Wir leben sozusagen in einer doppelten Revolution: die Digitalisierung und die Nachhaltigkeit. Was bedeutet das für die Zahntechnik? Es bedeutet, dass wir uns verstärkt Gedanken über unsere Materialauswahl machen sollten.
Nicht nur zum Patientenwohl, sondern auch zu unserem eigenen in der Zahntechnik und der Umwelt. Mittlerweile ist die Digitalisierung in unseren Laboren nicht mehr wegzudenken. Man gilt schon als bedauernswert exotisch, wenn man keinen Scanner, keine eigene Fräseinheit oder keinen 3D-Drucker im Labor stehen hat.
Allerdings muss man auch unterscheiden, wann es Sinn ergibt, noch analog oder schon digital vorzugehen. So bin ich in Bezug auf die Totalprothese vom Mehrwert der digitalen Fertigungsweise überzeugt. Die Modellanalyse nehme ich allerdings noch analog vor, da es sich für mich als wesentlich effektiver erwiesen hat. Die analogen Anzeichnungen erleichtern sogar die virtuelle Modellanalyse in der Design-Software.
M. von Keutz
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Analoge Vorbereitungen
Es ist hilfreich, vor Beginn des Designs einen Fotostatus zu erstellen. Anhand der Gesichtsfotos kann man viele Informationen für die spätere Zahnauswahl gewinnen, z.B. für die Größe der OK-Frontzähne. Hier ist die Gesichtsform ein wesentlicher Hinweis für die Form der ersten Schneidezähne.
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Sie gibt Hinweise auf die Länge der ersten Schneidezähne und die dazugehörige Breite. Nach diesem Prinzip sind auch viele der Konfektionszähne hergestellt, denn die Größenverhältnisse entsprechen dem goldenen Schnitt (Abb. 5 und 6). M. von Keutz
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Die errechneten Tabellenwerte sind natürlich nur grobe Richtwerte zur Frontzahnauswahl. Die Feinabstimmung muss dann am Patienten bzw. an der Patientin erfolgen. Darüber hinaus gilt es zu beachten, ob es sich eher um markante oder weiche Schneidekantenverläufe handelt.
Auch im 3Shape Control Panel findet man Zahnbibliotheken mit ihren Längen und Breiten. Die Werte sind hilfreich, um später im virtuellen Design die Größe der Zähne individuell zu gestalten.
Eine passende Zahnform, Zahngröße und Zahnstellung sind entscheidend für das äußere Erscheinungsbild und die Akzeptanz der neuen Prothese. Es lohnt sich deshalb in jedem Fall, sich im Vorfeld darüber Gedanken zu machen.
Digitale Vorbereitungen – Fotostatus
Oft wird parallel zum Dental Designer auch die Software Dental Desktop bzw. 3Shape Unite genutzt. Einer meiner persönlichen Favoriten ist hier die „Smile Design“-Anwendung. Man benötigt lediglich ein Patientenfoto, auf dem mit offenem Mund gelacht wird.
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Dadurch entsteht schon zu Beginn der Arbeit eine hohe Identifikation mit den neuen Zähnen. Die „Vorher-nachher-Bilder“ lassen sich später in die Konstruktionssoftware für das virtuelle Design importieren.
Digitale Vorbereitungen – Kieferrelationsbestimmung
Die Stützstiftplatten bzw. Stützstiftregistrate dienen der Festlegung der zentrischen Kondylenposition und der Zuordnung des UKs zum OK. Die Stützstiftplatten verlaufen auf Höhe der Okklusionsebene. In der Regel wird in der OK-Platte ein vertikal befestigter Stützstift und im UK eine Schreibplatte angebracht.
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Man benötigt lediglich anatomische Abformungen der Kiefer sowie eine Vorbissnahme und die Artikulation. In der 3Shape-Software gibt es für diesen Workflow eine extra Applikation, die „3D Bite Plate“- Platten. Sie sind die digitale Umsetzung des analogen Gnathometer M des BPS-Totalprothetik-Systems.
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Nach etwa 20-minütigem Design erhält man einen stl-Datensatz, der sowohl gefräst als auch gedruckt werden kann. Die Aufnahme für den Stützstift, für die Schreibplatte sowie für die Distanzplatten zur Abformung sind als dcm-Datensatz zum virtuellen Gebrauch einblendbar und werden aus den erzeugten Bisswällen automatisch herausgerechnet. Die Platte mit dem Stützstift befindet sich im OK, da am dorsalen Ende eine Aufnahme für den 3Shape-Scanhalter befestigt ist.
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Eine Alternative zu den konventionell gefertigten Bissregistraten sind die virtuell gestalteten Bissnahmen ohne Stützstiftregistrat. Man kann sie sowohl mit als auch ohne integrierten individuellen Löffel fertigen. Handelt es sich um einen 28er kann man auch hierfür die 3D-Bite-Plate-Anwendung nutzen.
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Digitale Konstruktion: Die Einprobeprothese als Ersatz für die Wachseinprobe
Es ergibt durchaus Sinn, digital aufgestellte Prothesen zuerst als Einprobekörper zu fertigen, zumal die Einprobeprothesen auch kostengünstig gedruckt werden können. Hierbei lassen sich wichtige Kriterien überprüfen, wie z.B. Mittellinie, Lachlinie, Lippenschlusslinie, Lippenrot, Phonetik (S-Laute), Kauebene auf Höhe des Zungenäquators, Bipupillarlinie sowie Form, Größe und Stellung der ausgewählten Zahnformen und Saugfähigkeit der Prothesenbasis.
Natürlich spielt auch der Preis für die Fertigung eine Rolle, denn Bicolor Discs oder auch rosa- und zahnfarbige Discs sind teurer in der Anschaffung als weniger ästhetische Lösungen (Abb. 17 und 18). Sollten Veränderungen bei der Anprobe durchgeführt werden, so können die Behandler/-innen entweder die Zähne passend einschleifen oder die Prothesenbasis für eine neue Abformung als individuelle Löffel mit den Zähnen als Biss nutzen. Das Umstellen der Zähne ist bei dieser Variante allerdings nicht möglich, daher empfehle ich analog der Wachsaufstellung vorzugehen und die Basis zunächst aus einem stabilen rosa Wachs und die Zähne aus PMMA zu fräsen oder zu drucken: Anders als die Prämolaren und Molaren sollten die Frontzähne einzeln gedruckt werden, da diese am häufigsten umgestellt werden. Die Seitenzähne lassen sich bei Bedarf en bloc verschieben. M. von Keutz
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Gerade bei der S- und F-Laut-Überprüfung während einer Phonetikanprobe müssen die Frontzähne auf der Basis noch verstellbar sein. Sollte man neu abformen, hält das Material auch einer Unterfütterung stand. Zudem kann Wachs an der Basis und auf den Zähnen auf- und abgetragen werden, um z.B. die Lippenfülle und den Ventilrand zu korrigieren.
Natürlich lassen sich für die Einprobe auch Konfektionszähne analog und digital auf der gefrästen Basis (Wachs oder PMMA) aufstellen. Hier muss man allerdings abwägen, ob das Aufschleifen einer analogen Zahngarnitur für eine Einprobe sinnvoll ist.
Sollte umgestellt werden, kann die veränderte Aufstellung eingescannt und ins virtuelle Design übernommen werden. Um die angebrochene Zahngarnitur mit den Konfektionszähnen für die definitive Prothese weiter zu nutzen, bietet sich das virtuelle Designen im sog. „Digital Denture Professional“ an, bei dem man in der Software mit den als stl-Daten hinterlegten Konfektionszähnen konstruiert.
Dieser Workflow erfordert allerdings 3 Frässchritte: 1. Fräsen der Basis von okklusal (fein) mit Zahnfächern für die Zahnhälse der Konfektionszähne (basal nur „geschrubbt“); 2. Fräsen bzw. Drucken des Positionierungsschlüssels; 3. Finale Fräsung mit den einpolymerisierten Zähnen. Die Konfektionszähne der Zahngarnitur werden unter Zuhilfenahme des mit im Prothesendatensatz erzeugten Positionierungsschlüssels in die Prothesenbasis eingeklebt. Anschließend wird in der Fräsmaschine der basale Anteil der Prothese, inkl. Zahnhälse der Konfektionszähne, fein gefräst.
Allerdings hat diese Fertigungsweise Nachteile: 1. Die Zähne können digital von okklusal nicht eingeschliffen werden. 2. Man muss exakt die richtige Zahnform und Zahngröße für den Kiefer wählen, da die Zähne digital nicht in ihren Dimensionen veränderbar sind. 3. Die Zahnhälse scheinen an einigen Stellen von basal durch die rosa Prothesenbasis, wenn in der Software die Zähne auf den Kieferkamm aufgestellt wurden. Somit befindet sich nur um den Zahnhals herum das Befestigungsmaterial (Abb. 19 und 20). M. von Keutz
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Im Falle einer Wachs-Disc werden die Konfektionszähne entsprechend mit Wachs befestigt. Bei erfolgter Umstellung gilt es, die Prothese mit der veränderten Zahnaufstellung erneut einzuscannen, als Situationsmodell zu importieren und die Korrekturen am vorhandenen Design virtuell durchzuführen. Es folgt dann die Fertigung der Prothesenbasis in PMMA.
Natürlich muss für die finale Fertigung nochmals ein Positionierungsschlüssel gefräst bzw. gedruckt werden. Der Vorteil dieser Methode liegt vor allem in der höheren Ästhetik.
Mittlerweile bieten viele Zahnhersteller die Option an, ihre analogen Zahngarnituren als stl-Datensatz in die Konstruktionssoftware zu importieren. Entweder nutzt man diese Datensätze, um nur die Zahnfächer aus der konstruierten Basis herauszurechnen, oder man gibt die Zähne als CAD-Output aus und fräst bzw. druckt sie in der gewünschten Zahnfarbe.
Digitale Konstruktion: „Oversize“
„Oversize“ bezeichnet eine Verfahrensmöglichkeit beim Fräsen der Prothese und des Zahnkranzes im CAM – sozusagen einen Fräsprozess. Ist der CAD-Workflow beendet und liegen die Fräsdateien vor, so gibt es in dem Ivoclar PrograMill CAM die Option, die Prothesenbasis von inzisal bzw. okklusal grob vorzubereiten (schrubben) und nur die Zahnfächer fein auszuarbeiten (schlichten). Die Prothesenbasis wird noch nicht gefräst, die Zahnform lediglich geschrubbt, der Zahnkranz von basal bzw. kaudal geschrubbt und geschlichtet, damit die Zahnhälse der Zähne in die zuvor gefrästen Zahnfächer der rosafarbigen Disc passen.
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Zudem ist man frei in der Wahl, welche und wie viele Zähne verblockt und welche Dateien gefräst oder gedruckt werden. Aufgrund der Höhe der rosa Disc (30 mm) der meisten Hersteller sind sie passend für fast alle OK-Situationen. Nicht zuletzt sind die Zähne auch virtuell individuell gestaltbar, lassen sich nach jedem Okklusionskonzept aufstellen und die Okklusion ist im virtuellen Artikulator korrigierbar.
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Am Ende des Konstruktionsvorgangs erhält man je nach Anzahl der Verblockungen 3 oder mehrere Fräs- bzw. Druckdateien. Eine für die Gingiva, eine oder mehrere für die Zähne und eine für den Positionierungsschlüssel (vgl. Abb. 19).
Sollte es sich herausstellen, dass sich die Zähne zum Verkleben problemlos und eindeutig in die Zahnfächer der Gingiva fixieren lassen, so kann auf die Herstellung des Positionierungsschlüssels verzichtet werden. Für Ad-hoc-Provisorien können in der Software zudem bei teilbezahnten Kiefern beliebig viele Zähne während des Designs radiert werden.
Digitale Konstruktion: Bicolor Disc
Die monolithische zweifarbige Ivotion-Disc kombiniert Zahn- und Prothesenmaterial in einer 38 mm hohen Scheibe. Im Inneren befindet sich ein wellenförmig angelegter Übergang von Zahn- zu Prothesenbasenmaterial. Diese dreidimensionale Zahnbogengeometrie basiert auf der Analyse von Patientenfällen und kommt in der CAD-Software zum Einsatz, um die exakte Position des Designs in der Disc an die CAM-Software weiterzugeben.
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Im 3Shape-Design werden wie gewohnt Okklusionsebene, virtuelle Modellanalyse und das Setzen des Einschubs in der Software routinemäßig durchgeführt. Der Full Denture Ivotion Workflow unterscheidet sich lediglich darin von den zuvor genannten, dass man das virtuelle Design der Zähne und der Gingiva mit der blau hinterlegten Shell Geometry exakt anpassen muss.
Je genauer man das Material entlang der Geometrie mit den Freiformwerkzeugen auf- und/oder abträgt, desto besser werden die späteren Fräsergebnisse. Am Zahnbereich sollte kein rosafarbiges Prothesenmaterial sichtbar sein.
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Leider erscheint die gesetzte Ebene nicht visuell, wenn man das 2D-Querschnitt-Tool anwendet. Daher erzeuge ich aus 2 planen stl-Datensätzen im 90°-Winkel eine eigene Okklusionsebene, die dann im Tool sichtbar erscheint. Hierfür klickt man in der rechten Symbolleiste auf „Zusätzliche Scans“ und lädt sich die eigene Okklusionsebene in das Design.
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Darüber hinaus besteht im Step „Totalprothesen Anfangssetup“ die Möglichkeit, unter „Gingiva-Ästhetik“ bei „Benutzerdefinierte Einstellungen“ verschiedene Schieberegler für die Art der virtuellen Wachsmodellierung der Basis zu bedienen. Hier empfehle ich vor allem den letzten Schieberegler auf „0“ zu setzen, um einen harmonisch abgerundeten Ventilrand zu generieren. Außerdem bietet 3Shape die Freiheit, sich im Control Panel eigene Werte für eine individuelle Ausmodellation der Gingiva anzulegen (Abb. 26 bis 29). M. von Keutz
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Digitale Konstruktion: Duplikatprothese
Die einfachste Methode, eine digitale Prothese herzustellen, ist die „Duplikatprothese“, eine 1:1-Kopie einer vorhandenen Zahnprothese. Hierfür scannt man die Prothese ein. Das Design-Programm separiert automatisch die Zähne von der Gingiva. Man ist frei in der Wahl, ob man alle Zähne einzeln oder verblockt herstellen möchte.
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Veränderungen an der Basis und an der Anatomie sind ebenfalls möglich. Selbstverständlich können alle erzeugten Dateien sowohl gefräst als auch gedruckt werden. Zu guter Letzt werden die Zähne und die Basis mit einem Polymerisat zusammengefügt. Schneller und effektiver kann man „aus Alt wird Neu“ nicht realisieren.
Konfektionszähne und individuelle Zahnbibliotheken Die Dentalindustrie bietet eine große Auswahl an Konfektionszähnen, welche kostenfrei im 3Shape Control Panel unter Werkzeuge, Download-Center, Bibliotheken heruntergeladen werden kann. Nichtsdestotrotz sollte man die Firmen kontaktieren, wenn man deren Zahnbibliotheken verwenden möchte, denn manchmal werden für die Eigenfertigung der Zähne noch Lizenzgebühren erhoben.
Generell empfiehlt es sich, eine eigene Zahnbibliothek anzulegen. Nach dem Motto „Heute schon an morgen denken“ nutzt man Scans von Modellen oder von Intraoralscans und erzeugt sich in der Ortho Software (o.Ä.) einzelne Stümpfe bzw. Zähne.
Aus diesen Stümpfen bzw. einzelnen Zähnen lässt sich in Programmen wie der 3Shape ScanIt Library eine eigene Zahnbibliothek erstellen, die für alle Indikationen genutzt werden kann, wie z.B. Kronen, Brücken, Inlays, verschraubte Kronen und natürlich auch herausnehmbaren Zahnersatz. Darüber hinaus ist es ratsam, den aktuellen Fotostatus der in Behandlung befindlichen Person zu erfassen, die Zahn- und Gingivafarbe zu bestimmen und einen „Quetschbiss“ von der jetzigen Situation zu nehmen sowie alles zu archivieren.
Fazit
Qualifizierte Fachkräfte findet man in der Zahntechnik immer seltener und auch der erschreckende Rückgang der Auszubildendenzahlen stellt uns vor ein immenses Problem. Umso wichtiger ist es, sich und das eigene Fachpersonal in den neuen Technologien zu schulen und auf Basis dessen voll Mut und Zuversicht in die Zukunft zu blicken. Die digitale Fertigung von individuellen Totalprothesen kann nur dann gelingen, wenn Fachwissen und Computeraffinität aufeinandertreffen.
Die gefrästen Prothesen-Materialien sind hochvernetzte PMMA-Zahnmaterialien, die weitaus mundverträglicher sind, als mit der Hand angerührte Monomer-Polymer-Gemische. In der digitalen Fertigung wird jegliche Expansion von Gips und Kunststoff ausgeschlossen, wenn man direkt auf den Scans der Abformungen oder auf Intraoralscans virtuell designt. Genauer kann eine Prothesenbasis nicht hergestellt werden und daher resultiert auch die hohe Präzision, Pass- und Saugfähigkeit.
Dazu kommt der große Vorteil, dass die Aufstellungen und die Modelle digital archiviert und jederzeit auf Knopfdruck reproduziert werden können. Das ist Kunststofftechnik „at its best“. Für mich ganz klar ein patientenindividuelles Highend-Produkt, das den analog gefertigten Zahnersatz übertrifft.
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