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Potenzial der Kohärenztomografie zur Früherkennung approximaler Kariesläsionen

Die am häufigsten verwendeten diagnostischen Verfahren zur Kariesdiagnostik an approximalen Zahnflächen sind die visuell-taktile Untersuchung und die digitale Radiografie. Im klinischen Alltag weisen allerdings beide Verfahren Limitationen auf. Hier kann die optische Kohärenztomografie eine geeignete Alternative darstellen.

die Autoren
Abb. 1: Anwendung der Intraoral-OCT-Sonde an einer Patientin.
Abb. 1: Anwendung der Intraoral-OCT-Sonde an einer Patientin.
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Approximalkaries ist auch in Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Kariesrisiko von hoher Relevanz [1]. Prospektive Untersuchungen konnten zeigen, dass die Prävalenz von Approximalkaries mit Ausdehnung bis ins Dentin zwischen 12 bzw. 15 und 21 Jahren stark zunimmt [2]. Im klinischen Alltag gibt es aktuell eine Vielzahl therapeutischer Möglichkeiten zur Behandlung initialer kariöser Läsionen:

1. nichtinvasiv (Biofilmmanagement, Ernährungsumstellung, Fluoridierung),
2. mikroinvasiv (Infiltration, Versiegelung) und
3. (minimal)invasiv (Kariesentfernung und Restauration mit Komposit) [3].

Voraussetzung für eine Therapieentscheidung ist eine eindeutige Diagnostik, die einerseits demineralisierten Schmelz valide detektiert und eine Verlaufskontrolle von Läsionen mit hoher Ortsauflösung ermöglicht [4]. Die am häufigsten verwendeten diagnostischen Verfahren zur Kariesdiagnostik an approximalen Zahnflächen sind die visuell-taktile Untersuchung und die digitale Radiografie. Im klinischen Alltag weisen allerdings beide Verfahren Limitationen auf [5–7]. Zum einen ist die Reliabilität der visuell-taktilen Untersuchung bei der Detektion approximaler kariöser Läsionen niedrig [8], zum anderen ist die Sensitivität sowohl für die visuelle (0,25–0,35) als auch die radiologische (0,24–0,61) Untersuchung gering [9–12]. Eine Kombination aus visuell-taktiler Untersuchung und Bissflügel-Aufnahme kann zwar die Sensitivität auf bis zu 0,79 erhöhen [13,14], eine weitere Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit und eine Reduktion der Exposition ionisierender Strahlung sind jedoch wünschenswert.

Die optische Kohärenztomografie (OCT) ist ein innovatives, nichtinvasives bildgebendes Verfahren, welches mit einer hohen örtlichen Auflösung im Mikrometerbereich und mit hoher Sensitivität die Zahnhartsubstanzen und inhärente Strukturen in Schnittbildern (2D) oder dreidimensional darstellen kann [15–19]. In der Augenheilkunde hat dieses bildgebende Verfahren die Diagnostik in den letzten 20 Jahren revolutioniert [20]: Es wurde 2016 durch die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) zugelassen und ist mittlerweile in Deutschland seit 2020 als Kassenleistung bei der Diagnose und Kontrolle von Netzhauterkrankungen etabliert.

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In der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie des Universitätsklinikums Leipzig verwenden wir den Prototyp einer Intraoral-OCT-Sonde (SD-OCT, Telesto-ll SP 2, Thorlabs GmbH, Universität Leipzig/Medizinisches Laserzentrum Lübeck GmbH/orangedental GmbH & Co. KG, Biberach). Bei einer Wellenlänge von 1550 nm werden alle Flächen der Zähne bis zum dritten Molaren chairside abgebildet und gesunde, krankhaft veränderte und therapierte Oberflächen beurteilt [21] (Abb. 1). Mit Eindringtiefen von bis zu 3,5 mm ist es möglich, auch die approximalen Flächen von okklusal bildgebend darzustellen. Zur Beurteilung der diagnostischen Genauigkeit der OCT im Vergleich zu den zwei etabliertesten Methoden (visuell-taktile Untersuchung und digitale Radiografie) wurden approximale Flächen in vitro basierend auf Bissflügel-Aufnahmen (Heliodent DS Dental, Dentsply Sirona GmbH) und OCT-Schnittbildern untersucht und bewertet (Abb. 2). Dabei zeigte die OCT-Untersuchung eine höhere Sensitivität (0,27–0,91) als die Radiografie (0,16–0,82), während die Spezifität vergleichbar war (OCT 0,25–1, Radiografie 0,33–1) [22,23]. Die Reproduzierbarkeit der Daten und entsprechenden Diagnosen war mit der Intraoral-OCT-Sonde höher als mit digitaler Radiografie.

die Autoren
Abb. 2: Zahn 16 mesial in der Zahnreihe. a: Visuell-taktil wurde eine Läsion mit dem ICDAS-ll-Code 2 detektiert. b: Radiologisch ist keine Läsion zu erkennen. c: Röntgenmikrotomografisch erscheint die Läsion auf die äußere Schmelzhälfte begrenzt. d: Mit dem Lichtmikroskop ist die Läsion auch in der inneren Schmelzhälfte erkennbar. e–g: In seriellen OCT-Schnittbildern (B-Scans) ist die Läsion bis zur Schmelz-Dentin-Grenze darstellbar. Die Ausdehnung der Läsion lässt sich durch die seriellen OCT-Schnittbilder ausgehend von der Zahnoberfläche bis in die Tiefe der Läsion nachvollziehen. S: Schmelz, D: Dentin, SDG: Schmelz-Dentin-Grenze, L: Läsion.

Im Rahmen klinischer Studien erfolgt derzeit eine vergleichende diagnostische Beurteilung approximaler Zahnflächen: visuell-taktil, Bissflügel-Röntgenaufnahmen, Intraoral-OCT sowie Nahinfrarot-Transillumination (NIRT, DiagnoCam, KaVo). Auch hier weisen erste Ergebnisse auf die höhere Sensitivität der OCT im Vergleich zu Radiografie und NIRT hin. Die Untersuchungen machen deutlich, dass neben der frühen Darstellung von Demineralisationen (white spots) die OCT zusätzlich auch Informationen zur Morphologie der Läsionen (z.B. Ausdehnung, Abb. 3) liefern kann.

die Autoren
Abb. 3: Zahn 14 distal mit einer Läsion gemäß ICDAS-ll-Code 2 und Zahn 15 mesial mit einer Läsion vom ICDAS-ll-Code 4. a: 21-jährige Patientin, allgemeinanamnestisch unauffällig. b: In der Bissflügel-Aufnahme sind die approximalen Flächen projektionsbedingt nicht beurteilbar. c: Mit Nahinfrarot-Transillumination erscheint die Läsion am 14 distal auf die äußere Schmelzhälfte begrenzt und die Läsion am 15 mesial bis zur Schmelz-Dentin-Grenze ausgedehnt. In den OCT-B-Scans tangieren beide Läsionen die Schmelz-Dentin-Grenze (d und e; scharfe Begrenzung der Signale) bzw. reichen bis in das Dentin (f und g). S: Schmelz, D: Dentin, SDG: Schmelz-Dentin-Grenze, L: Läsion.

Um der Gefahr der Überinterpretation und Überversorgung infolge der hohen Sensitivität der Methode zu begegnen, ist es notwendig, das zahnärztliche Personal für die Interpretation von OCT-Aufnahmen zu kalibrieren und die Schwellenwerte für therapeutische Maßnahmen zu adaptieren. Die betroffenen Personen sollen und können intensiv über ihre Befunde aufgeklärt werden.

Fazit

Die optische Kohärenztomografie besitzt aufgrund der hohen Sensitivität mit gleichzeitig hoher Spezifität bei der Detektion von demineralisiertem Schmelz großes Potenzial zur Diagnostik und Früherkennung approximaler kariöser Läsionen. Durch die hohen Abbildungsgeschwindigkeiten ist es möglich, die Intraoral-OCT-Sonde chairside anzuwenden, so dass die OCT-Aufnahmen direkt in die Kommunikation zwischen behandelnder und behandelter Person eingebunden werden können. Aufgrund der hohen Ortsauflösung der Läsionsausdehnung besteht die Möglichkeit einer engmaschigen nichtinvasiven Verlaufskontrolle kariöser Läsionen. Es handelt sich um ein bildgebendes Verfahren, das auf nichtionisierender Strahlung basiert und somit für die betroffenen und die behandelnden Personen risikoarm ist.

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