Für eine erfolgreiche Sofortimplantation in die frische Extraktionsalveole müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein, wie zum Beispiel eine optimale Primärstabilität und eine korrekte Positionierung der Implantate. Die Verwendung eines vorgefertigten, an die Mundsituation angepassten Kunststoffzahns, der intraoperativ auf einem provisorischen Abutment fixiert wird, stellt dabei die gängige Versorgungsmethode dar.
In diesem klinischen Fall jedoch wurde der Stumpfanteil des provisorischen Hybridabutments (hier einfach als ästhetische Unterkonstruktion bezeichnet) aus einem hochgefüllten CAD/CAM-Nanohybrid-Komposit hergestellt. Aufgrund der Tatsache, dass der kontralaterale Zahn 11 Makro- und Mikrotexturen aufwies, die mit Farbnuancen und chromatischen Effekten an der Inzisalkante (Halo-Effekt) einhergingen, wurde entschieden, die ästhetische Unterkonstruktion so zu gestalten, dass darauf ein direktes Komposit-Veneer geschichtet werden konnte.
Patientenfall
Anamnese und Befund
Eine 31-jährige Frau stellte sich in unserer Zahnarztpraxis vor: Sie sorgte sich um ihren Zahn 21, der eine erhöhte Mobilität aufwies. Die Patientin vermutete die Ursache an einem Stoß mit einem Möbelstück, der sich vor 5 Jahren ereignete.
Die Patientin befand sich in einem guten Allgemeinzustand. Eine gründliche Untersuchung ergab keine aktive Karies oder Gingivitis, auch fanden sich keine Fisteln oder Anzeichen von akuten entzündlichen Prozessen.
Das Weichgewebe präsentierte sich in Farbe, Kontur, Form und Textur regelrecht. Vor der Behandlung wurde eine routinemäßige zahnmedizinische Prophylaxebehandlung durchgeführt.
Dr. Amilkar Rocha
- Die bildlichen Darstellungen zeigten aufgrund der offensichtlichen Wurzelresorption ein negatives Kronen-Wurzel-Verhältnis.
- Es wurde eine Knochenkonkavität im vestibulären apikalen Bereich sowie das Fehlen von Knochengewebe und ein dünner gingivaler Phänotyp festgestellt.
Auf den Kältetest zeigte der Zahn keine Sensitivität. Die von der Patientin berichtete erhöhte Zahnmobilität war klinisch offensichtlich.
Diagnose und Behandlungsplanung
Anhand der erhobenen Befunde wurden an Zahn 21 eine posttraumatische Wurzelresorption mit Vitalitätsverlust sowie Mobilitätsgrad 3 diagnostiziert. Aufgrund der Diagnose war die einzige Therapiemöglichkeit eine minimal traumatische Extraktion von Zahn 21, gefolgt von einer Kürettage der Alveole unter Erhaltung der gesunden Weichgewebe.
Geplant war eine Sofortimplantation mit kurzzeitiger zusätzlicher Verwendung eines Gingivaformers, die Knochenregeneration mit einem Xeno-Transplantat und eine sofort belastbare Versorgung. Eine gefräste Unterkonstruktion aus Nanohybrid-Komposit (Grandio disc, VOCO) sollte fixiert und klinisch mit einem direkten Komposit-Veneer individualisiert werden.
Das Behandlungsprocedere
Nach der Bewertung der vestibulären Morphologie und Textur (Abb. 2) sowie einer präzisen Abformung wurden im Labor physische und virtuelle Modelle der Zähne erstellt. Das diagnostische Wax-up wurde als Orientierung für die Herstellung des provisorischen Mock-ups und der Unterkonstruktion angefertigt. Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Es wurde ein Kronen-Mock-up aus mikrogefülltem Komposit für Provisorien gefräst (Structur CAD, VOCO). Dieser wurde der Patienten am Mund präsentiert. Sie stimmte der zu erwartenden Versorgung zu (Abb. 3).
Danach wurde der Eingriff virtuell simuliert (nicht abgebildet) und die Konstruktion in der CAD-Planungssoftware (Implant Studio, 3Shape) entworfen. Die alveoläre Architektur wurde beibehalten. Die Schablone für die Implantation wurde additiv aus einem geeigneten Druckharz (Cosmos SG, Yller) auf einem 3D-Drucker (Photon Mono 4K, Anycubic) hergestellt.
Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Gleichzeitig wurde der Knochen mit natürlich reinem bovinen Knochenersatzmaterialien (Knochengranulate in der Größe von 0,5 bis 1,0 mm, Cerabone, Straumann) regeneriert. Anschließend wurde der Gingivaformer entfernt und ein Scan-Sekundärteil (Grand Morse 3 in 1 Smart Abutment, Neodent, Straumann) eingesetzt, um die klinische Implantatposition und die Weichgewebe zu scannen.
Die erhobenen Daten wurden an die CAD/CAM-Designsoftware (exocad, Align Technology) übertragen, mit der die Unterkonstruktion für die provisorische Versorgung unter Berücksichtigung der kritischen Konturbereiche entworfen wurde. Hierfür wurden unterstützend die präoperativ hergestellten Modelle herangezogen. Die Unterkonstruktion wurde im CAD/CAM-Verfahren konstruiert und gefräst.
Diese ästhetische Unterkonstruktion wurde so geformt, dass sie den ursprünglichen Verlauf des Zahnfleisches wiederherstellt und die marginale Gingiva in der ursprünglichen Position hält. Die Konstruktion wurde aus einer Nanohybrid-Komposit-Ronde (Grandio disc, A1 LT, VOCO) auf einer 5-Achs-Fräs- und Schleifmaschine (inLab MC X5, Dentsply Sirona) gefräst und anschließend mithilfe eines dualhärtenden, universellen adhäsiven Befestigungssystems (Bifix Hybrid Abutment, VOCO) auf dem zuvor genannten Smart-Abutment von Neodent zementiert. Daraus entstand ein Hybrid-Abutment (Abb. 10). Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Um ausreichend Platz für alle Schichten zu garantieren, wurde in der CAD-Planung eine kleine Reduktion des Substrats im Cut-Back-Verfahren vorgesehen (Abb. 10 und 11). Es erfolgte die Überprüfung des Hybrid-Abutments auf dem Implantat auf korrekte Position, passive Gewebeadaptation und korrekte Randlage (Abb. 11).
Nach Fixierung der endgültigen Position wurde unter Kofferdam ein direktes Komposit-Veneer (Admira Fusion, VOCO) auf die CAD/CAM-Unterkonstruktion geschichtet (Abb. 12 bis 21). Die absolute Trockenlegung mit Kofferdam verhinderte zusätzlich ein ungewolltes Touchieren des periimplantären Weichgewebes mit Bonding- oder Kompositmaterial. Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Die Schichtung erfolgte zunächst im zervikalen Bereich (Abb. 15 und 16). Hiernach wurde das Hybrid-Abutment zur Politur herausgeschraubt, um so Verletzungen oder Kontaminationen des Weichgewebes zu vermeiden. Anschließend wurde das Abutment erneut mit einem Drehmoment von 25 Ncm verschraubt (Abb. 17). Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Die postoperative DVT-Aufnahme bestätigt die korrekte Positionierung und Anpassung der Implantatkomponenten (Abb. 22). Hier ist zu erkennen, dass die Verwendung eines konkaven Abutments Platz für das Transplantationsmaterial schafft und langfristige Gewebestärke gewährleistet.
Intraorale Bilder zeigten eine ausgezeichnete (Mikro-)Textur der Komposit-Restauration und eine optimale Anpassung an das Weichgewebe (Abb. 23). Das endgültige ästhetische Ergebnis ist äußerst zufriedenstellend, das Komposit imitiert den natürlichen Zahn exzellent (Abb. 24). Dr. Amilkar Rocha
Dr. Amilkar Rocha
Ergebnis
Im vorliegenden Fall war die Patientin mit dem ästhetischen Ergebnis der Behandlung sehr zufrieden. Für die Restauration auf Zahn 21 wurde mit einem direkt geschichteten Komposit-Veneer ein äußerst ästhetisches Ergebnis erzielt. Es stellt immer eine Herausforderung dar, die Form und Farbe eines mittleren Schneidezahns auf den kontralateralen Zahn zu übertragen.
Im vorliegenden Fall wurde jedoch ein morphologisch individuell angepasstes CAD/CAM-Komposit-Abutment hergestellt, das das vorhandene Weichgewebe und Transplantatmaterial stützt, um die Weichgewebestärke und dessen Vaskularisation langfristig zu gewährleisten. Dank der minimal traumatischen Extraktion und der computergestützten Chirurgie wurde eine ausgezeichnete Primärstabilität für das Implantat mit einem Drehmoment von über 50 Ncm erreicht. Dies ist die Grundlage für die erfolgreiche Osseointegration und eine langfristige Stabilität des Implantats und damit eine dauerhaft intakte Restauration.
Schlussfolgerungen
Die tomographischen Schichten zeigten eine Typ-1-Alveole mit dünner vestibulärer Knochenwand. In solch einer Situation ist zum einen eine Sofortimplantation und zum anderen auch eine vorherige Regeneration der Knochenalveole mit anschließender Implantation denkbar. Der zusätzliche Lockerungsgrad 3 und die rötgenologisch erkennbare Wurzelresorption ließen die Entscheidung für die Sofortimplantation fallen.
Der Behandlungserfolg ist auf eine akribische Planung zurückzuführen, die sich auf verschiedene bildgebende Verfahren wie Fotos, Röntgenbilder, DTV-Aufnahmen und 3D-Scans stützt. Der Einsatz dieser Instrumente half dem Team, eine genaue Diagnose zu stellen, den optimalen Behandlungsplan festzulegen und mögliche Komplikationen vorherzusehen.
Die CAD-Software unterstützt durch Errechnen und Vorschlagen die optimale Implantatposition. Der vorliegende Fall zeigt deutlich, wie wichtig es ist, bei der Umsetzung eines Behandlungsplans etablierte Protokolle zu befolgen.
Die Einhaltung vorgeschriebener Zeitpläne, empfohlener Materialien und Verfahren minimiert die Gefahr von Komplikationen und Misserfolgen signifikant. Der Einsatz der geführten Implantologie und die Methode der Herstellung von gefrästen Abutments ist in Kombination sehr vorteilhaft, setzt aber ausreichend technisches Können und eine sorgfältige Auswahl der Verfahren voraus.
Zusätzlich trägt auch die Erfahrung des Anwenders entscheidend zum Erfolg einer Behandlung bei. Ebenso setzt die Schichttechnik mit Komposit, gerade bei hohen ästhetischen Ansprüchen im Frontzahnbereich, eine entsprechende Expertise sowie die Einhaltung aller in der neueren wissenschaftlichen Literatur beschriebenen Schritte voraus.
Bildquellen sofern nicht anders deklariert: Unternehmen, Quelle oder Autor/-in des Artikels
Keine Kommentare.