Frau Dr. Heidenreich Sie sind Expertin für Produkt- und Verbraucherforschung innerhalb des FEI-Programms für elektrische Zahnbürsten und entwickeln neue Produkte, die die Verbraucher begeistern. Was sind gerade die spannendsten Projekte, an denen Sie arbeiten?
Generell ist es „Frontend Innovation“, d.h. wir beschäftigen uns damit, was Verbraucher in den nächsten 10 Jahren begeistern könnte. Es ist ein sehr breites Feld. Besonders spannend ist es herauszufinden, wo die Trends liegen und was die Konsumenten in Zukunft interessieren könnte. Wohin führt der Weg der elektrischen Zahnbürsten noch? Es ist ja mittlerweile schon teilweise ein Hightech-Gerät.
Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, immer mehr Handzahnbürsten-Nutzer zur elektrischen Zahnbürste zu bringen, um ihnen das bestmögliche Reinigungsergebnis zu ermöglichen. Gerade mit der iO2 haben wir ganz spezifisch die Barrieren, die Benutzer von Handzahnbürsten haben, adressiert. Zum einen die Komplexität. Einige Nutzer denken, es gäbe bei einer elektrischen Zahnbürste viel zu beachten und es ist ihnen zu komplex. Zum anderen sind es natürlich auch die Kosten. Hier schauen wir, dass wir auch Bürsten anbieten, die im niedrigeren Preissegment liegen. Aber auch die Erwartungshaltung, dass die Bürsten vielleicht zu stark reinigen und es zu Zahnfleischreizungen kommen kann, schreckt ab. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten auf die Bedürfnisse der Konsumenten einzugehen. Zum einen durch den Sensitiv-Modus und den sanften Borstenkopf. Hierzu wird es noch weitere Innovationen geben. Es gibt also verschiedene Barrieren, die Handzahnbürsten-Nutzer haben und darauf wollen wir noch mehr eingehen.
Sehr spannend ist auch die Arbeit, die wir zum Thema Inklusion machen. Es gilt, spezifischer darauf zu achten, wie wir alle unsere Konsumenten abholen können. Speziell zu schauen, was sind die verschiedenen Herausforderungen, die die Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen haben, um dann ein Produkt zu entwickeln, dass nicht unbedingt nur für diese Personengruppe speziell ist, sondern ein Produkt, dass von allen Konsumenten gleichermaßen genutzt werden kann. Dadurch wollen wir allen eine bessere Mundpflegeroutine ermöglichen.
Ich freue mich hierfür Zeit investieren zu können, um besser zu verstehen, wo die Barrieren liegen, und was die Konsumenten mit visuellen, dexterischen, kognitiven oder anderen Einschränkungen tatsächlich benötigen.
Welche Trends zeichnen sich in der Entwicklung der Verbraucher ab?
Was man tatsächlich sieht und vielleicht ist das speziell in Deutschland noch deutlicher ausgeprägt. Die Verbraucher sind bewusster geworden. Sie wissen, dass sie wirklich in ihre Mundpflege investieren müssen – nicht nur Geld, sondern auch Zeit, sodass sie ihre Zähne möglichst lange be- und erhalten können. Wenn ich meine Großeltern anschaue, die haben sehr früh ihre dritten Zähne bekommen – das war früher nun einfach so. Man hatte Kukident und da lag das Gebiss im Glas. Wenn ich jetzt meine Eltern als Beispiel nehme – zum gleichen Alterszeitpunkt hatten meine Großeltern schon die dritten Zähne – meine Eltern nicht. Es hat also ein Umdenken stattgefunden.
Die Konsumenten investieren viel, um die eigenen Zähne möglichst lange zu behalten und um Zahnersatz zu vermeiden. Vielen ist bewusst, dass sie selbst dafür verantwortlich sind, d.h. es reicht nicht nur regelmäßig zum Zahnarzt zu gehen, sondern auch Zahnseide zu nutzen und mit der richtigen Zahnbürste zu putzen. Ferner ist vielen bekannt, dass Mundhygiene nicht nur den Mund betrifft, denn eine schlechte Mundhygiene kann sich auf den ganzen Körper auswirken.
Wenn bei den Verbrauchern die ersten Zahnprobleme auftreten, ist spätestens dann der Zeitpunkt eines Umdenkens gekommen, um etwas für den Zahnerhalt zu tun. Sicherlich spielt hier auch der Kostenaspekt eine Rolle. Viele wissen, dass Implantate sehr viel Geld kosten und daher sind sie willens, mehr zu investieren, um dies zu umgehen.
Gibt es hier Ergebnisse, mit denen Sie nicht gerechnet haben?
Bei den Studien, die wir mit Menschen mit Beeinträchtigung gemacht haben, ist herausgekommen, dass sie die gleichen Mundpflege Ziele wie alle anderen verfolgen. Sie wollen gesunde Zähne, ein schönes Lächeln, weil dies einfach ein Aushängeschild ist. Wenn Menschen eine sichtbare Beeinträchtigung haben, legen sie teils nochmal mehr Wert auf ihr Äußeres, d.h. dass die Kleidung und die Zähne tipptopp sind; sie möchten nicht aufgrund ihres Makels noch mehr auffallen.
Wir besuchen unsere Konsumenten zu Hause. Mich hat es sehr überrascht, dass Menschen mit Behinderung keinerlei Mundpflegeprodukte haben, die auf deren Bedürfnisse speziell abzielen. Ich habe erwartet, dass sie viel mehr „Selbstgebasteltes“ nutzen, um ein besseres Handling zu erhalten. Sie verwenden die Produkte, die es auf dem Markt gibt, bekommen dabei aber nicht das beste Ergebnis, das sie haben könnten. Sie leben dann damit, dass sie das Produkt nicht so nutzen können, wie es eigentlich vorgesehen ist.
Viele Produkte geben visuelles Feedback, dass von Menschen mit einer visuellen Beeinträchtigung eben nicht oder nicht optimal wahrgenommen werden kann. Das unterstreicht die Notwendigkeit, in diesem Bereich mehr zu tun und Produkte zu designen, die diese Barrieren abbauen. Wir wollen ganzheitlich rangehen. Wir lernen speziell von Menschen mit Beeinträchtigung, um zu schauen, was wir in die Produktentwicklung aufnehmen müssen, um sie genau da abzuholen, wo sie stehen, sodass am Ende das Produkt für alle besser und nutzenbringender wird. Die breite Masse braucht es vielleicht nicht unbedingt, aber es gibt dennoch einen Mehrwert und macht das Erlebnis nochmal besser.
Können Sie bereits über Neuentwicklungen sprechen bzw. in welche Richtung entwickeln sich die Interessen der Kunden?
Zum einen werden wir demnächst die iO2 auf den Markt bringen. Eine elektrische Zahnbürste, die ganz speziell die Bedürfnisse von Handzahnbürstenbenutzern adressiert: sie ist einfach und sanft in der Anwendung und das für einen, wie ich finde erschwinglichen Preis!
Des Weiteren arbeiten wir aktuell an einem speziellen Überzug für elektrische Zahnbürsten, der eine bessere und sicherere Handhabung der Zahnbürste während des Putzens ermöglichen soll. Dies spricht vor allem Ältere und Menschen mit dexterischen Beeinträchtigungen an.
Wir haben Neuentwicklungen, die demnächst auf den Markt kommen, wie die iO2, die ein Gamechanger für Handzahnbürstennutzer sein wird, da wir sie wirklich da abholen, wo sie geradestehen.
Wir testen sehr viel mit unseren Konsumenten zuhause und freuen uns, wenn etwas ganz Neues auf den Markt kommen wird. Auch die älterwerdende Generation möchte keine Abstriche bei ihrer Mundhygiene machen. Hier schauen wir einfach, wen wir wo und mit welchen Produktformen abholen können. Allgemein haben wir ein sehr gutes Level an Mundgrundhygiene und da ist die Frage, was will man on top. Zahnfleischpflege ist etwas, was für viele relevant ist und vermutlich auch noch mehr wird. Gerade in Deutschland ist den Konsumenten bewusst, dass nicht gesundes Zahnfleisch zum Verlust der Zähne führen kann. Wichtig sind auch ein Feedback, ein Coaching und eine Interaktivität. Es gilt, diese Aspekte in die Zahnbürste zu integrieren, sodass der Verbraucher ein Echtzeit-Feedback erhält, ob er richtig und gut putzt. Dieses „Belohnt werden“ liegt in der Natur des Menschen. Die Personalisierung ist ein Trend, den man überall sieht. Wie kann ich diese verbessern und auf die Bedürfnisse direkt zuschneiden? Hier ist noch viel Potenzial und eine spannende Reise in der Produktentwicklung liegt vor uns.
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