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Am 1. Januar 2026 wird das Karl-Häupl-Institut der Zahnärztekammer Nordrhein in Kantorowicz Fortbildungsinstitut umbenannt. Hintergrund ist auch die historische Belastung des bisherigen Namensgebers Karl Häupl.
Der Zahnmediziner Prof. Dr. Alfred Kantorowicz wurde 1880 in Posen geboren und erlangte insbesondere in den 1920er-Jahren als Professor an der Universität Bonn große wissenschaftliche Anerkennung. Mit dem „Bonner System“ etablierte er mobile Behandlungseinheiten, in denen Schulkinder unabhängig von ihrer sozialen Herkunft kostenlos untersucht und behandelt wurden. Dadurch konnte die Anzahl kariöser Zähne im Vergleich zu anderen Kindern deutlich reduziert werden. Sein Modell wurde deshalb sowohl in Deutschland als auch international zum Vorbild und begründete den Weg zur modernen präventionsorientierten Zahnheilkunde.
„Dass wir Zahnärztinnen und Zahnärzte heute selbstverständlich in Schulen gehen, um dort Kinder zu untersuchen, wäre ohne Alfred Kantorowicz vielleicht nicht denkbar“, sagt Kammerpräsident Dr. Ralf Hausweiler, „seine Weitsicht, seine Expertise und seine Bedeutung für die zahnmedizinische Prävention machen ihn zu einem aus unserer Sicht idealen Namenspaten für unser ehrwürdiges Fortbildungsinstitut.“
Umbenennung nach historischer Auseinandersetzung mit Karl Häupl
Die Umbenennung des Fortbildungsinstituts ist auch das Ergebnis einer mehrjährigen Auseinandersetzung mit dem bisherigen Namensgeber Karl Häupl. Denn abseits seiner Verdienste in der zahnmedizinischen Lehre, in der Funktionskieferorthopädie sowie als renommierter Wissenschaftler gab es auch eine zweite Seite von Karl Häupl: So bestand eine politische Nähe Häupls zum NS-Regime, die sich neben einer NSDAP-Mitgliedschaft und antisemitischen Äußerungen aus dem Jahr 1938 – während seiner Zeit als Professor an der Deutschen Universität in Prag – vor allem im Zuge seiner Berufung an das Zahnärztliche Institut in Berlin auf Empfehlung Hermann Görings sowie in seiner Berufung in den Wissenschaftlichen Beirat des „Beauftragten für Medizinische Wissenschaft und Forschung“ Karl Brandt zeigt. Brandt war von Hitler 1942 zum Bevollmächtigten und 1943 zum Generalkommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen ernannt worden. In dieser mächtigen Position hatte er unter anderem die Kriegstüchtigkeit des Gesundheitswesens zu koordinieren.
Zuerst wurde dieser Umstand 2019 durch den Aachener Medizinhistoriker Prof. Dominik Groß bekannt. Um die Vorwürfe gegen Karl Häupl gründlich zu prüfen, beauftragte der Vorstand der Zahnärztekammer Nordrhein anschließend ein eigenes Gutachten durch den Düsseldorfer Medizinhistoriker und Medizinethiker Prof. Heiner Fangerau, das Häupls Verbindungen zum NS-System bestätigt.
„Karl Häupl ist ein Beispiel dafür, wie tief Teile unseres Berufsstandes mit dem NS-Regime verstrickt waren. Wir können dieses Unrecht nicht ungeschehen machen, aber wir können die Erinnerung daran präsent halten und vor allem die Verantwortung übernehmen, dass sich diese Verbrechen in Deutschland nicht wiederholen“, so Dr. Ralf Hausweiler.
Die Aufarbeitung der Geschichte ist grundsätzlich ein wichtiges Thema für die Zahnärzteschaft: So haben beispielsweise die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) im Oktober dieses Jahres in Berlin mit einer Gedenkveranstaltung der Opfer des NS-Regimes gedacht sowie Täter aus den Reihen der Zahnärzteschaft und deren Verbrechen aufgearbeitet.
Namensvorschlag durch Wissenschaftlichen Beirat
Bei der Umbenennung wurde die Kammer durch ihren Beirat mit zahlreichen Wissenschaftlern beraten. Ziel war es, eine Person zu finden, deren zahnmedizinisches Schaffen ebenfalls international anerkannt wurde, wodurch die Wahl schließlich auf den Präventionsvorreiter Alfred Kantorowicz fiel.
Kantorowicz‘ Biografie zeigt zudem, wie das Leben im Nationalsozialismus war, wenn man zu den Feinden dieser menschenverachtenden Ideologie zählte und steht somit im Gegensatz zu Karl Häupl. Als Jude und Sozialdemokrat wurde Kantorowicz bereits kurz nach der Machtübernahme der NSDAP im Jahr 1933 von der Universität Bonn entlassen und über mehrere Monate in Konzentrationslagern inhaftiert. Aufgrund seiner internationalen Bekanntheit konnte er – im Gegensatz zu vielen anderen Opfern des Regimes – noch 1934 in die Türkei auswandern und an der Istanbuler Universität eine Professur übernehmen, an der er ebenfalls nachhaltig wissenschaftliche Spuren hinterließ.
In zahlreichen Studien beschäftigte sich Prof. Kantorowicz unter anderem mit dem Aufbau der Zahngewebe und Bakteriologie in der Mundhöhle. Wie bei Prof. Häupl waren auch bei Prof. Kantorowicz Untersuchungen und Fragestellungen in der Histologie und Pathologie Schwerpunkt seiner Arbeit und auch seine Veröffentlichungen zur Kariologie fanden weite Anerkennung.
Die Umbenennung tritt am 1. Januar 2026 in Kraft. Am 28. Februar 2026 wird letztmalig der Karl-Häupl-Kongress in Köln unter seinem alten Namen stattfinden. Dieser wird zukünftig ebenfalls umbenannt und Alfred Kantorowicz Kongress heißen. „Eines bleibt trotz Namensänderung gleich: Unser Institut steht auch in Zukunft für moderne, praxisnahe und vor allem unabhängige Fortbildungsangebote“, versichert Dr. Hausweiler.
Quelle:
Zahnärztekammer Nordrhein
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