Ein möglicher Grund solcher Umfrageergebnisse könnte darin liegen, dass Patienten bei ihrer Behandlung meist nicht mit ins Boot genommen bzw. mit ihren Emotionen nicht abgeholt werden. Da jedoch nicht jeder Mensch gleich ist, muss nicht mit jedem gleich umgegangen werden, damit er sich aufgehoben fühlt. Um zielgerichtet für jeden Einzelnen den richtigen Weg bzw. Umgang herauszufinden, wird als Hilfestellung die Patientenmatrix zur Hand genommen.
Zahnärzte und Zahntechniker sind dazu in der Lage, jegliche Behandlungs- und Arbeitsschritte auf dem Weg zum erstklassigen Versorgungsergebnis zu sehen und einzuschätzen: vom 1. Blick in die Mundhöhle über Planung, Präparation/Implantation bis hin zur Materialauswahl, Herstellung und Eingliederung des Zahnersatzes. Grundvoraussetzung hierfür ist zunächst eine teamfähige und respektvolle Zusammenarbeit von Behandler und Zahntechniker.
Ist das „Behandlungsziel“ aus medizinischer und technischer Sicht hinsichtlich Planung, Ausführung und Umsetzung definiert, gilt es den Patienten mit ins Boot zu holen. Wichtig dabei ist es, dass jegliche Art der Kommunikation auf dessen Verständnisniveau basiert. Arbeitet man darüber hinweg, ist die Wahrscheinlichkeit, dass schwierig zu lösende Probleme auftreten, höher.
Zudem leidet das Vertrauensverhältnis zum Fachmann, welcher in der Verantwortung steht. Der Patient fühlt sich übergangen, auch wenn das vielleicht nicht die Absicht dahinter war. Vermittelt man jedoch dem Patienten, in jede Entscheidung involviert zu sein und Kontrolle über die weiteren Behandlungsschritte – wenn auch nur kinästhetisch – zu haben, besteht kein Raum, der ein für alle Beteiligten unangenehmes Gefühl der Angst zulassen könnte.
Wie kann man nun herausfinden, welches Behandlungskonzept auf den Patienten zugeschnitten ist? Die Patientenmatrix dient mit ihrer Einordnung von 4 verschiedenen „Patiententypen“ als Hilfsmittel, den richtigen Weg zunächst zu sehen, bevor er gegangen werden kann. Somit ist man in der Lage, jedem Patienten seine eigene passende Variante der Behandlung aufzuzeigen und in die Wege zu leiten. Schulze
Die Bezeichnung „schwieriger Patient“ wird im Praxis- und Laboralltag oft verwendet. Gibt man aber eben diesen Patienten das Gefühl, ihre Bedürfnisse zu verstehen und genau zu wissen, was sie brauchen, werden sie dann doch zu angenehmen Teammitgliedern in unserem Prozess. Aus Optimierungsgründen geht im Praxisalltag häufig diese persönliche Behandlung unter.
Zeitaufwendige Gespräche können im durchgetakteten Praxisalltag nicht integriert werden. Dabei wird außer Acht gelassen, dass der Mehrwert dieses Zeitaufwandes viel größer ist als allgemein angenommen. Mit einer effizienten Kommunikation und lückenlosen Planung erzielt man einen reibungslosen Ablauf und spart in der Gesamtbetrachtung Zeit und somit Geld.
Patientenmatrix
Fallbeispiel 1 (Abb. 1a und b)
Die Patientin äußerte zunehmende Unzufriedenheit mit der Ästhetik ihrer Frontzähne. Sie berichtete, sich häufig unwohl zu fühlen, wenn ihre Töchter mit ihr die mittlerweile beliebten „Selfies“ machen wollten. Dabei schlichen sich gewisse Habits ein, wie etwa das ständige Herunterziehen der Oberlippe oder die Angewohnheit, beim Lachen die Hand vor den Mund zu halten.
In erster Linie ging es der Patientin also darum, in ihren Worten, „gerade und weiße Zähne“ zu haben. Eine Aussage, die von Patienten mit ästhetischen Korrekturwünschen sehr häufig vorgebracht wird. Für Laien ist es oft schwierig, farbliche Entscheidungen anhand z.B. der Vita Farbpalette zu treffen.
Die meisten von ihnen würden sich für A1 oder B1 entscheiden. Klare Kommunikation und Aufklärung sind hilfreich, die auf den Patienten perfekt abgestimmte Lösung zu finden. Dabei steht für uns ein harmonisches Gesamtbild im Vordergrund: „Gerade“ setzen wir gleich mit „Symmetrie“, und „weiß“ ist in diesem Patientenfall der Grundton der eigenen Zähne (maximal 1 Nuance heller) mit einer hellen Schneide und einer lebendigen Schichtung. Schulze
Schulze
Fallbeispiel 2 (Bild 2a bis f)
Wie dieses Beispiel zeigt, werden Patienten leider oft falsch beraten bzw. ist das Behandlungsziel nicht sehr gut auf deren Vorstellungen und Wünsche abgestimmt. So ging hier gleich einiges schief, begonnen bei der Kommunikation, Implantation bis hin zur Umsetzung des Zahnersatzes und endete damit, dass die Patientin ihren Ersatz ein halbes Jahr nicht getragen hat.
Der behandelnde Zahnarzt entschied sich für eine herausnehmbare Prothese, ohne der Patientin eine Alternative in Form einer festsitzenden Oberkieferversorgung aufzuzeigen. Sie kämpfte mit extrem starken phonetischen Schwierigkeiten, Handling und Unzufriedenheit bezüglich der Ästhetik.
Als sie sich nach einem langen Leidensweg dafür entschied, eine zahnärztliche Zweitmeinung einzuholen, und erfuhr, dass eine „All-on-6“-Versorgung möglich wäre, war sie sehr überrascht, da sie nicht darüber aufgeklärt worden war. Die Schwierigkeit bei dieser Patientin bestand nun darin, auf der Basis schlechter Grundlagen eine schöne und optimale Lösung zu finden. Mit klarer und offener Kommunikation sowie gut durchdachter Planung konnte der Umsetzung jedoch nichts mehr im Weg stehen. Schulze
Schulze
Schulze
Schulze
Schulze
Schulze
Fallbeispiel 3 (Abb. 3)
Patienten, die sehr leidensfähig sind oder sich mit einer Situation abfinden, haben oft keine Motivation, ihre physischen Probleme und Befindlichkeiten anzugehen und zu lösen. Jahrelang gehen sie nicht zum Zahnarzt oder bringen unspezifische körperliche Beschwerden nicht unbedingt in Verbindung mit ihrem Kauapparat. Es gibt zum einen Patienten, bei denen das Offensichtliche – so z.B. durch Karies oder Entzündungen der Zahnwurzeln verursachte starke Schmerzen – nicht zu ignorieren ist und sich somit recht schnell ein Behandlungskonzept erschließt.
Schulze
Es gilt herauszufinden, ob starkes Knirschen der Auslöser jener Probleme ist, und geht darum, ein Behandlungskonzept zu erstellen, welches die Wiederherstellung der ursprünglichen Kaufunktion als Gleichgewicht zum restlichen Körper garantiert. Dies kann in Form einer Schiene jeglicher Art gelingen.
Die Industrie bietet uns jede Menge unterschiedlicher Hilfsmittel und Möglichkeiten zur Auswertung der CMD. Egal, mit welchem System gearbeitet wird, besteht zunächst die Möglichkeit, den Patienten für eine kürzere Zeit von maximal 3 Monaten mit einer Jig-Schiene zu versorgen. Stressabbau in der Nacht erzeugt einen vielfach höheren Kaudruck, als es bei der Nahrungszerkleinerung der Fall ist.
Das kraniomandibuläre System wird somit über mehrere Stunden unphysiologisch belastet. Die Jig-Schiene hat ein anteriores Plateau aus Kunststoff, welches plan geschliffen nicht etwa als Einbiss, sondern lediglich als Auflagefläche für Führungsbewegungen fungiert. Durch das Aufbeißen auf den kleinflächigen Kontakt wird sofort reflektorisch eine Tonusminderung der Adduktorenmuskulatur (Mundschließer) und auch der Nackenmuskulatur ausgelöst.
Die Nonokklusion der Seitenzähne hat den Effekt, dass die Rezeptoren des Zahnhalteapparates keine Informationen an das ZNS weiterleiten und somit keine Muskelkontraktion ausgelöst wird. Bei einer erfolgreichen Kurzzeittherapie führt die Jig-Schiene also zur Entspannung der Muskulatur, und der Unterkiefer kann sich in eine physiologische Position einstellen, die sich aus der entspannten Muskulatur und Kiefergelenksposition, nicht aber aus eventuell störenden Kontaktzonen auf den Kauflächen der Seitenzähne ergibt.
Fallbeispiel 4 (Abb. 4)
Die „Dentophobie“ ist eine anerkannte Erkrankung bzw. Phobie [1], von der schätzungsweise etwa 5 bis 10% der westlichen Bevölkerung betroffen sind [2]. Diese Angst führt zur jahrelangen Vermeidung der Zahnarztbesuche, kombiniert mit der Scham über den desolaten Zustand der Zähne und Mundhygiene.
Schulze
Die in diesem Beispiel deutliche Schmelz- und Dentinerosion palatinal am Oberkiefer weist auf eine bulimische Erkrankung hin. Durch das häufige Erbrechen löst die Säure Mineralien aus dem Zahnschmelz, welcher somit so stark abgebaut wird, dass eine Rehabilitation nur durch die Herstellung von Kronen, Teilkronen etc. möglich ist. Weder Zahnmediziner noch Zahntechniker sind für solche Fälle psychologisch geschult.
Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit würde bei schwierigen Fällen Erleichterung verschaffen. Durch die Wiederherstellung verlorengegangener Zahnsubstanz durfte der Patient nicht nur äußerliche Veränderungen an sich wahrnehmen. Für ihn war die Restauration nicht nur eine zahnmedizinische Behandlung, sondern der emotional heilende „Abschluss“ mit einem großen Thema bzw. Tiefpunkt in seinem Leben (Abb. 5a und b). Schulze
Schulze
Fazit
Ob ein Patient mit der abschließenden Arbeit zufrieden ist, hängt nicht zwangsläufig davon ab, wie gut oder schlecht der Zahnersatz geworden ist, sondern wie er sich während der gesamten Behandlung gefühlt hat. Selbst bei einem perfekten Ergebnis kann es demzufolge dazu kommen, dass der Patient seinen Zahnarzt nicht weiterempfehlen wird, sollte er sich während der Behandlung unwohl oder nicht in die Prozesse integriert gefühlt haben. Emotionen bekommen hierbei leider oft keinen Raum und es wird vergessen, wie essenziell und wichtig diese auch beim Zahnarztbesuch sind.
Zur Verdeutlichung: So, wie der menschliche Geist untrennbar mit dem Körper verbunden ist, kann eine Entscheidung niemals nur rational und ganz ohne eine Emotion getroffen werden. Das sogenannte „limbische System“ unseres Gehirns ist für die Verarbeitung von Gefühlen verantwortlich. Diese spielen – in welcher Hinsicht auch immer – allgegenwärtig und bei sämtlichen Entscheidungen, die wir in jeder Sekunde unseres Lebens treffen, eine Rolle.
Die erfolge der Zahnärzte und Zahntechniker sind die Erfolge der Patienten. Digitalisierung und gewinnorientierte Prozessoptimierungen in Praxen und Laboren sollten kein Anlass dafür sein, an Kommunikation zwischen Zahnarzt, Zahntechniker und Patienten einzusparen. Auch eine zahnmedizinische Behandlung beginnt mit einer Emotion.
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