Inzwischen bietet der Dentalmarkt ein breites Angebot an meist lichthärtenden Materialien, die einfach und unkompliziert in der Praxis angewendet werden können. Zumeist wird eine blaue LED-Lampe genutzt, um das Material passgenau auszuhärten. Das Wort Komposit stammt vom lateinischen Begriff „componere“ ab, der „zusammengesetzt“ bedeutet [13]. Solche Komposite bestehen aus einer organischen Matrix, in die anorganische mikro- und z. T. nanoskalige Füllstoffe eingebettet sind [5,1]. Der Aushärtevorgang von Dentalkompositen funktioniert über eine lichtinitiierte radikalische Polymerisation der Monomere in der Kompositmatrix. Die hohen mechanischen Festigkeiten eines so ausgehärteten sogenannten Duromerwerkstoffes sind auf seine dreidimensionale chemische Vernetzung sowie den hohen Füllstoffgehalt zurückzuführen. Ein breites Spektrum an verschiedensten Zusammensetzungen sowie Ausgangsstoffen kommt zum Einsatz, um die Verarbeitungseigenschaften gezielt an die Anwendung anzupassen.
Um den Polymerisationsschrumpf des Komposits und die damit verbundenen Schrumpfspannungen an der Komposit/Zahn-Grenzfläche zu minimieren, wurden in den vergangenen 15 Jahren Komposite entwickelt, die mithilfe von nanoskaligen Füllstoffen auf einen Füllstoffgehalt von bis zu 90 Massen-% kommen. Herkömmliche Komposite ermöglichen in der Regel Schichtstärken von bis zu 2 mm, die mit einem Belichtungszyklus gehärtet werden können. Um tiefere Kavitäten zu füllen, wurde in der Vergangenheit standardmäßig mit der sogenannten Inkrementtechnik gearbeitet. Bulk-Fill-Materialen ermöglichen heutzutage Inkrement-Schichtstärken von 4 bis 5 mm [3]. Dies spart Zeit und Kosten und reduziert die Fehlerwahrscheinlichkeit in der Durchführung. Die Materialien benötigen hierfür eine hohe Durchhärtetiefe bei gleichzeitig geringem Polymerisationsschrumpf [20]. Eine weitere bedeutsame Materialklasse der Kompositmaterialien stellen die Flowables dar. Diese besonders fließfähigen Komposite eignen sich besonders für Fissurenversiegelungen und minimalinvasive Füllungen [4].

Die Materialkonzepte der verschiedenen Komposittypen

Messmethode der dielektrischen Analyse
Um die schnell ablaufenden Reaktionen vom Monomer zum Duromer-Netzwerk verfolgen zu können, wurde die dielektrische Analyse verwendet. Vorteil dieser Messmethode ist die hohe Datenerfassungsrate, die es ermöglicht, die ersten Sekunden der Reaktion in Echtzeit abzubilden. Dafür wird die Probe auf einen ebenen Kondensatoraufbau aufgebracht, an den ein elektrisches Wechselfeld mit einer vorgegebenen Frequenz angelegt wird (Abb. 1) [17]. In diesem Wechselfeld orientieren sich geladene Teilchen, wie Ionen oder Dipole, in der Harzmatrix. Untersucht wird die Änderung der Beweglichkeit dieser geladenen Teilchen in der Matrix, die Ionenviskosität ?t Ion, mit zunehmendem Reaktionsfortschritt. Sie hängt umgekehrt proportional von der Ionenbeweglichkeit, der Ladung sowie der Ionenkonzentration ab [18].![Abb. 1: Messprinzip der dielektrischen Analyse (DEA), links. Das elektrische Wechselfeld misst die Ionenbeweglichkeit im Harzanteil der Kompositprobe an der Grenzschicht zwischen Sensor und Probe in ca. 1 mm Belichtungstiefe. Vergrößerte Sensoroberfläche des Mini-IDEX Sensors von NETZSCH Gerätebau, rechts [19].](https://dentalwelt.spitta.de/wp-content/uploads/post_images/Abb.03_208.jpg.webp)
![Abb. 2: Schematischer Versuchsaufbau zur Härtungscharakterisierung mittels DEA, links. Belichtung der Probe, rechts [17].](https://dentalwelt.spitta.de/wp-content/uploads/post_images/Abb.04_205.jpg.webp)
Versuchsdurchführung
Die Materialien wurden in einer Schichtdicke von 1 mm auf den DEA-Sensor aufgebracht und auf 36 °C temperiert (Abb. 2, links). Die DEA-Messfrequenz betrug 1.000 Hz. Die Leistung der verwendeten Polymerisationslampe (Bluephase 20i, High Modus, Ivoclar Vivadent) betrug 1.200 mW/cm². Der Belichtungsabstand von genau 1,1 mm wurde mittels eines Objektträgers realisiert. 60 Sekunden nach der Probenapplikation wurde die Polymerisationslampe gestartet und 30 Sekunden lang belichtet (Abb. 2, rechts) [17].
Datenauswertung
Eine typische DEA-Kurve lässt sich über folgende Kurvenpunkte charakterisieren (Abb. 3):
- die Anfangsionenviskosität, die vor der Belichtung ermittelt wird, als qualitatives Maß für die Viskosität des Harzanteils
- die Ionenviskosität nach 30 Sekunden ? (Ion/30s), als qualitatives Maß für die erreichte Aushärtung nach einer Belichtungszeit von 30 Sekunden
Da je nach Monomerzusammensetzung des jeweiligen Komposit-Harzsystems die Anfangs- und Endionenviskosität stark schwanken kann, werden die Messkurven zur besseren Vergleichbarkeit ihres Härtungscharakters normiert (Gl. 1 u. Abb. 3). Diese Normierung liefert dann eine relative Ionenviskosität in % nach der folgenden Berechnung:

Diese normierten Härtungskurven bieten die Möglichkeit, die Härtungsgeschwindigkeiten der unterschiedlichen Komposittypen untereinander qualitativ zu vergleichen und grundsätzliche Aussagen im Hinblick auf ihre Harzzusammensetzung bzw. ihr Materialkonzept zu treffen. Zusätzlich wurde die relative Ionenviskosität nach 20 Sekunden, ausgewertet. Sie liefert Informationen über den Grad in % der erreichten Aushärtung nach 20 Sekunden ? (Ion/20s), was der empfohlenen Belichtungszeit der meisten Materialien entspricht, im Verhältnis zur erreichten Viskosität nach der max. Belichtungszeit von 30 Sekunden (gerätebedingte max. Belichtungsdauer der Bluephase 20i im High-Modus).
Da sich die relative Ionenviskosität prozentual auf den Messwert nach 30 Sekunden Belichtungszeit (entspricht 100 %) bezieht, ist sie keinesfalls vergleichbar mit dem Härtungsgrad (DC), der in der Literatur üblicherweise auch in % angegeben wird. Die in dieser Studie durchgeführten DEA-Härtungsanalysen liefern also keine DC-Werte, sondern erlauben die Reaktivität bzw. Härtungsgeschwindigkeit verschiedener Dentalkomposite qualitativ miteinander zu vergleichen. Zur Vergleichbarkeit von Härtungsanalysen an Dentalkompositen mittels DEA sowie anderen anerkannten Methoden wurden in der Vergangenheit zum Teil unter Beteiligung der Autoren zwei einschlägige Studien in Dental Materials veröffentlicht [9,10].
Ergebnisse und Auswertung
Flowables
Die gemessenen DEA-Härtungskurven der untersuchten Flowables lassen sich in zwei Klassen von Reaktivität einteilen (Abb. 4). XTE Flow, Tetric EvoFlow und Venus Diamond Flow reagieren vergleichsweise schnell (Tab. 3) und weisen keine deutlichen Unterschiede in ihrer Reaktivität auf (Abb. 4, rechts). Sie besitzen moderate Füllstoffgehalte und benötigen daher kein bzw. im Fall von XTE Flow kaum besonders niedrigviskoses Verdünnermonomer TEGDMA, was sich auch in den höheren Anfangsionenviskositäten zeigt (Abb. 4, links).

In der Literatur ist über TEGDMA in höheren Anteilen bekannt, dass es zwar die Viskosität des Harzsystems verringert, jedoch die Reaktionsgeschwindigkeit verlangsamt [2]. Grandio Flow und GrandioSo Flow weisen mit min. 80 Massen-% die mit Abstand höchsten Füllstoffgehalte auf (Tab. 3). Um trotzdem eine ausreichende Fließfähigkeit zu besitzen, ist bei diesen beiden Materialien ein höherer Verdünnergehalt (z. B. TEGDMA) wahrscheinlich. Das zeigt sich auch hier an den geringen Anfangsionenviskositäten (Abb. 4, links) und schlägt sich wiederum in einer verringerten Reaktivität nieder. Hierbei sollte jedoch in Betracht gezogen werden, dass hochgefüllte Kompositsysteme trotz einer weicheren Harzmatrix gute mechanische Gesamteigenschaften aufweisen können.
Venus Flow zeigt ebenfalls, gemessen an seinem moderaten Füllstoffgehalt, eine geringere Reaktivität. Der Grund hierfür scheint die Verwendung des Verdünnermonomers TEGDMA zu sein. Bei der neueren Generation Venus Diamond Flow, die bei ähnlichem Füllstoffgehalt nun nicht mehr auf TEGDMA setzt, ist die Reaktivität deutlich höher.
Mikrohybridkomposite

Nanohybridkomposite
Alle getesteten Nanohybridkomposite zeigen in 1 mm Probentiefe selbst nach 30 Sekunden Belichtung noch kein Plateau bei der Ionenviskosität (Abb. 6). Das heißt, die Härtungsreaktion neigt sich noch nicht deutlich dem Ende zu. Auch bei ihnen lassen sich hinsichtlich der Reaktivität drei verschiedene Klassen einteilen. Venus Diamond und Quixfil zeigen nach 20 Sekunden Belichtung die höchsten relativen Ionenviskositäten (Tab. 5 u. Abb. 6). Beide weisen nach Herstellerangaben kein Bis-GMA, dafür aber UDMA auf, was nach Dickens et al. eine Erklärung für die höhere Reaktivität sein könnte [2]. Zudem ist Quixfil ein Bulk-Fill-Material, welches laut Gebrauchsanweisung für Einhärtetiefen von bis zu 4 mm bei gerade einmal 20 Sekunden Belichtungsdauer vorgesehen ist. Dass dieses Material auch bei geringen Belichtungsintensitäten schnell aushärtet, ist hierbei also Grundvoraussetzung [4]. Tetric liegt von der Reaktivität im Mittelfeld und besitzt eine typische Monomermischung aus Bis-GMA, UDMA und TEGDMA.
80 Massen-% Füllstoff) im Vergleich. Logarithmierte Ionenviskosität, links, sowie die nach Gl. 1 normierten relativen Ionenviskositätskurven, rechts.“ class=“wp-image-11158″/>
Grandio und GrandioSo besitzen, ähnlich wie bei den Flowable- Varianten, die mit Abstand höchsten Füllstoffgehalte und weisen gleichzeitig die niedrigsten relativen Ionenviskositäten nach 20 Sekunden Belichtungszeit auf. Entsprechend niedrigviskos ist der Harzanteil demnach durch Verdünnermonomere (z. B. TEGDMA) vermutlich eingestellt. Bei GrandioSo ist entsprechend der Gebrauchsanweisung zudem Bis-GMA wahrscheinlich teilweise durch das wesentlich dünnflüssigere Bis-EMA ersetzt worden. Beide Materialien beinhalten kein UDMA.
Fazit
Durch die dielektrische Analyse der Lichthärtung von Dentalkompositen und insbesondere durch die Normierung der Messkurven zur relativen Ionenviskosität zwischen 0 und 100 % der in 30 Sekunden Belichtung erreichten Aushärtung konnten wesentliche Einflüsse der Harzzusammensetzung auf deren Reaktivität qualitativ bestimmt werden. So zeigten beispielsweise Harzsysteme mit einem hohen Gehalt des niedrigviskosen Verdünnermonomers TEGDMA deutlich langsamere Änderungen in der relativen Ionenviskosität. Zudem wurden hohe TEGDMA-Anteile mit sehr hohen Füllstoffanteilen in Zusammenhang gebracht, sodass Letztere mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls ein Indiz für eine geringere Reaktivität sein könnten. Grundsätzlich zeigte sich bei einem Großteil der untersuchten Dentalkomposite, dass die Lichthärtungsreaktion in 1 mm Schichttiefe selbst nach 30 Sekunden noch nicht vollständig abgeschlossen ist.
Unklar ist jedoch, wie sich die Dunkelhärtung nach Belichtungsende bei diesen Kompositen auswirkt, da bekannt ist, dass diese einen erheblichen Anteil an den finalen mechanischen Eigenschaften hat. In der Literatur findet man diverse Studien, die bei handelsüblichen Kompositen bei einer Schichtstärke bis 2 mm nach 30 Sekunden Belichtungszeit mit einer Bluephase 20i oder vergleichbaren Polymerisationslampe eine ausreichende Aushärtung attestieren [1,8,12]. Dies spiegelt sich in der Regel auch in den Bedienungsanleitungen der Hersteller wider. Daher sind die Ergebnisse dieser Studie rein qualitativ zu sehen, also im Vergleich der Materialien untereinander und nicht zur Bewertung des exakten Aushärtungsgrades eines bestimmten Materials.
Grundsätzlich sollten Anwender aller Dentalkomposite nach Einschätzung der Autoren bei der Wahl der Belichtungsdauer nicht zu sparsam und bei der Gestaltung der Inkrement- Schichtstärke bei tieferen Restaurationen nicht zu großzügig sein.
| Die Autoren bedanken sich bei den Firmen Voco, Ivoclar Vivadent, Kulzer, DentsplySirona sowie 3M für die freundliche Bereitstellung der Dentalkomositmaterialien. Zudem sei Ivoclar Vivadent für die Bereitstellung der Bluephase 20i Polymerisationslampe gedankt. |
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Autoren:
Dr. Johannes Steinhaus1,2, Lara Kehret, M.Sc.1, Michael Wieland, M.Sc.1, Prof. Dr. Bernhard Möginger1,2
1 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Fachbereich Angewandte Naturwissenschaften
2 Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, TREE-Institut für Technik, Ressourcenschonung und Energieeffizienz
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