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Evidenzbasierte Empfehlungen zur täglichen Mundpflege

In der modernen Zahnmedizin spielen evidenzbasierte Empfehlungen für die Praxis eine zentrale Rolle. Die FDI World Dental Federation (FDI) hat eine systematische Übersicht durchgeführt und neue Ressourcen veröffentlicht, die eine praktische Anleitung zu präventiven Strategien auf individueller Ebene bieten. Ziel war es, einen professionellen Konsens über Zahnputzmethoden und das damit verbundene Mundhygieneverhalten zu erreichen. Prof. Dr. Stefan Zimmer, ärztlicher Leiter der Zahnklinik und Abteilungsleiter für Zahnerhaltung, Präventivzahnmedizin und Kinderzahnmedizin der Universität Witten/Herdecke, gab im Rahmen eines Interviews sowohl Einblicke in verschiedene Aspekte der Zahnpflege als auch in die aktuellen FDI-Empfehlungen zur täglichen Mundpflege [1] und deren Umsetzung in der Praxis. Diese werden im Folgenden zusammengefasst.

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Zeitpunkt, Häufigkeit und Dauer des Zähneputzens

Prof. Dr. Stefan Zimmer
Prof. Dr. Stefan Zimmer, ärztlicher Leiter der Zahnklinik und Abteilungsleiter für Zahnerhaltung, Präventivzahnmedizin und Kinderzahnmedizin der Universität Witten/Herdecke.

Eine zentrale Empfehlung der FDI ist, dass das Zähneputzen täglich vor dem Zubettgehen und mindestens ein weiteres Mal am Tag zu erfolgen hat. Hier betonte Prof. Zimmer, dass der zweite Zeitpunkt idealerweise morgens nach dem Frühstück liegen sollte. Dies helfe dabei, die nächtliche kariogene Aktivität zu kompensieren und der Demineralisierung, die während der Nacht stattfinde, entgegenzusteuern.

Im Kontext verwies Prof. Zimmer darüber hinaus auf Studien [2], die zeigten, dass das Zähneputzen direkt nach dem Verzehr von Nahrungsmittel aufgrund des Konsums von Kohlenhydraten und Zucker empfehlenswert sei, um der Demineralisation entgegenzuwirken und die mechanische Biofilmentfernung zu unterstützen.

Der Effekt der Biofilmentfernung komme jedoch nur bei Verwendung einer Fluoridzahnpasta signifikant zum Tragen [3]. Mit dem Zähneputzen zu warten sei hingegen nicht sinnvoll, weil man in diesem Falle der besonders kariogenen Aktivität unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme nicht entgegenwirken würde. Zur Vorbeugung möglicher Erosionsschäden abzuwarten, helfe ferner auch nicht, weil es viele Stunden brauche bis erosiv erweichter Zahnschmelz remineralisiert sei [2,4]. Prof. Zimmer empfiehlt daher, saure Getränke, die der Haupt-Risikofaktor für Erosionen sind, in großen Schlucken zu trinken, um die Expositionsdauer zu reduzieren [5,6].

Eine interessante Diskussion ergab sich während des Interviews bei der Frage nach der optimalen Zahnputzdauer. Während frühere Empfehlungen in Deutschland eine Putzdauer von 3 Minuten vorsahen, hat sich der internationale Standard von 2 Minuten inzwischen auch hierzulande etabliert. Prof. Zimmer betonte, dass die tatsächliche optimale Putzdauer individuell variiere und von verschiedenen Faktoren wie der Gebiss-Situation und der Geschicklichkeit des Putzenden abhänge [7].

Zähneputzen bei Kindern

Ein weiterer wichtiger Punkt in den FDI-Empfehlungen ist die Zahnpflege bei Kindern. Es wird empfohlen, mit dem Zähneputzen bereits beim Durchbruch des ersten Zahns zu beginnen. Anfangs kann laut Prof. Zimmer dazu ein Mikrofaser-Fingerling verwendet werden: „Das ermöglicht eine gute Gewöhnung an das Zähneputzen und ist auf Glattflächen effektiv. Sobald die Backenzähne durchbrechen, etwa ab 14 Monaten, sollte man jedoch auf eine Zahnbürste umsteigen,“ betonte der Experte.

Ferner wies er darauf hin, dass die Eltern die Zähne des Kindes sofort mit einer elektrischen Zahnbürste putzen sollten. Hier zeigten klinische Studien, dass bereits 2- bis 4-jährige das Putzen durch die Eltern mit einer elektrischen Zahnbürste genauso gut tolerieren, wie mit einer manuellen Zahnbürste [8] und dass bei korrekter Handhabung, elektrische Zahnbürsten eine bessere Reinigungseffizienz als manuelle Zahnbürsten bieten [9]. Für Kinder selbst wäre eine manuelle Zahnbürste besser geeignet etwa bis zum 4. Geburtstag, weil kleine Kinder in der Regel nur auf der Bürste herumkauen und nicht effektiv putzen. „Da geht es eher um das Etablieren des Rituals als um eine effektive Mundhygiene“ sagte der Experte.

Wanja Jacob / AdobeStock

Prof. Zimmer konkretisierte die Empfehlungen der FDI dahingehend, dass Eltern ihren Kindern bis zum Alter von etwa neun Jahren beim Zähneputzen helfen und nachputzen sollten. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass das Kind dann effektiv putzt, aber es wird mit zunehmendem Alter beim Nachputzen unkooperativer, weil es mehr Selbstständigkeit möchte. Deswegen sei auch dann eine kontinuierliche bedarfsorientierte Kontrolle und Unterstützung durch die Eltern wichtig, um eine gute Mundhygiene zu gewährleisten.

Die Wahl der passenden Zahnbürste

Bei der Wahl der Zahnbürste gibt es keine allgemeingültige Empfehlung, da diese stark von individuellen Bedürfnissen und Vorlieben abhängt. Prof. Zimmer betonte, dass elektrische Zahnbürsten insbesondere bei Defiziten in der Mundhygienequalität vorteilhaft seien: „Sie reinigen in der Regel besser und ermöglichen eine effizientere Plaqueentfernung [10,11]. Aber: Wenn man bereit ist, etwas mehr Zeit zu investieren, kann man mit der manuellen Zahnbürste genauso gute Putzergebnisse erzielen,“ erläuterte er im Interview.

Außerdem widersprach Prof. Zimmer der häufigen Empfehlung, Zahnbürsten mit weichen Borsten zu verwenden. Studien an der Universität Witten/Herdecke [12,13] hätten gezeigt, dass weiche Borsten Biofilme schlechter entfernen und zugleich mehr Abrasionen auf Dentin verursachen könnten. Grundsätzlich gelte: Je härter die Borste, desto besser die Reinigung. Bei zu hohem Druck könne dabei jedoch das Zahnfleisch verletzt werden. Wer mit sehr viel Anpressdruck putze, sollte daher auf Zahnbürsten mit mittelharten Borsten zurückgreifen.

Aufbewahrung und Wechsel der Zahnbürste

Die richtige Aufbewahrung der Zahnbürste und deren regelmäßiger Wechsel sind weitere wichtige Aspekte der Zahnpflege. Laut FDI-Empfehlungen soll die Zahnbürste nach dem Zähneputzen gründlich gereinigt und zum Trocknen aufrecht gelagert werden. Der Wechsel der Zahnbürste oder des Bürstenkopfes sollte alle drei bis vier Monate erfolgen, bei sichtbarer Abnutzung gerne auch früher sowie nach Infektionen. Prof. Zimmer erläuterte jedoch, dass ein Wechsel nach Infektionen nicht zwingend erforderlich sei, da der Körper eine Immunität entwickelt habe, die eine Reinfektion verhindere. In der Zahnbürste fänden sich ja nur die Keime, die aus dem eigenen Körper kämen.

Fluorid: Der Schlüssel zur Kariesprävention

Die richtige Menge an Fluorid ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Kariesvorbeugung. Im Einklang mit jüngsten nationalen Empfehlungen zur Kariesprophylaxe im Säuglings- und frühen Kindesalter [14] empfiehlt auch die FDI für Kleinkinder 0 bis 6 Jahre Zahnpasten mit 1.000 ppm Fluorid. Prof. Zimmer ergänzte: „je nach Alter soll genau dosiert werden, um eine zu hohe Fluoridaufnahme zu vermeiden: ab dem Durchbruch des ersten Zahns ist mit einer reiskorngroßen Menge Zahnpasta und nach dem 2. Geburtstag mit einer erbsengroßen Menge Zahnpasta zu putzen“.

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Bei Kleinkindern sei es ferner grundsätzlich wichtig, darauf hinzuweisen, überschüssige Zahnpasta auszuspucken und nicht einfach zu verschlucken. Solange sie sich an die Dosierungsempfehlungen für Kinderzahnpasten hielten, müssten Eltern sich jedoch keine Sorgen machen, wenn ihre Kinder das Ausspucken noch nicht perfekt beherrschen. Die aktuellen Empfehlungen gehen aus Sicherheitsgründen von dem Worst-Case-Szenario aus, dass die Kinder die Zahnpasta komplett verschlucken. Prof. Zimmer war außerdem noch wichtig, dass ab dem 6. Geburtstag, mit dem Durchbruch des ersten Molaren, auf Zahnpasten mit einer höheren Fluoridkonzentration (1.400-1500 ppm) umgestiegen wird, denn 6-Jahr-Molaren brauchen einen besonders effektiven Kariesschutz.

Ausspülen nach dem Zähneputzen: Ja oder Nein?

Die Studienlage in Bezug auf die Frage, ob man nach dem Zähneputzen mit Wasser ausspülen sollte, ist unklar. FDI-Empfehlungen sehen vor, dass nach dem Zähneputzen überschüssige Zahnpasta auszuspucken und das Ausspülen mit Wasser zu vermeiden ist, um die richtige Menge an Fluorid im Mund zu behalten. Allerdings zeigt eine prospektive 3-Jahresstudie keinen Effekt auf die Kariesentwicklung [15]. Prof. Zimmer empfiehlt seinen Patienten, nach dem Zähneputzen nicht intensiv, sondern nur mit einer Handvoll Wasser auszuspülen, auch um Tenside nicht unnötig lange im Mund zu behalten.

Mundspülungen: Wann und wie?

Der Nutzen einer fluoridhaltigen Mundspüllösung sei mit hoher Evidenz belegt [16]. Wenn Mundspülungen verwendet werden, ist es besser, dies zu einem anderen Zeitpunkt als unmittelbar nach dem Zähneputzen zu tun, so liest sich die FDI-Empfehlung. Prof. Zimmer war auch der Meinung, dass es sinnvoll sei, eine fluoridhaltige Mundspülung zu einem anderen Zeitpunkt als dem des Zähneputzens anzuwenden; so sorge man für einen zusätzlichen Fluorid-Impuls. Obwohl er davon ausgeht, dass sich dadurch die Fluoridversorgung der Zähne über den Tag gesehen verbessern lässt, gäbe es – weil Studien fehlen – dafür keine Evidenz für einen zusätzlichen Nutzen in der Kariesprävention. Er empfiehlt Mundspülungen mit Fluorid und antibakteriellen Inhaltsstoffen bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Karies oder Zahnfleischentzündungen ab einem Alter von 6 Jahren.

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Interdentalreinigung: Wichtig aber oft vernachlässigt

Im Rahmen der FDI-Empfehlungen werden Interdentalraumbürsten, Einzelbüschelbürsten und Zahnseide als Optionen zur Reinigung der Zahnzwischenräume gelistet. Patienten sollen bei der Wahl der Hilfsmittel den Empfehlungen des Fachpersonals folgen, wobei die individuellen Bedürfnisse berücksichtigt werden. Nach Prof. Zimmer gelten Interdentalraumbürsten und Zahnseide als Goldstandard, gleichwertig daneben stehen Softpicks, die aber einfacher in der Handhabung und deshalb tendenziell überlegen sind. Die Reinigung der Interdentalräume sollte mindestens einmal täglich durchgeführt werden und vor dem Putzen mit der Zahnbürste erfolgen. So gelange während des Putzens mehr Fluorid in den Zahnzwischenraum und nach dem Putzen wäre weniger Biofilm im Zahnzwischenraum zu beobachten [17]. Bei Kindern solle mit der Interdentalreinigung begonnen werden, sobald die ersten Milchzähne in Kontakt stehen, also etwa mit 2 ½ Jahren.

Fazit

Die FDI-Empfehlungen zur täglichen Mundpflege sind umfassend und bieten eine wertvolle Orientierung für eine effektive Mundhygiene. Im Interview lieferte Prof. Zimmer wichtige Ergänzungen und betonte die Bedeutung individueller Anpassungen und systematischer Herangehensweisen. Die Empfehlungen dienen somit als eine praktische Anleitung für Zahnärztinnen und Zahnärzte, die die Kommunikation mit ihren Patienten erleichtern und die Prävention auf individueller Ebene stärken kann.

Quelle:
Haleon Group

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