfe bereit. Über „Flüchtlingskinder im Libanon e.V.“ wurden Lebensmittelpakete, Decken und Kleidung verteilt.
Fazit
Vertrauensvolle Kooperation, gebündeltes Fachwissen, verlässliche Finanzierung, bedarfsgerechte Folgeförderung und logistische Erfahrung vor Ort sind die Grundvoraussetzungen, um ein Projekt wie jenes in Beddawi umzusetzen. Erfahrungen aus Beddawi belegen aber auch, dass nachhaltiger Projekterfolg nicht allein von Einmalzuwendungen abhängt, sondern eine kontinuierliche Begleitung und bedarfsgerechte Folgeförderung erfordert. Entsprechend möchte das HDZ noch im Jahr 2025 Ersatzmaterialien für den dentalen und hygienischen Bereich sowie eine zweite Behandlungseinheit im Wert von 6.600 Euro finanzieren.
Im Jahr 2024 unterstützte die Stiftung Hilfswerk deutscher Zahnärzte (HDZ) 67 Projekte mit einem Gesamtvolumen von über 655.000 Euro. Jede Initiative lebt vom Einsatz aller Beteiligten – besonders eindrucksvoll zeigt sich das Engagement am Beispiel des Hilfsprojekts in Beddawi.
I.Rumpf_Flüchtlingskinder im Libanon e.V* Die UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) ist ein temporäres Hilfsprogramm der von UN und UNO, das seit seiner Gründung 1949 regelmäßig um drei Jahre verlängert wurde.
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