PnC: Frau Prof. Bekes, wen möchten Sie mit diesem Projekt ansprechen?
Felicitas Matern
Ihren niedergelassenen Kollegen wird ein Gesprächsleitfaden an die Hand gegeben, der auf einer altersgerechten Anamnese basiert. Dafür stellen Sie einen speziellen Anamnesebogen zur Verfügung. Warum?
Der Gedanke ist, dass die Mutter oder der Vater mit dem Kind in die Praxis kommt und dort an der Rezeption sofort den an die Frühuntersuchung angepassten Anamnesebogen bekommt. Darin sind eine Ernährungs-, eine Mundhygiene- und eine Fluoridanamnese enthalten. Das ausgefüllte Formular und die darin enthaltenen Informationen stellen eine solide Basis dar, um von zahnärztlicher Seite in das Gespräch und die Frühuntersuchung einzusteigen.
Inwiefern unterstützt der Leitfaden den Behandler beim Elterngespräch?
Darin werden zunächst einmal allgemeine Informationen gegeben: Welche Aufgaben haben Milchzähne? Was sind ihre Besonderheiten? Wie läuft die Gebissentwicklung ab? Weiterführend werden die Themen Mundhygiene, Fluoride und Ernährung beleuchtet. Wir haben die wichtigsten Fakten stichpunktartig notiert, sodass die Kollegen diese mit den Informationen aus der zuvor von den Eltern ausgefüllten Anamnese verknüpfen können. Damit zeigen sie den Eltern: Beim ersten Zahnarzttermin schauen wir uns nicht nur die ersten Zähnchen an, sondern informieren über die für das Alter wichtigen Themen: die Mundhygiene, die Nutzung von Fluoriden und die zahngesunde Ernährung. Weiterhin können Themen wie das Stillen oder der Gebrauch des Schnullers besprochen werden.
Apropos Fluoride: Das Auftragen von Fluoridlack zur Zahnschmelzhärtung wird nun ebenfalls in den Leistungskatalog aufgenommen*, und zwar zweimal pro Kalenderhalbjahr, unabhängig davon, ob Initialläsionen vorliegen. Ist das in Ihrem Sinne?
Es ist gut, dass die Fluoridierung in den Leistungskatalog aufgenommen wird und wir jetzt eine Möglichkeit haben, damit die Hochrisikogruppen zu erreichen. Diese Kinder brauchen eine intensive Fluoridierung. Natürlich sollte stets entsprechend dem Kariesrisiko fluoridiert werden. Eine Fluoridanamnese ist ebenfalls hilfreich.
Das Ziel des Gemeinschaftsprojektes besteht darin, schwere Formen der frühkindlichen Karies (ECC) zu vermeiden. Gibt es ein kritisches Alter oder muss der Zahnarzt wirklich sofort nach dem Durchbruch des ersten Zähnchens auf der Hut sein?
Frühkindliche Karies kann direkt nach Durchbruch der ersten Zähne auftreten. Das Problem ist: Der Milchzahn ist ohnehin weniger mineralisiert als der bleibende Zahn und wenn dieser in die Mundhöhle durchbricht, ist er noch nicht vollständig mineralisiert. Das heißt, Milchzähne sind wirklich sehr angreifbar. Zudem ist der Milchzahn um einiges kleiner und dünner dimensioniert als der bleibende Zahn. Das heißt, die Karies kann viel schneller voranschreiten. Tatsächlich fängt die Gefährdung mit dem ersten Tag an, an dem sich der Zahn in der Mundhöhle befindet.
Es geht also darum, die allerersten Zeichen zu erkennen?
Ja. Auf bestimmte Zeichen muss man achten: Das sind im Prinzip massive Plaque-Auflagerungen und erste Entmineralisationen in Form von weißlichen Verfärbungen, den White Spots. Wir würden uns wünschen, dass wir die Kinder genau in diesem frühen Stadium erreichen, um sie dann noch in die richtige Richtung leiten zu können. Das Problem ist, dass wir die Kinder oft erst sehen, wenn die Zähne kavitiert sind und wir extreme Befunde haben. Es ist wichtig, dass den Kollegen und auch Kinderärzten bewusst ist, wie eine Frühform der ECC aussieht.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.
*3 zusätzliche zahnärztliche Frühuntersuchungen werden in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen – ein Durchbruch für die Verbesserung der Mundgesundheit bei Kleinkindern. Das Inkrafttreten dauert noch etwas: Die Neufassung der Richtlinie zur zahnärztlichen Früherkennung bei Kindern wurde zwar im Januar 2019 im G-BA in Berlin beschlossen, aber der Beschluss wird zunächst noch dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger frühestens am 1. Juli 2019 in Kraft. Die neuen Leistungen können erst erbracht werden, wenn der Bewertungsausschuss zudem die Höhe der Vergütung im BEMA festgelegt hat (Quelle: Pressemeldung des G-BA).
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