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NovaMin: mit Bioglas gegen Schmerzempfindlichkeit

Den Markteintritt der ersten Zahnpasta mit NovaMin in Deutschland, Österreich und der Schweiz konnte der 2015 verstorbene Entdecker von Bioglas, Prof. Larry Hench, nicht mehr miterleben. Er wäre aber bestimmt stolz darauf gewesen, dass seine bahnbrechende und ursprünglich zum Knochenersatz entwickelte Technologie nun in der neuesten Zahnpasta-Innovation der Marke Sensodyne eingesetzt wird, um Patientinnen und Patienten mit schmerzempfindlichen Zähnen zu helfen.

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Haleon
Abb. 1: Prof. Larry Hench (1938-2015), Materialwissenschaftler an der University of Florida und Erfinder von Bioglas.

Im Jahr 1967 begegnen sich in New York zwei Männer zufällig auf dem Weg zu einer Materialforschungs-Konferenz der US-Armee. Der eine, Colonel Klinker, ist Versorgungsoffizier der US-Armee im Vietnamkrieg, der andere, Prof. Larry Hench, ist Experte für strahlungsresistente Halbleiter und Assistenzprofessor an der University of Florida (Abb. 1). Im Bus kommen die beiden ins Gespräch und Prof. Hench erzählt leidenschaftlich von seinem aktuellen Forschungsprojekt: der Widerstandsfähigkeit von Vanadiumphosphat-Gläsern gegenüber hochenergetischer Gammastrahlung, wie sie von Sonneneruptionen und manchen Waffensystemen produziert werden. Nachdem der Offizier ihm geduldig zugehört hatte, stellte er eine Frage, die das Leben des jungen Professors für immer verändern sollte: „Wenn Sie es schaffen, ein Material herzustellen, das hochenergetischer Strahlung standhält, können Sie dann auch ein Material herstellen, das dem menschlichen Körper standhält?“ [1]

„Wir können Leben retten, aber wir können keine Gliedmaßen retten“

Laut eigenen Angaben in seiner 2006 erschienenen Veröffentlichung „The Story of Bioglass“ verstand Hench die Frage nicht auf Anhieb und bat Colonel Klinker um eine Erklärung: Dieser berichtete von unzähligen Amputationen, die er im Vietnamkrieg miterleben musste. Selbst wenn die Verwundeten überlebten, gab es kaum Möglichkeiten zum Erhalt von verletzten Gliedmaßen, da Knochenimplantate aus Metall oder Plastik – die einzigen Materialien, die Chirurgen damals zur Verfügung standen – vom körpereigenen Immunsystem als „feindliche Eindringlinge“ erkannt wurden. Es wurden dringend neue Knochenersatz-Materialien benötigt, die der Körper nicht abstoßen würde. So begründete diese Zufallsbegegnung Prof. Henchs Suche nach einem Werkstoff, der eine feste Verbindung mit menschlichem Knochengewebe eingehen würde, anstatt zur Bildung von Narbengewebe an der Grenze zwischen Implantat und Körper zu führen [1].

Prof. Henchs Forschungshypothese: „Ein synthetisches Material, das an seiner Oberfläche eine knochenähnliche Schicht bildet, wird vom menschlichen Immunsystem nicht als Fremdkörper erkannt und deshalb nicht abgestoßen werden.“ Hench und seine Doktoranden konnten schon zwei Jahre später, im Jahr 1969, eine vielversprechende Entdeckung präsentieren: das Bioglas 45S5, ein Kalzium-Natrium-Phosphosilikat, zusammengesetzt aus 45% Siliziumdioxid (SiO2), 24,5% Natriumoxid (Na2O), 24,5% Kalziumoxid (CaO) und 6% Phosphorpentoxid (P2O5) [1].Kalzium-Natrium-Phosphosilikat ist ein anorganischer und amorpher Feststoff, der aus einer Schmelze entsteht – wie Glas, daher die Bezeichnung „Bioglas“ [3] (Abb. 2).

Haleon
Abb. 2: Die Molekülstruktur von Kalzium-Natrium-Phosphosilikat.

Das Bioglas 45S5 war nicht weniger als eine Sensation: Es erfüllte die ersehnte Voraussetzung, als Prothesenmaterial keine Abstoßungsreaktion des Immunsystems hervorzurufen. An der Schnittstelle zum Knochen bildete es eine Schicht aus Hydroxylapatit, dem Hauptbestandteil menschlicher Knochen und Zähne, und verband sich dort fest mit dem körpereigenen Material. Damit war es das erste synthetisch hergestellte Material der Menschheitsgeschichte, das eine feste Bindung mit lebendem Gewebe eingehen konnte [1,2].

Vom Vietnamkrieg zur Anwendung in der Medizin

Nachdem in zahlreichen Tests ihre Sicherheit und Verträglichkeit bestätigt wurde und erfolgreiche klinische Studien mit Bioglass®-Implantaten an Patienten/-innen durchgeführt worden waren, wurden sie zur Verwendung im menschlichen Körper – zuerst in den USA – für verschiedenste Anwendungsgebiete (u.a. zum Ersatz von Gehörknöchelchen, zur Wirbelsäulenreparatur oder zur Stabilisierung des Alveolarkamms) als Medizinprodukte zugelassen und sind seit dem Jahr 1985 zum Ersatz von Knochenmaterial in vielseitiger klinischer Verwendung [1]. Zu Beginn der 1990er-Jahre begann neben der Entwicklung monolithischer Knochenimplantate auch die Erforschung von pulverförmigen Bioglas-Anwendungen, die in der Entwicklung des Werkstoffs NovaBone® gipfelte. 1995 erfolgte die erste Marktzulassung als Medizinprodukt zum Knochenaufbau im Kiefer.

Pulverförmiges Bioglas gegen Dentinhypersensibilität: NovaMin

Zu Beginn der 2000er-Jahre rückten schließlich die freiliegenden und schmerzempfindlichen Zahnhälse in das Interesse der Forschung: Da Dentin Knochenmaterial sehr ähnlich ist, war es eine folgerichtige Überlegung in der Entwicklung von Bioglas, dass die Materialien auch zur Reparatur von freiliegendem Dentin eingesetzt werden könnten. Es entstand ein Kalzium-Natrium-Phosphosilikat, das in sehr feiner Pulverform in tägliche Zahnpasta für den Hausgebrauch eingearbeitet werden konnte.

Wenn die Bioglas-Partikel mit freiliegendem Dentin in Kontakt kommen, binden sie an die Kollagenfasern auf dessen Oberfläche. Durch den Kontakt mit dem Speichel beginnen die wasserlöslichen Moleküle sofort damit, unter Abgabe von Kalzium und Phosphat aus ihrer eigenen Molekülstruktur eine Schicht aus carboniertem Hydroxylapatit zu bilden, die das exponierte Dentin und seine Kanälchen bedeckt und so vor Schmerzempfindlichkeit schützt. Die Partikel geben so lange Kalzium und Phosphat ab, bis sie sich vollständig aufgelöst haben, und wirken so als Mineralien-Reservoir [1,3] (Abb. 3).

Earl J et al. [9]
Abb. 3: Pulverförmiges NovaMin auf einer trockenen Oberfläche unter dem Elektronenmikroskop (a, b). Sobald sie mit wässriger Lösung in Kontakt kommen, beginnen die Partikel sich aufzulösen und dabei Kalzium und Phosphat in die Umgebung abzugeben: c) zu Beginn der Exposition, d) nach 18 Stunden, e) nach 36 Stunden. (Bildquelle: Earl J et al. [9]).

Dieses Kalzium-Natrium-Phosphosilikat wurde auf den Markennamen NovaMin® getauft und ab 2003 von der eigens dafür gegründeten Firma NovaMin Technology Inc. für die Verwendung in der Mundgesundheit zur schnellen und kontinuierlichen Reduktion von Schmerzempfindlichkeit kommerzialisiert. Der Name ergibt sich aus dem lateinischen Wort für „neu“ (nova) sowie „Min“ als Abkürzung für Mineralien – zusammengesetzt bedeutet NovaMin also „neue Mineralien“. Das erste zugelassene Zahnpflegeprodukt mit 5% NovaMin® war zu Beginn der 2000er-Jahre die fluoridfreie Zahnpasta Oravive® in den USA [4,5].

NovaMin in den Zahnpasten von Sensodyne

Florida, USA, 2010: Nachdem sich der neue Inhaltsstoff in Zahnpasten als wirksam für die Linderung von Dentinhypersensibilität erwiesen hatte, erkannte das pharmazeutische Unternehmen GlaxoSmithKline – zu dieser Zeit Hersteller der Zahnpasta-Marke Sensodyne – das Potenzial von NovaMin und übernahm die Firma NovaMin Technology Inc. [3].Diese Verheiratung eines weltweit agierenden, forschenden Pharmaunternehmens mit einem einzigartigen und innovativen Werkstoff stellte die Weichen für die Entwicklungen der darauffolgenden Jahre: Umfassend geprüfte Zahnpasta-Formulierungen, die neben NovaMin auch die empfohlene Menge Fluorid zum Schutz vor Karies enthielten und Schmerzempfindlichkeit bei freiliegenden Zahnhälsen effektiv linderten [6].

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Der Markteintritt der ersten Sensodyne-Zahnpasta mit NovaMin erfolgte in mehr als 50 Ländern bereits im Jahr 2013: Weltweit betrachtet ist NovaMin also ein Zahnpasta-Inhaltsstoff mit jahrelanger Erfahrung. Mit der neuen Sensodyne Clinical Repair steht nun seit 2024 die erste tägliche Zahnpasta mit NovaMin auch für den deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) zur Verfügung. Sie liefert klinisch bestätigten Schutz vor Schmerzempfindlichkeit bei freiliegenden Zahnhälsen [6] und bedient sich dafür der einzigartigen Funktionsweise von NovaMin: Beim Zähneputzen binden die NovaMin-Moleküle an freiliegende Dentinoberflächen. Sie beginnen sofort damit, Kalzium und Phosphat-Ionen in die unmittelbare Umgebung abzugeben, die auf dem Dentin zu einer hydroxylapatitähnlichen Deckschicht kristallisieren. Aufgrund ihres Mineraliengehalts ist diese Deckschicht in Labortests härter als das natürliche Dentin und widerstandsfähig gegenüber Angriffen durch Nahrungssäuren [7,8] (Abb. 4).

Earl J et al. [8]
Abb. 4: Unbehandeltes Dentin mit freiliegenden Dentinkanälchen im Laborversuch (links). Aufnahme an Tag 4, nach zweimal täglichem Putzen der Oberfläche mit einer 5% NovaMin-Zahnpasta (Mitte). Durch die wiederholte Applikation der Zahnpasta bildet sich eine Deckschicht, die die freiliegenden Öffnungen der Dentinkanälchen verschließt. Auch nach einem 5-minütigen Säureangriff durch Cola bleiben die Öffnungen der Kanälchen bedeckt (rechts) (Bildquelle: Earl J et al. [8]).
Mehr Informationen zu Sensodyne Clinical Repair erhalten Sie auf dem Online-Fachportal Haleon HealthPartner. Dort steht noch bis Juni 2025 ein Webinar zum Thema „Fokus Dentinhypersensibilität: Tägliche Zahnpflege – was gibt es Neues?“ für Sie bereit, das mit 1 CME-Punkt akkreditiert ist.

Autor/in

Dr. Isabella Kauer

Sources

1. Hench LL. The story of bioglass. J Mater Sci Mater Med. 2006; 17: 967-978.

2. Greenspan D. Bioglass at 50 – A look at Larry Hench’s legacy and bioactive materials. Biomed Glasses 2019; 5: 178-184.

3. Greenspan D. NovaMin® and Tooth Sensitivity – An Overview. J Clin Dent. 2010; 21 (Spec Iss): 61–65.

4. Scott R. NovaMin® J Clin Dent. 2010; 21 (Spec Iss): 59-60.

5. Layer TM. Development of a Fluoridated, Daily-Use Toothpaste Containing NovaMin® Technology for the Treatment of Dentin Hypersensitivity. J Clin Dent. 2011; 22 (Spec Iss): 59-61.

6. Hall C, et al. Exploratory randomised controlled clinical study to evaluate the comparative efficacy of two occluding toothpastes – a 5% calcium sodium phosphosilicate toothpaste and an 8% arginine/calcium carbonate toothpaste – for the longer-term relief of dentine hypersensitivity. J Dent. 2017; 60: 36-43.

7. Haleon Data on File 2024; Report QD-RPT-118201.

8. Earl J, et al. Physical and Chemical Characterization of the Surface Layers Formed on Dentin Following Treatment with a Fluoridated Toothpaste Containing NovaMin®. J Clin Dent. 2011; 22 (Spec Iss): 68-73.

9. Earl JS, Leary RK, Muller KH, Langford RM, Greenspan Physical and chemical characterization of dentin surface following treatment with NovaMin technology. J Clin Dent. 2011; 22 (3): 62-7.

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