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Entspannte Kinderbehandlungen: Einfache Tipps aus der Verhaltensführung und Kinderhypnose

Kinder in der Zahnarztpraxis – Oh, NEIN? Oh, JA!

Der Mund bleibt zu? Muss nicht sein. Kleine, unaufwändige Maßnahmen und adäquate Vorgehensweisen machen die Kinderzahnbehandlung in der allgemeinen zahnmedizinischen Praxis entspannter, effektiver und erfolgreicher. Das folgende Einmaleins der Verhaltensführung in der Kinderzahnheilkunde beinhaltet 10 Empfehlungen zu verschiedenen Techniken, die kombiniert werden können, sowie einen Einblick in die Kinderhypnose. Übergänge von der Verhaltensführung zur Kinderhypnose sind fließend.

Ein lächelndes Kind in einer Zahnarztpraxis. Dr. Schmoeckel/ Dr. Mourad
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Kinder in der Zahnarztpraxis können immens Freude bereiten und Dankbarkeit schenken. Doch leider kann die Behandlung von Kindern auch unbefriedigend sein, etwa wenn die geplante Behandlung abgebrochen werden muss oder diese viel zu viel Zeit beansprucht. Im ungünstigsten Fall wird das Kind dabei traumatisiert. Wahrscheinlich hat schon fast jeder Zahnarzt bzw. jede Zahnärztin solche Situationen erlebt und die Erfahrung gemacht, wie wichtig eine individuelle Planung und Kenntnisse in der kindgerechten Verhaltensführung und der Kommunikation mit dem Kind (und den Eltern) sind.

Jede Zahnarztpraxis hat einen eigenen Fokus; d.h. nicht jeder kann Spezialist für Kinderzahnheilkunde sein oder müsste dies werden. Dennoch werden vermutlich in jeder Zahnarztpraxis mehr oder weniger häufig Kinder behandelt. Solange es sich um einfache zahnärztliche Untersuchungen oder Prophylaxemaßnahmen handelt, ist dies meist auch ohne umfangreiche Spezialkenntnisse gut möglich.

Aufgrund der Präventionserfolge der letzten Jahrzehnte nimmt der Behandlungsbedarf glücklicherweise ab [1,2]. Dennoch zeigen die jüngsten nationalen [3] sowie die aktuellen Zahlen aus regionalen Untersuchungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) in Brandenburg [4] und Thüringen [5], dass der Sanierungsgrad von Karies im Milchgebiss trotz Leistungspositionen in der GKV für ein Land wie Deutschland seit Jahrzehnten noch immer erschreckend niedrig ist. Das deutet stark darauf hin, dass die Zahnbehandlung leider oftmals zur Herausforderung wird, sobald eine invasive Therapie ansteht oder ein Kind bereits eine schlechte Zahnbehandlungserfahrung mitbringt.

In diesem Beitrag werden einige leicht umsetzbare Möglichkeiten aufgezeigt, die Zahnbehandlungen bei Kindern zeitlich effizienter und entspannter gestalten können. Das Spektrum reicht von einfachen Techniken der Verhaltensführung bis hin zur hypnotischen Kommunikation.

1. Tell-Show-Do-Technik (TSD)

Wahrscheinlich nutzen fast alle Behandler diese bekannteste verhaltensführende Maßnahme: die „Tell-Show-Do-Technik“. Sie ist einfach durchzuführen und zugleich sehr wirksam. So funktioniert sie:

  • Tell: Der Behandler erklärt altersgerecht ein Instrument oder eine Prozedur.
  • Show: Der Behandler zeigt dem Kind das Instrument und demonstriert z.B. an einem Finger(nagel), wie dieses genutzt wird oder funktionieren kann (Abb. 1a und b).
  • Do: Durchführung der Prozedur (Abb. 1c).
Die Tell-Show-Do-Technik eignet sich zum Einführen von einer Vielzahl an Instrumenten bzw. Prozeduren. Ein Beispiel: „An welchen Finger darf ich dir zuerst zeigen, wie das mit der Zauberfarbe funktioniert, bevor wir damit deine Zähne anmalen?“ Diese Technik ist einfach, geht schnell und ist somit effizient.Dr. Schmoeckel/ Dr. Mourad
Abb. 1a: Die Tell-Show-Do-Technik eignet sich zum Einführen von einer Vielzahl an Instrumenten bzw. Prozeduren. Ein Beispiel: „An welchen Finger darf ich dir zuerst zeigen, wie das mit der Zauberfarbe funktioniert, bevor wir damit deine Zähne anmalen?“ Diese Technik ist einfach, geht schnell und ist somit effizient.
Ein KinderlächelnDr. Schmoeckel/ Dr. Mourad
Abb. 1b: Die Tell-Show-Do-Technik eignet sich zum Einführen von einer Vielzahl an Instrumenten bzw. Prozeduren. Ein Beispiel: „An welchen Finger darf ich dir zuerst zeigen, wie das mit der Zauberfarbe funktioniert, bevor wir damit deine Zähne anmalen?“ Diese Technik ist einfach, geht schnell und ist somit effizient.
Eingefärbte ZähneDr. Schmoeckel/ Dr. Mourad
Abb. 1c: Die Tell-Show-Do-Technik eignet sich zum Einführen von einer Vielzahl an Instrumenten bzw. Prozeduren. Ein Beispiel: „An welchen Finger darf ich dir zuerst zeigen, wie das mit der Zauberfarbe funktioniert, bevor wir damit deine Zähne anmalen?“ Diese Technik ist einfach, geht schnell und ist somit effizient.

So können beispielsweise die zahnärztlichen Instrumente (Spiegel, Sonde, Pinzette, etc.) vorgestellt werden [6]. Das Kind lernt hierbei über Verständnis und kleine Schritte (als Desensibilisierung). TSD kann auch mit den anderen hier vorgestellten Techniken und Tipps exzellent kombiniert werden.

2. Positive Verstärkung

Bei dieser Technik wird das gewünschte Verhalten bestärkt, was im Grunde eine Konditionierung positiver Assoziationen ist. Dies geschieht beispielsweise durch verbales Loben oder durch die Gabe eines kleinen Geschenks nach einem erfolgreichen Besuch (Abb. 2).

Ein Kind mit einer Spielzeugkiste.Dr. Schmoeckel
Abb. 2: Mit einem kleinen Geschenk im Anschluss an die Behandlung bleibt der Zahnarztbesuch in positiver Erinnerung! Die Kinder freuen sich dann auf den nächsten Termin.

Dieses Lob oder Geschenk sollte jedoch spezifisch mit einer Handlung oder einem Verhalten verknüpft werden. Eine Geschenkekiste, aus der sich Kinder eine kleine Belohnung aussuchen dürfen, ist wahrscheinlich in fast jeder Praxis Standard. Hier ist es ebenfalls wichtig, präzise zu sagen, wofür das Kind diese Belohnung verdient hat. Das Kind verbindet dann den Zahnarztbesuch mit der letzten positiven Sache: dem Aussuchen eines Geschenks. Das gewünschte Verhalten wird dadurch beim nächsten Mal verstärkt und die Chancen auf eine verbesserte Mitarbeit beim nächsten Besuch steigen.

Nach persönlicher Erfahrung scheint eine Auswahl von Tattoos mit kindlichen Motiven sehr geeignet (Abb. 3). Diese sind nicht nur verhältnismäßig kostengünstig, sondern die Zeit des Aufklebens nach erfolgter Behandlung auf die Hand oder den Unterarm kann dann noch für posthypnotische Suggestionen und die Vorbereitung auf den nächsten Behandlungstermin genutzt werden. Dies ist meiner Ansicht nach vor allem bei Kindergartenkindern mit relevantem Behandlungsbedarf (Lokalanästhesie, Extraktion etc.) sehr hilfreich. Der Prozess selbst bedingt Berührung – welche für die Altersgruppe sehr wichtig ist. Das Tattoo haftet dann noch ein paar Tage an der Stelle und bietet für das Kind eine Gedankenstütze, um sich an den positiven Zahnarztbesuch zu erinnern und sich auf den nächsten Besuch zu freuen.

Box mit Kinder-Tattoos.Dr. Schmoeckel
Abb. 3: Box mit Kinder-Tattoos.

3. Scheinalternativen

Kinder wollen gerne wählen und selbst die Entscheidungen treffen. Bei der Technik der Scheinalternativen werden im Gegensatz zu Ja/Nein-Fragen Optionen vorgeschlagen, die alle erwünscht sind. Beispielsweise kann man fragen: „Darf ich mir deine Zähne zuerst oben oder unten anschauen?“ oder „Möchtest du deine Zähne lieber mit der blauen oder der roten Zahnbürste putzen?“ (Abb. 4).

Zwei Zahnbürsten. Dr. Schmoeckel
Abb. 4: Zwei Zahnbürsten in verschiedenen Farben zur Auswahl als Scheinalternative. Bei der Wahl einer Farbe ist zugleich klar, dass dann damit geputzt wird und „ob geputzt wird“ nicht mehr in Frage gestellt wird.

Dies lenkt das Denken der Kinder und begünstigt den Behandlungsfluss. In einer verblindeten randomisiert kontrollierten Studie auf unserer Poliklinik haben wir den Effekt der Auswahl des Fluoridlacks („Welchen Geschmack soll der Fluoridlack haben, den wir am Ende der Behandlung auf deine Zähne auftragen?“) auf die Mitarbeit der Kinder untersucht. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Kooperation ängstlicher Kinder dadurch verbessert wird [7]. Die Entscheidung für einen Geschmack, egal welcher, ist zugleich eine Behandlungseinwilligung. Wenn ein Kind hier eine andere Option wählt als vorgeschlagen, gibt dies bereits einen klaren Hinweis darauf, dass der Zugang zum Kind noch optimiert werden sollte. Außer, wenn das Kind „egal“ sagt. Doch auch dies gibt wichtige Anhaltspunkte bezüglich der vorhandenen Vertrauensebene und auf die Kooperationsfähigkeit für invasivere zahnärztliche Maßnahmen.

4. „Pausen-Hand“

Mittels der „Pausen-Hand“ können Kinder durch das Heben oder Senken des Armes ebenfalls (mit)entscheiden, wann es eine Pause gibt. Dies sollte vorab einmal gezeigt und trainiert werden (vgl. TSD). Dadurch fühlen die Kinder sich wahrgenommen und denken, sie können die Behandlung kontrollieren (Locus of Control). Dabei ist es essenziell, auf die Armbewegung des Kindes zu reagieren, sonst verliert das Kind das Vertrauen in die Behandlerin bzw. den Behandler. Dies kann auch mit einem Zauberstab verstärkt werden (Abb. 5). Auch für die Erwachsenenzahnheilkunde kann die Vereinbarung eines Pausenzeichens eine einfache und effektive Maßnahme zur Verschiebung des Locus of Control sein [8]. Angst bei Erwachsenen liegt mitunter auch an Erfahrungen des Kontrollverlustes in der Kindheit [9] oder der Unvorhersehbarkeit der Behandlung [10].

Ein Behandlungsraum, in dem ein Kind behandelt wird.Dr. Schmoeckel
Abb. 5: Kinderzahnheilkunde kann große Freude bereiten. Ein Zauberstab kann die Technik der Pausenhand unterstützen und suggeriert dem Kind damit eine gewisse Kontrolle über die Behandlung, z.B. durch das „Herbeizaubern“ einer kleinen Pause.

5. Strukturierte Zeit

Die Technik der strukturierten Zeit hilft den Fokus des Kindes auf das Zählen (gerne ruhig, monoton und langsam) zu verschieben und zugleich eine definierte „Dauer“ der Behandlung anzugeben. Es bietet sich an z.B. bis zum Alter oder der Klassenstufe des Kindes zu zählen und dies vorab zu vereinbaren.
Hier ein Beispieldialog dazu:
Behandler: „Wie alt bist du?“
Kind: „4!“ (Abb. 6)
Behandler: „4, toll! Bis wieviel darf ich dann zählen, bis es eine Pause gibt?“
Wahrscheinliche Antwort des Kindes durch den Anchoring-Effekt [11]: „4“.

Eine Kinderhand und auf dessen Schoß ein Schildkrötenkuscheltier.Dr. Schmoeckel
Abb. 6: Kindergartenkinder reagieren auf die Frage „Wie alt bist du?“ oftmals, indem sie mit der Hand bzw. den Fingern zeigen, wie alt sie sind; wie hier: Das Kind ist 4 Jahre alt. Diese Reaktion sollte verbal und nonverbal durch den Behandler gespiegelt werden, dann erhält er auf einfache Art und Weise ein Yes-Set. Zudem bringen Kinder oftmals ihr Lieblingskuscheltier mit – dies kann bei Bedarf auch in die TSD-Technik mit eingebunden werden; Stichwort „Teddybärklinik“.

Durch solch einen einfachen, kurzen Dialog hat man das Kind „nebenbei“ dazu gebracht, eine Einwilligung für die weiteren (Behandlungs)Schritte zu geben. Bei Erreichen der vereinbarten Zahl erfolgt dann stets eine sehr kurze rhythmische „Pause“, um anschließend erneut (bis 4) zu zählen. Diese Technik ist eng verknüpft mit hypnotischen Techniken und der bereits oben vorgestellten Technik zum Verschieben des Locus of Control.

Das Zählen ist außerdem ein Element der Hypnose sowohl bei der Tranceinduktion als auch dem „Erwachen“. Dies ist vielen Erwachsenen bereits bekannt, da es z.B. auch beim Anschauen von Kurzvideos von Show-Hypnose im Erfahrungsschatz verankert ist.

Insgesamt ist zu sagen, dass die Übergänge von der Verhaltensführung zur Kinderhypnose nicht scharf getrennt sind. Wahrscheinlich hatten schon fast jede Behandlerin und jeder Behandler ein Kind auf dem Behandlungsstuhl, das sich in Trance befand (vielleicht ohne es zu bemerken). Ein relativ weit verbreitetes Zeichen für eine Trance ist die sogenannte Armkatalepsie (Abb. 7a). Diese entsteht bei einer stabilen Trance und zeigt für Behandler und Eltern diese recht offensichtlich an. Als Option zur Erzeugung der Armkatalepsie kann auch eine „Zaubermöwe“ Anwendung finden (Abb. 7b). Diese ist so konzipiert, dass sie den Schwerpunkt auf dem Schnabel hat und das Kind diese somit leicht auf dem Finger balancieren kann.

Eine Kinderhand.Dr. Schmoeckel
Abb. 7a: Die „kataleptische Hand“ ist ein häufiges Zeichen von Trance, welches hier das Kind aufweist, während die Mutter die Kinderzähne nachputzt und es selbst fernsehen darf.
Eine Kinderhand auf der er ein Spielzeug balanciert.Dr. Schmoeckel
Abb. 7b: Die Zaubermöwe bewirkt geradezu, dass das Kind den Arm gut in der Position hält und sich darauf konzentriert, die Möwe zu balancieren. Der Fokus wird damit zugleich von der Behandlung auf etwas anderes gelenkt.

6. Die Wahrheit sagen und dennoch positiv formulieren (Reframing)

Vermutlich haben Sie schon einmal erlebt, dass einem Kind, das ängstlich ist und sich nicht auf den Behandlungsstuhl setzen möchte, in guter Absicht gesagt wurde: „Heute machen wir gar nichts.“ Doch was ist mit GAR NICHTS gemeint? Keine invasive Therapie? Keine Untersuchung? Keine Prophylaxe? Eigentlich würde dies ehrlich und inhaltsgetreu bedeuten, dass das Kind nach dem Gespräch gleich wieder nach Hause geschickt werden müsste. Doch zielführend wäre das sicherlich auch nicht. Potenzielle Unwahrheiten, wie „es wird überhaupt nicht wehtun“ oder „du braucht davor keine Angst zu haben“, sollten geschickt präzise und ins Positive umformuliert werden. „Für heute haben wir wie letztes Mal besprochen Folgendes geplant: …“, „Ich erkläre und zeige dir gerne, wenn du willst, alle Instrumente und Behandlungsschritte.“ (gefolgt von TSD)

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Häufig fragen Kinder z.B., ob die Spritze weh tue oder das Zahnziehen schmerzhaft sei. Antworten kann man dann bspw.: „Die meisten Kinder sagen mir, dass sich die Schlaftropfen „blau“ (oder zuvor erfragte Lieblingsfarbe des Kindes) anfühlen.“ (Hypnosetechnik durch Verwirrung der Sinne; hier: eine Farbe zu fühlen.) „Wenn der Zahn zur Zahnfee gezaubert wird, ist das möglicherweise nicht das Schönste von der Welt, doch das haben schon sehr viele Kinder sehr gut bei uns geschafft und waren dann stolz auf sich.“ (Dies ist eine allgemein beschreibende richtige Aussage, die das Kind dann auf sich beziehen kann).

Man sollte stets die Wahrheit sagen, denn die Kinder sind vielleicht „klein“, aber nicht „dumm“. Daher sollte das gesamte Praxisteam wirklich achtsam bei den eigenen Formulierungen sein. Selbiges gilt natürlich auch für die Eltern, die ihre Kinder i.d.R. in guter Absicht auf den Zahnarztbesuch „vorbereiten“ wollen, aber mitunter genau das Gegenteil bewirken. Insbesondere bei jüngeren Kindern kann die Angst vor zahnärztlichen Behandlungen durch bedeutsame Bezugspersonen (Eltern) gefördert werden, etwa durch die Weitergabe negativer Informationen oder durch beobachtbares angstbesetztes Verhalten in Bezug auf den Zahnarztbesuch [12].

7. Auf die kleinen Wörter achten

Prüfen Sie selbst den Unterschied:
„Heute schauen wir uns ERST EINMAL deine Zähne an!“ vs. „Heute schauen wir uns NUR deine Zähne an!“
Alleine das kann schon den Unterschied machen, ob eine Behandlung stattfindet und erfolgreich ist, zumindest Teilschritte geschafft werden oder gar keine Behandlung stattfindet.
Ein weiteres Beispiel, das mit dem Aspekt der strukturierten Zeit verknüpft ist:
„Ich zähle bis 5 und dann gibt es eine PAUSE!“ vs. „Ich zähle noch bis 5 und dann bin ich FERTIG“. Die erste Formulierung ermöglicht noch eine Weiterbehandlung, die zweite im eigentlichen Sinn nicht.

8. Bildhafte und altersgerechte Sprache

Kinder mögen in der Regel Bilder und Metaphern. Daher eignet sich eine bildhafte Sprache gut und kann den Kindern helfen, in eine Fantasiewelt einzutauchen – am besten mit von dem Kind vorher erfragten, positiv besetzten Dingen (Lieblingsfarbe, Lieblingstier, Lieblingsspiel etc.). Dies funktioniert besonders gut, wenn Aspekte der zahnärztlichen Behandlung in die Geschichte oder Traumreise mit eingebaut werden. So liegt es bei der Versorgung mit einer Stahlkronen nahe, die Figuren Ritter, Piraten, Superhelden oder Prinzessinnen einzubeziehen (Abb. 8). Wörter wie rauswackeln/umarmen (extrahieren), Sonne (OP-Lampe), Wind (Luftpüster), Dusche (Winkelstück mit Wasser), Glitzerzauberstab (Diamantschleifer), Fußball (Rosenbohrer), Backform (Matrize), Ritterrüstung (Stahlkrone), Schlafwasser (Lokalanästhesie) beschreiben bildhaft und kindgerecht die entsprechenden Aspekte. Jedes Praxisteam sollte sich ein solches, möglichst einheitliches Grundvokabular zulegen.

Verschiedene Zahnmodelle.Dr. Schmoeckel
Abb. 8: Aus unserer Schatztruhe wählen wir je nach Vorlieben des Kindes den passenden „Ritterzahn“, „Piratenzahn“, „Prinzessinnenzahn“ oder „Superheldenzahn“ und bauen dies in die Fantasiegeschichte mit ein.

9. Modelllernen (kognitivistische Lerntheorie von Albert Bandura)

Das Lernen am Modell ist eine sehr wichtige Lernmethode für Kinder [13]. Kinder imitieren (oft unbewusst) ihre Vorbilder wie ihre Eltern oder auch ihre (älteren) Geschwister. Dies gilt im Positiven (Abb. 9) wie auch im Negativen, etwa hinsichtlich der Übertragung von Zahnarztangst der Eltern auf die Kinder. Das Modelllernen kann auch in der Zahnarztpraxis genutzt werden. Kleinkinder können zuschauen oder sogar mitwirken, wenn ihre älteren Geschwister sich die Zähne untersuchen lassen oder zuschauen, wie die Prophylaxesitzung abläuft (Abb. 7). Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass die Vorbilder nützliche Vorbilder sind, die sich selbst beim Zahnarzt wohlfühlen und adäquat verhalten.

Ein Kind wird behandelt.Dr. Schmoeckel
Abb. 9: Die jüngere, etwas ängstliche Schwester (erster Zahnarztbesuch bei uns, nach vorher nicht ganz einfachen Besuchen alio loco) begleitet ihren älteren Bruder und darf sich erst „verkleiden“ und dann mithelfen. Im Anschluss war der Erstbesuch mit Untersuchung und Prophylaxe sehr gut möglich. Glücklicherweise konnten wir hier eine exzellente Basis für ein Vertrauensverhältnis legen, da einige Jahre später aufgrund von schwerer Form der MIH einige invasive zahnärztliche Eingriffe nötig waren.

Dies gilt auch für die Begleitperson in der Praxis. Ein begleitendes Elternteil, das selbst Zahnarztangst zeigt, ist nicht so gut geeignet. Dann sollte nach anderen Optionen geschaut werden, wie z.B. Opa oder Oma, oder das Kind kommt ohne Begleitung ins Behandlungszimmer und die Begleitperson darf im Wartezimmer in Ruhe weiterlesen.

10. Ablenkung & VAKOG – und der Übergang zur Hypnose

Die Technik der Ablenkung hat das Ziel die Aufmerksamkeit (Gedanken oder die 5 Sinne – VAKOG) der Patientin oder des Patienten während einer (invasiven Maßnahme) zu binden oder zu zerstreuen, so dass er sich nicht darauf konzentrieren kann. Dies kann über verschiedene Optionen umgesetzt werden: eine Geschichte erzählen (Möglichkeit der verbalen Hypnoseinduktion), einen Film schauen, Musik hören (sehr einfach über Bluetooth-Kopfhörer und Smartphone), etwas tasten, an ein schönes Erlebnis denken (Aktivierung einer positiven Erfahrung – Hypnose), in seinen Körper hineinfühlen (vgl. autogenes Training). Auch hier sind die Übergänge fließend, und diese Techniken werden auch häufig in der hypnotischen Kommunikation mit angewendet.

VAKOG steht als Akronym für unsere 5 Aufnahmekanäle bzw. für Aufnahmetypen von Informationen und bezeichnet ein Modell aus dem neurolinguistischen Programmieren (NLP):

  • Visuell (Sehen)
  • Auditiv (Hören)
  • Kinästhetisch (Tasten/Fühlen)
  • Olfaktorisch (Riechen)
  • Gustatorisch (Schmecken)

Kinderhypnose: Verschiedene Möglichkeiten der Induzierung einer Trance

Die wahrscheinlich einfachste Art ein Vorschulkind, aber auch Grundschulkinder in Trance zu versetzen, ist über Filme. Daher haben viele Kinderzahnarztpraxen an der Decke über dem Behandlungsstuhl einen Fernseher (Abb. 10) oder auch tranceinduzierende Bilder (Suchbilder). So fokussieren sich die Kinder schnell darauf und tauchen ohne viel weiteres Zutun in den Film ein. Die Kinder sind dadurch abgelenkt oder in „Fernsehtrance“ und die Zahnbehandlung kann leichter erfolgen.

Ein Behandlungsraum.Dr. Schmoeckel
Abb. 10: Die „Trancemaschine“ (TV an der Decke) oder ein spezielles kindgerechtes Ambiente wie hier das Weltraumzimmer unterstützen das Setting und sollten in die Geschichten mit eingebaut werde. Bei der Lachgassedierung in Kombination mit Hypnose können Kinder Astronaut oder Pilot sein und ein fantastisches Abenteuer erleben

Die Deutsche Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose e.V. (DGZH) beschreibt Hypnose als einen Weg bzw. ein Mittel, auf dem ein anderer Bewusstseinszustand herbeigeführt werden kann (Begrifflichkeiten aus der Hypnose s. Tab. 1).

HypnoseVorgang, um vom Wachzustand in den Trancezustand zu gelangen. Der Begriff „Hypnose“ kann sich auch auf eine Kunst, eine Fähigkeit oder einen Akt beziehen
TranceZustand fokussierter Wahrnehmung und intensiven Erlebens, möglichst ein Zustand tiefer
körperlicher Entspannung
InduktionEinleitung der Hypnose durch eine bestimmte Induktionstechnik; z.B. Fixationstechnik; Turboinduktion, Doppelinduktion, über die Atmung
RapportKontakt und Vertrauen gewinnen, harmonische/positive Beziehung, die auf empathischer Aufmerksamkeit füreinander basiert
LeadingIm guten Kontakt und Gleichschritt (unauffällig) die Führung übernehmen, z.B. vorschlagen,
sich auf bestimmte Aspekte zu konzentrieren (Wahrnehmung zu modifizieren), etwas
besonders auszuführen oder sich zu entspannen
SuggestionVorschlag/Angebot während der Hypnose
SeedingHierbei wird eine Information zur Vorbereitung der zahnärztlichen Hypnose „gesät“, d.h., es
werden bereits „vor der Hypnose“ erste Suggestionen eingebettet.
Posthypnotische SuggestionVorschlag/Angebot, der/das nach der Hypnose noch wirkt

Diese so induzierte Trance (leichte, mittlere, tiefe Trance) ist auch abhängig von der Patientin bzw. dem Patienten selbst, seinem Vertrauen zum Behandler und auch den persönlichen Vorerfahrungen. Patienten erleben die Zahnbehandlung unter Hypnose entspannt und positiv, was auch für eine gute und langfristige wertschätzende Patienten-Arzt-Beziehung hilfreich ist.

Bei der Hypnose und Tranceeinleitung gibt es viele verschiedene Induktionstechniken. Diese können informellen, aber auch formellen Charakter haben. Formale Induktionstechniken (z.B. Fixationstechnik) sind eher für Jugendliche und Erwachsene geeignet und ermöglichen meist noch tiefere und länger dauernde Trancezustände [15]. Zudem spielt insbesondere bei kleineren Kindern die nonverbale Tranceführung über Berührung beispielsweise an Kopf (Abb. 9), Schulter oder Bauch eine wichtige Rolle, worüber auch das Atempacing erfolgen kann. Körperkontakt ist v.a. bei Kindern mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit wie kleinen Kindern, aber auch bei Patienten mit geistigen Behinderungen besonders wichtig (Abb. 11).

Ein Kleinkind wird behandelt.Dr. Schmoeckel
Abb. 11: Nonverbale Kommunikation und Berührung spielen insbesondere bei kleinen Kindern eine wichtige Rolle. Hier gezeigt über die Knee-to-Knee-Position, die relativ einfach und schnell eine Untersuchungsoption für Kleinkinder bietet.

Kinder gelten als „Trance-Experten“, denn sie gehen in ihrem Alltag z.B. beim Spielen ständig in Trance, aber auch schneller wieder hinaus. Diese Fähigkeit sollte man bei der Tranceeinleitung nutzen. In die Fantasiegeschichten bei der Behandlung sollten beispielsweise Lieblingstiere und -farben sowie Fantasie anregende Metaphern einfließen und diese mit den zeitgleich passierenden Zahnbehandlungenschritten in der Geschichte verknüpft werden (verbale Induktionstechniken): Erlebnisdusche – Wasser; Windböe – Luftpusten; sanftes Kissen für den Zahn – Watterolle, Geräusche – Auto/Flugzeug/Raumschiff usw. Kinderbehandlungen können dann sehr leicht für alle Beteiligten viel Freude bereiten – oftmals sind es die kleinen Wörter und Dinge, aber auch ein paar einstudierte Sätze, die große Auswirkungen haben.

Daher finden Sie hier einige Formulierungen, die in der Hypnosesprache bei Klein und Groß hilfreich sein können:

  • Und während du … (Pacing der Situation), kannst du vielleicht schon … (Leading)
  • Es muss auch nicht so sein, dass … (es sich blau anfühlt!, siehe oben unter 6. Reframing, Abschnitt zur Spritze)
  • Auf der unbewussten Ebene erkennst du vielleicht schon, wie nützlich … (Leading)
  • Viele erinnern sich gerne daran, wie sie … (vorher erfragtes schönes Erlebnis reaktivieren)
  • Vielleicht hast du noch nie darauf geachtet, wie es sich anfühlt, wenn …
  • Und während du meine Stimme hörst (Pacing), kannst du deine Augen schließen (bei Augenschließen Rapport) und an eine Zeit und an einen Ort denken, wo du dich richtig wohl fühlst (Leading).
  • Es ist durchaus möglich, dass du nach einem tiefen Atemzug bemerkst, wie du deinen Wohlfühlort viel schneller und leichter erreichen kannst.
  • Es ist gut zu wissen, dass du jetzt loslassen kannst, damit sich diese wunderbare Entspannung in deine Arme und Beine ausbreiten kann.
  • Du kannst jedes Ereignis in deinem Leben als positive Lernerfahrung betrachten und daraus Nutzen ziehen, (Pause) … wenn du dazu bereit bist.
  • Vielleicht siehst du schon vor deinem inneren Auge (oder wirst noch sehen), wie …

Hoffentlich findet der ein oder andere Impuls bei Ihnen in der Praxis Verwendung und führt zu entspannteren und fröhlicheren Zahnbehandlungen für die Kinder, die Eltern und das zahnärztliche Team.

Zu guter Letzt, und so schließt sich der Kreis innerhalb dieses Beitrags: Alles beginnt beim ersten Kontakt. Oftmals ist es das Telefongespräch – die Stimme und die Worte, der erste Blick, die Begrüßung oder der erste Eindruck an der Rezeption (auf Augenhöhe des Kindes). Hier können mit einem Lächeln und vielen leichten Mitteln (Stichwort: Locus of Control, Rapport, Pacing) die Grundsteine für eine spätere erfolgreiche Behandlung gelegt werden. Dies liegt nicht nur in der Hand der Behandler, sondern im Wesentlichen am gesamten Team in der Zahnarztpraxis, was entsprechend geschult und trainiert werden sollte. Dann können auch laut Überweisungsschein vermeintlich unkooperative Kinder sehr wohl fröhlich und effizient beim Zahnarzt im Wachzustand behandelt werden.

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