Anzeige

Allgemeine Zahnheilkunde

Bruxismus und Schlafapnoe

Aufgrund steigender Prävalenz sehen sich Zahnärzte/-innen immer häufiger mit Schlafbruxismus und Atmungsstörungen wie der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) konfrontiert. Während reiner Schlafbruxismus klassischerweise mit Okklusionsschienen behandelt wird, muss ein Umdenken stattfinden, wenn gleichzeitig eine OSA besteht. Innerhalb eines interdisziplinären Netzwerks wird deshalb eine schlafmedizinische Diagnostik empfohlen, um die passende Behandlungsstrategie zu entwickeln. Sowohl beim Screening der Bevölkerung bezüglich dieser Schlafstörungen als auch in der Therapie der leichten bis mittelschweren OSA mit Unterkieferprotrusionsschienen (UPS) besetzen Zahnärzte/-innen eine Schlüsselposition.

. detailblick-foto/AdobeStock
.
.
Inhaltsverzeichnis

    Der gesunde Schlaf 

    Abb. 1: Gesundes und gestörtes Schlafprofil. Während beim gesunden Schlaf ausreichend Tief- und
REM-Schlafphasen vorkommen, werden diese Anteile bei einer Fragmentierung der Schlafarchitektur durch
Weckreaktionen, z.B. bei einer Schlafapnoe, stark reduziert. Dadurch können sich sowohl körperliche als
auch seelische Beschwerden einstellen, je nach Vulnerabilität der Patienten/-innen. Dr. Horst Kares
    Abb. 1: Gesundes und gestörtes Schlafprofil. Während beim gesunden Schlaf ausreichend Tief- und
    REM-Schlafphasen vorkommen, werden diese Anteile bei einer Fragmentierung der Schlafarchitektur durch
    Weckreaktionen, z.B. bei einer Schlafapnoe, stark reduziert. Dadurch können sich sowohl körperliche als
    auch seelische Beschwerden einstellen, je nach Vulnerabilität der Patienten/-innen.

    Etwa 6 bis 8 Stunden Schlaf benötigt der Mensch, um gesund zu bleiben, wobei es individuelle Unterschiede gibt. Nachts findet eine körperliche Regeneration statt, die sowohl die Stoffwechselprozesse als auch das Immunsystem betrifft. Gleichzeitig führt ein erholsamer Schlaf zu einer Konsolidierung des Gedächtnisses und sorgt für gute Laune am nächsten Tag. Anhand charakteristischer Veränderungen der Gehirnaktivität, der Abnahme des Muskeltonus und der Registrierung der Augenbewegungen lässt sich die Nacht in 4 verschiedene Schlafstadien unterteilen (Abb. 1).

    Stadium „wach“ beschreibt den Wachzustand, Stadium 1 den Übergang zum Schlaf, d.h. eine Art Leichtschlaf, bei dem wir vor uns hindösen und auf diskrete Weckreize erwachen. Schlafstadium 2 bezeichnet den stabilen Schlaf, in dem allerdings die meisten muskulären Aktivitäten – sowohl nächtliche Beinbewegungen als auch der Schlafbruxismus – stattfinden.

    Im Tiefschlaf, dem Stadium 3, findet sich eine ausgeprägte muskuläre Erschlaffung, einhergehend mit einer physischen Erholung unseres Körpers. Im REM-Schlaf ist das Gehirn sehr aktiv und wir träumen viel.

    In diesem Traumschlaf sind wir körperlich fast vollständig gelähmt, damit wir unsere Traumbilder nicht physisch ausleben und uns und anderen damit nicht schaden. Je fester wir schlafen, umso mehr erschlafft die Muskulatur. Die meisten schlafbezogenen Atmungsstörungen – sowohl Hypopnoen als auch die Apnoen – finden sich aufgrund der damit einhergehenden Weckreaktionen (Arousals) in Schlafstadium 2, einige auch im REM-Schlaf.

    Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen

    Gemäß S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) von 2009, aktualisiert 2017, sind nicht erholsamer Schlaf bzw. Schlafstörungen mit Einschränkungen der Gesundheit, der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit sowie der Teilhabe am beruflichen und sozialen Leben verbunden [1,2]. Ärzte und Psychologen mit schlafmedizinischen Fachkenntnissen sind in der Lage, bei etwa 90 verschiedenen Schlafstörungen zu differenzieren und angemessene Therapien anzubieten.

    Am häufigsten treten mit ca. 10% die Insomnien auf, d.h. Ein- und Durchschlafstörungen, die meistens die Folge von körperlichen Erkrankungen oder seelischen Problemen sind [3,4]. Eine 2. große Gruppe von Schlaferkrankungen sind die schlafbezogenen Atmungsstörungen, die aufgrund der damit einhergehenden Weckreaktionen mehr oder weniger die Erholungsfunktion der Nachtruhe reduzieren.

    Eine 3. Gruppe sind die schlafbezogenen Bewegungsstörungen, wie z.B. das Syndrom der unruhigen Beine, aber auch der schlafbezogene Bruxismus. Viele dieser Störungen führen aufgrund der häufigen Weckreaktionen zu einer Fragmentierung des Schlafes mit hieraus resultierender Schlafdeprivation, was auf Dauer zu erheblichen Symptomen führen kann, wie z.B. Tagesmüdigkeit, Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistung oder depressiven Herabstimmungen, aber auch zu Ganzkörperschmerzen (Abb. 1) [5].

    Obstruktive Schlafapnoe

    Die obstruktive Schlafapnoe tritt im Schlaf auf, wirkt beeinträchtigend auf seine Erholungsfunktion und hat vielfältige Erscheinungsformen (Tab. 1). Die Übergänge vom harmlosen Schnarchen (Rhonchopathie) zu leichten Atmungseinschränkungen (Hypopnoen) und ausgeprägten Atemaussetzern (Apnoen) sind fließend. Eine Unterform ist das Widerstandssyndrom der oberen Atemwege (Upper Airway Resistance Syndrom, UARS), bei dem vermehrte Atemanstrengungen ohne nennenswerten Sauerstoffabfall oder Atemflusslimitationen zu Weckreaktionen und damit auch zu einer verstärkten Tagesschläfrigkeit führen [2].

    Schlafbezogene Atmungsstörungen (SBAS): Beeinträchtigung der Atmung im Schlaf, z.B. durch Schnarchen, Widerstandssyndrom der oberen Atemwege, obstruktive oder zentrale Schlafapnoe
    Rhonchopathie: harmloses Schnarchen ohne Krankheitswert
    RERA (Respiratory effort-related Arousal): Sequenz von Atemzügen (mind. 10 Sekunden), die durch eine erhöhte Atemanstrengung zu einer kortikalen Weckreaktion führen
    Hypopnoe (Flachatmung): Reduktion des Atemflusses um 50-75% für mindestens 10 Sekunden meist verbunden mit einem Sauerstoffabfall von mindestens 4% im Blut
    Apnoe: Atemstillstand im Schlaf für mehr als 10 Sekunden
    Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI): Anzahl der Apnoen + Hypopnoen je Stunde Schlaf (Normwert < 5/h)
    Respiratory Disturbance Index (RDI): Anzahl der Apnoen + Hypopnoen + RERAs je Stunde Schlaf (Normwert < 5/h)
    Obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSAS): Schlafbezogene Atmungsstörung durch eine Verlegung der oberen Atemwege mit Sauerstoffabfällen im Blut und häufigen Weckreaktionen
    Upper-Airway-Resistance-Syndrom (UARS): Widerstandssyndrom der oberen Atemwege mit einer Erhöhung des Atemwegwiderstandes, der zu häufigen Weckreaktionen führt ohne Vorliegen von Atemaussetzern oder Sauerstoffabfall im Blut, aber mit erhöhter Tagesschläfrigkeit einhergeht
    Zentrales Schlaf-Apnoe-Syndrom (ZSA): schlafbezogene Atmungsstörung durch mangelnde Stimulation des zentralen Atemzentrums ohne Atembewegungen von Thorax und Abdomen.
    Arousal: kortikale Weckreaktion im EEG nachweisbar, z.B. nach einer Apnoe
    Schlaffragmentierung: wiederholte Unterbrechung des Schlafes durch äußere oder innere Weckreize mit Verminderung der Schlaftiefe.
    Arousal-Index (AI): Anzahl der Weckreaktionen je Stunde (Norm < 5/h)
    Sauerstoffsättigung (SP02): Normwerte im Blut liegen zw. 94%-98%
    Entsättigungs-Index (EI): Häufigkeit der Sauerstoffabfälle im Blut je Stunde (Normwert < 5/h)

    Tab. 1: Kleines 1×1 der Schlafapnoe.

    Am häufigsten entstehen diese Einschränkungen der nächtlichen Atmung durch eine Verlegung der oberen Atemwege wie bei einem obstruktiven Schafapnoesyndrom (OSAS). Seltener liegt eine Störung der Atmungsregulation bei zerebralen Erkrankungen vor, wie z.B. der zentralen Schlafapnoe oder der schlafbezogenen Hypoventilation. Die Patienten/-innen berichten bei einer schlafbezogenen Atmungsstörung (SBAS) häufig über eine erhebliche Tagesschläfrigkeit, nächtliches Schnarchen, Aufschrecken mit Atemnot, Herzrasen oder Nachtschweiß.

    Risikofaktoren bei der Entstehung einer Schlafapnoe sind Übergewicht, höheres Lebensalter, männliches Geschlecht, ein enger Mundraum, aber auch Nikotin- und Alkoholkonsum oder eine Schwangerschaft [6,7]. Die Gesamtprävalenz von OSAS in der Allgemeinbevölkerung liegt klassischerweise zwischen 3 und 7% mit deutlich höheren Häufigkeiten bei Männern über 50 Jahren (ca. 17%) [6,7]. In den letzten 20 Jahren wird allerdings eine stetige Zunahme der Erkrankung festgestellt, wobei nach den neuen deutlich sensitiveren ICSD-3-Kriterien bei den über 40-Jährigen Prävalenzen von 79,2% bei Männern und 54,3% bei Frauen ermittelt wurden [8,9].

    Die Diagnosestellung beginnt mit der Anamnese (z.B. lautes unregelmäßiges Schnarchen, nächtliche Atemnot, erhöhte Tagesmüdigkeit mit Einschlafneigung, Bluthochdruck) und wird ergänzt durch klinische Zeichen (z.B. großer Hals- oder Bauchumfang, hoher BMI, kleine Kiefer, pharyngeale Enge bei Tonsillenhypertrophie, langgezogene Uvula und schlaffes Gaumensegel). Im Sinne einer abgestuften diagnostischen Herangehensweise erfolgt nach Anamnese und klinischer Untersuchung eine apparative Bestätigung im häuslichen Umfeld (6-Kanal-Messung durch Polygraphie) und bei pathologischem Screening im Schlaflabor mittels Polysomnographie (PSG). Goldstandard bei der Therapie der obstruktiven und der zentralen Schlafapnoe ist die nächtliche Überdruckbeatmung.

    Abb. 5 u. 6: Wirkungsweise einer Unterkieferprotrusionsschiene mit Erweiterung der oberen Atemwege
durch eine Protrusion des Unterkiefers im Schlaf. Dr. Horst Kares

    Abb. 5 u. 6: Wirkungsweise einer Unterkieferprotrusionsschiene mit Erweiterung der oberen Atemwege
    durch eine Protrusion des Unterkiefers im Schlaf.

    Ein weiteres Therapieverfahren mit Evidenzstufe A bei obstruktiven SBAS ist die Anwendung von Unterkieferprotrusionsschienen (UPS), mittels derer durch Protrusion des Unterkiefers die Atemwege nachts erweitert werden (Abb. 5 und 6). Chirurgische Maßnahmen können beim Erwachsenen (maxillomandibuläres Advancement) und bei Kindern (Adenotonsillektomie und Gaumennahterweiterung) ebenfalls gute Erfolge aufweisen, sind aber im Erwachsenenalter therapierefraktären Fällen vorbehalten [2].

    Bruxismus

    Nach der aktuellen Definition gemäß S3-Leilinie Bruxismus aus dem Jahre 2019 [10] ist Bruxismus ein Oberbegriff für verschiedene repetitive Aktivitäten der Kiefermuskulatur, gekennzeichnet durch Knirschen oder Pressen der Zähne und/oder Anspannung oder Verschiebung des Unterkiefers [11]. Bruxismus hat 2 unterschiedliche zirkadiane Manifestationen: Zum einen kann er im Schlaf auftreten (Schlafbruxismus, SB), zum anderen während der Wachphasen (Wachbruxismus). Schlafmedizinisch wird Schlafbruxismus als schlafbezogene Bewegungsstörung eingeordnet und charakterisiert als rhythmische Kaumuskelaktivität (rhythmic masticatory muscle activity, RMMA) [1,12].

    SB steht damit in einer Reihe mit anderen stereotypischen, nicht intentionalen Bewegungen, die den Schlaf stören. Hierzu gehören weitere Erkrankungen wie das Syndrom der ruhelosen Beine (Restless-Legs-Syndrom), die Periodic Limb Movement Disorder (PLMD) und das Syndrom der schlafbezogenen Beinkrämpfe, dessen Ätiologie weitestgehend ungeklärt ist und eine therapeutische Herausforderung für die Schlafmediziner darstellt. SB ist ein klinischer Risikofaktor für Zahnattrition, Infraktion, Odontalgie, Implantatverlust, schmerzhafte und nicht schmerzhafte kraniomandibuläre Dysfunktionen und morgendliche Kopfschmerzen [13].

    Die Diagnose SB wird meist anhand anamnestischer und klinischer Befunde erhoben, wobei diese nicht unbedingt mit polysomnographischen Befunden korrelieren, wie Untersuchungen im Schlaflabor belegen konnten. Bei der Polysomnographie konnte ebenfalls festgestellt werden, dass 30% der im EMG gemessenen muskulären Aktivität im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich nicht spezifisch für SB sind, sondern auch durch andere oromandibuläre Aktivitäten, wie z.B. Grimassieren, Schlucken oder Gähnen, verursacht werden können [12,14,15]. Während in der Allgemeinbevölkerung leichter SB häufig im Laufe des Lebens vorkommt (ca. 60 bis 90%), tritt schwerer Schlafbruxismus mit 14 bis 20% besonders bei Kindern auf.

    Abb. 3: Schlafbruxismusepisoden sind entweder phasisch, tonisch oder gemischt. Dr. Horst Kares

    Abb. 3: Schlafbruxismusepisoden sind entweder phasisch, tonisch oder gemischt.

    Die Prävalenz sinkt in der erwachsenen Bevölkerung auf etwa 8%. Im Alter sind dann nur noch ca. 3% der Menschen betroffen [16–20]. Es werden bei den RMMA-Ereignissen 3 Typen von SB-Episoden unterschieden (Abb. 3). Die phasischen SB-Episoden sind kurze, repetitive Kiefermuskelkontraktionen mit 3 oder mehr Salven zwischen 0,25 und 2 Sekunden.

    Die tonischen SB-Episoden entstehen durch eine andauernde Muskelaktivität über mindestens 2 Sekunden. Die gemischten SB-Episoden bestehen aus phasischen und tonischen Anteilen [12]. Der Grenzwert für schweren SB wurde auf 4 oder mehr Episoden/Stunde festgelegt oder 25 oder mehr Salven/Stunde [12,21].

    Abb. 4: Physiologische Ereignisse im Schlaf. Die Sympathikusaktivierung führt zur Schlafbruxismusepisode.
Zahlreiche Risikofaktoren können im Schlaf das vegetative Nervensystem aktivieren und damit einen sekundären
Schlafbruxismus auslösen. Die Identifizierung und Reduzierung dieser Faktoren können helfen, SB kausal zu
behandeln. Dr. Horst Kares

    Abb. 4: Physiologische Ereignisse im Schlaf. Die Sympathikusaktivierung führt zur Schlafbruxismusepisode.
    Zahlreiche Risikofaktoren können im Schlaf das vegetative Nervensystem aktivieren und damit einen sekundären
    Schlafbruxismus auslösen. Die Identifizierung und Reduzierung dieser Faktoren können helfen, SB kausal zu
    behandeln.

    Vor der SB-Episode findet eine vegetative Erregung statt, die einem festgelegten Ablauf folgt (Abb. 4). Zunächst steigt die Herzaktivität für ca. 4 Minuten an, dann wird für ca. 4 Sekunden.

    Eine erhöhte EEG-Aktivität im Gehirn gemessen. Dann steigen der Herzrhythmus und der allgemeine Muskeltonus an, und nach 2 tiefen Einatmungen entstehen die RMMA-Episoden (Abb. 4) [22,23].

    Die eindeutige Ätiologie von SB ist immer noch ungeklärt. Eine Vielzahl von Risikofaktoren konnte aber identifiziert werden, wobei genetische, physiologische, neurologische und psychosoziale Aspekte eine Rolle spielen können (Abb. 4) [5]. Beim idiopathischen oder primären SB ist keine eindeutige Ätiologie festzustellen.

    Der sekundäre SB kennt allerdings eine Vielzahl von Komorbiditäten, die begünstigende Faktoren sein können, wie z.B. diverse Schlafstörungen, gastroösophagealer Reflux, Medikamente, Genussmittel, Drogen oder neurologische Erkrankungen. Schlafbezogene Atmungsstörungen sind ein wichtiger Risikofaktor beim SB, deshalb wird im Folgenden näher auf diese Zusammenhänge eingegangen [24–26].

    Gemeinsamkeiten von Bruxismus und Schlafapnoe 

    Eindeutige Korrelationen zwischen SB und OSA konnten nicht nachgewiesen werden, allerdings finden sich gemeinsame physiologische Parameter sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen. Auffällig waren diese Gemeinsamkeiten bei Schlafposition, oropharyngealer Muskelaktivität, Weckreaktionen, gastroösophagealem Reflux, Zahnverschleiß, kraniomandibulärer Dysfunktion und morgendlichem Kopfschmerz [27].

    • Bei Kindern und Jugendlichen, die nachts schnarchen, durch den Mund atmen und eine erhöhte Tagesschläfrigkeit aufweisen, berichten die Eltern deutlich häufiger über nächtliches Zähneknirschen [28,29]. Im Schlaflabor konnte dies bestätigt werden, da 2 Drittel der schnarchenden Kinder und alle mit schwerer Schlafapnoe eine erhöhte SB-Aktivität aufwiesen [30,31].
    • Eine Telefonumfrage bei 13.057 Erwachsenen hat ebenfalls deutliche Assoziationen von Schnarchen, nächtlichen Atempausen und Schlafapnoe mit SB belegen können [25]. Im Schlaflabor konnten bei etwa der Hälfte der Patienten/-innen mit leichter und mittelschwerer Schlafapnoe erhöhte SB-Aktivitäten nachgewiesen werden [24,32].
    • Die Rückenlage im Schlaf verstärkt sowohl Schlafbruxismus als auch die Atemstörungen. Patienten/-innen mit SB und mit SBAS verbringen 58 bzw. 50% ihrer Schlafzeit in Rückenlage [33,34]. In dieser Position finden bei SB-Patienten/-innen allerdings auch deutlich mehr RMMA-Episoden und Schluckbewegungen statt als in Seitenlage (74 bzw. 23%) [35,36]. Dabei spielt das Zurückfallen der Zunge eine geringere Rolle als der Kollaps durch den Pharynx oder die Epiglottis [37]. Besonders bei Männern findet beim Liegen zusätzlich durch Flüssigkeitsverschiebungen in den Oberkörper eine Einengung im Halsbereich mit einem Ansteigen des Halsumfanges statt [38].
    • Die Zungenaktivität und der Muskeltonus im oropharyngealen Bereich werden als wichtige Risikofaktoren bei SBAS beurteilt [39–41]. Während einer obstruktiven Atmungsstörung findet zunächst eine Reduzierung der Muskelspannung von M. masseter, M. genioglossus und M. pterygoideus lateralis statt [42]. Die darauffolgende vegetative Weckreaktion aktiviert unspezifisch alle Muskeln und spezifisch die oropharyngeale Muskulatur mit einer Öffnung der Atemwege. Die dabei entstehenden Zahnkontakte werden in der PSG als RMMA-Aktivitäten bewertet, sind aber vielleicht nur zufällige Zahnkontakte [43–46].
    • Weckreaktionen („Arousals“) sind Veränderungen in der Schlaftiefe, die sich anhand plötzlicher kortikaler EEG-Aktivierungen nachweisen lassen und durch äußere oder innere Faktoren ausgelöst werden (Abb. 1). Es wurde vielfach belegt, dass Weckreaktionen sowohl bei SBAS als auch bei SB auftreten [22,23,47]. Dabei fällt auf, dass je länger die Hypoxie infolge einer Apnoe andauert, die Weckreaktion und damit verbunden die Wahrscheinlichkeit einer SB-Episode umso ausgeprägter sind [48–51].
    • Eine andere Gemeinsamkeit von SB und SBAS ist der gastroösophageale Reflux. Die vermehrten Atemanstrengungen bei einer Verlegung der Atemwege führen zu einem Unterdruck im Brustraum und einem Hochsaugen von Magenflüssigkeit in die oberen Atemwege [52–55]. Dies verstärkt die Weckreaktion, und die Patienten/-innen empfinden morgens gehäuft Halsschmerzen oder Druck in der Brust. Es wird vermutet, dass der SB und das Schlucken eine protektive Funktion auf die Rachenschleimhäute haben durch eine Verdünnung der Magensäure und zur Vermeidung der Aspiration in die Lunge beitragen [56–58].
    • Ein verstärkter Verschleiß der Zahnsubstanz tritt ebenfalls gehäuft bei Bruxismuspatienten/-innen und bei SBAS auf [59]. Mechanische und chemische Faktoren führen in der Allgemeinbevölkerung zu einem kontinuierlichen Abrieb der Zähne, und die Prävalenz von schwerem Verschleiß steigt von 3% bei 20-Jährigen auf 17% bei 70-Jährigen [60]. Bei 30 Patienten/-innen mit verstärktem Zahnverschleiß konnte eine 3-mal höhere Prävalenz von SBAS als in der Allgemeinbevölkerung identifiziert werden [61]. Außerdem korreliert der Anstieg des Schweregrades der SBAS proportional mit der Zerstörung der Zahnsubstanz. Dafür werden ursächlich sowohl der vermehrte SB als auch der vermehrte Reflux, ausgelöst durch die SBAS, verantwortlich gemacht [62].
    • Craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) treten ebenfalls bei Patienten/-innen mit SB und SBAS gehäuft auf. Niederfrequenter SB mit 2 oder mehr Episoden pro Stunde ist assoziiert mit Myalgien der Kaumuskulatur [63,64]. In einer großen prospektiven Kohortenstudie konnten SBAS ebenfalls als wichtiger Risikofaktor für das 1. Auftreten einer CMD sowie den Beginn einer chronischen CMD identifiziert werden [65]. Eine Verdoppelung von respiratorisch bedingten Weckreaktionen mit einer Zunahme der Schlaffragmentation bei CMD-Patienten/-innen wurde nachgewiesen [66].
    • Wenn die Patienten/-innen morgens mit Schläfenkopfschmerzen oder Migräneattacken aufwachen, sollte Zahnärzte/-innen nach Schlafstörungen wie Bruxismus oder Atmungsstörungen suchen, weil diese häufig damit assoziiert sind. Die Mechanismen sind nicht eindeutig geklärt, interessanterweise können aber zahnärztliche Interventionen wie z.B. Okklusionsschienen oder Unterkieferprotrusionssschienen einen positiven Effekt auf die Symptome haben [5,67].

    Zahnärztliches Screening von Bruxismus und Schlafapnoe

    Abb. 2: Die Kollapsibilität der Atemwege nimmt, begünstigt durch Risikofaktoren, im Laufe des Lebens zu.
Die Übergänge vom leichten Schnarchen zum schweren Schlafapnoe-Syndrom sind fließend. Zahnärzte/-innen
können durch eine Identifizierung von klinischen Zeichen und Symptomen eine SBAS frühzeitig erkennen
und einer schlafmedizinischen Diagnostik zuführen. Dr. Horst Kares

    Abb. 2: Die Kollapsibilität der Atemwege nimmt, begünstigt durch Risikofaktoren, im Laufe des Lebens zu.
    Die Übergänge vom leichten Schnarchen zum schweren Schlafapnoe-Syndrom sind fließend. Zahnärzte/-innen
    können durch eine Identifizierung von klinischen Zeichen und Symptomen eine SBAS frühzeitig erkennen
    und einer schlafmedizinischen Diagnostik zuführen.

    Nur bei etwa 10% der Patienten/-innen mit OSA wird diese diagnostiziert und einer Behandlung zugeführt [6,62]. Bis zu 90% der Bevölkerung gehen aber regelmäßig zur zahnärztlichen Vorsorge [68]. Im Zuge dessen haben Zahnärzte/-innen die Möglichkeit, diese Risikopatienten/-innen zu identifizieren und einer schlafmedizinischen Diagnostik zuzuführen (Abb. 2, Tab. 2) [69–73].

    Anamnese Extraorale Beobachtung Intraorale Untersuchung Filterfragebögen
    + männliches Geschlecht
    + Alter > 50 Jahre
    + Tagesschläfrigkeit
    + lautes Schnarchen
    + beobachtete Atempausen im Schlaf
    + Kopfschmerzen am Morgen
    + nächtlicher Blutdruckanstieg
    + muskelrelaxierende oder detonisierende Medikamente
    + Übergewicht (BMI > 35 kg/m2)
    + großer Halsumfang (> 43cm bei Männern, > 41cm bei Frauen)
    + großer Bauchumfang (> 104 cm bei Männern und > 99 cm bei Frauen)
    + verstopfte Nase mit Mundatmung
    + Zahnattritionen
    + Zahnerosionen
    + Wangen-impressionen
    + Zungen-impressionen
    + große sagittale Stufe
    + Schmalkiefer oben/unten
    + große Tonsillen
    + große Zunge
    + schlaffes Gaumensegel
    + langes Zäpfchen
    + ESS (Epworth Sleepiness Scale): auffällig wenn 11 Punkte oder mehr
    + STOP-Bang: auffällig, wenn 3 Punkte oder mehr

    Tab. 2: Zahnärztliches Screening von schlafbezogenen Atmungsstörungen: Wertvolle Hinweise werden gewonnen aus der Anamnese, der ganzkörperlichen Beurteilung, der intraoralen Untersuchung sowie durch spezielle Filterfragebögen, wie z.B. die ESS (Erfassung Tagesschläfrigkeit) oder den STOP-BANG-Fragebogen (Risiko für Schlafapnoe).

    • Es gibt eine ganze Reihe von leicht zu erkennenden Risikofaktoren, die in den Anamnesebögen ohne größeren Aufwand erfragt werden können, wie z B. Schnarchen und fremdanamnestisch beobachtete Atempausen, männliches Geschlecht, Alter über 50 Jahre, erhöhte Tagesschläfrigkeit, fehlende nächtliche Blutdruckabsenkung, Konsum von Genussmitteln oder muskelerschlaffende Medikamente. Bei der Behandlung von CMD-Patienten/-innen mit persistierenden Schmerzen sollten SB und andere Schlafstörungen besondere Berücksichtigung finden, da dies für den Heilungserfolg sehr relevant sein kann.
    • Einfache Beobachtungen der Patienten/-innen auf dem Behandlungsstuhl lassen ebenfalls wichtige Risikofaktoren wie Übergewicht, kräftigen Nacken oder großen Bauchumfang feststellen. Auch ist es relativ ungewöhnlich, wenn Patienten/-innen bei der zahnärztlichen Behandlung einschlafen, und sollte uns in dieser Hinsicht sensibilisieren.
    • Bei der intraoralen Untersuchung fallen besonders Zeichen von Parafunktionen auf wie ein verstärkter Zahnverschleiß sowie ausgeprägte Wangen- und Zungenimpressionen, die auf erhöhten aktuellen Schlafbruxismus schließen lassen können [62]. Enge Zahnbögen, ausgeprägte sagittale Stufe, schlaffes Gaumensegel, langgezogenes Zäpfchen oder große Tonsillen sind ebenfalls Risikofaktoren für SBAS.
    • Wenn der Verdacht einer schlafbezogenen Atmungsstörung anhand klinischer Zeichen und Symptome vorliegt, helfen spezielle Filterfragebögen, diesen zu bestätigen (Tab. 3 und 4). Der Schweregrad der Tagesschläfrigkeit wird durch die Epworth Sleepiness Scale (ESS) beurteilt [74], das Risiko für eine Schlafapnoe mit dem STOP-BANG-Fragebogen erfasst [2,75,76].

    ESS-Fragebogen zur Tagesschläfrigkeit

    Wie leicht fällt es Ihnen, in folgenden Situationen einzuschlafen? Gemeint ist nicht nur das Gefühl müde zu sein, sondern das wirkliche Einschlafen. Die Frage bezieht sich auf das übliche tägliche Leben der vergangenen Wochen.

    Auch wenn Sie einige der beschriebenen Tätigkeiten in letzter Zeit nicht ausgeführt haben, versuchen Sie sich vorzustellen, welche Wirkung diese auf Sie gehabt hätten. Wählen Sie aus der folgenden Skala die für die entsprechende Frage am besten zutreffende Zahl:

    0 = würde niemals einnicken
    1 = geringe Wahrscheinlichkeit einzunicken
    2 = mittlere Wahrscheinlichkeit einzunicken
    3 = hohe Wahrscheinlichkeit einzunicken

      0 1 2 3
    Beim Sitzen oder Lesen        
    Vor dem Fernseher        
    Im Kino oder Theater        
    Als Beifahrer im Auto        
    Beim Hinlegen mittags        
    Im Gespräch        
    Im Sitzen nach dem Essen        
    Im Auto vor dem Rotlicht        
    Gesamte Punktzahl =
    (auffällig bei ≥11)
           

    Tab. 3: Die Epworth Sleepiness Scale (ESS) beurteilt die Tagesschläfrigkeit und das damit einhergehende Risiko für Verkehrsunfälle. Werte von 11 oder mehr Punkten deuten auf eine ausgeprägte Tagesschläfrigkeit, häufig anzutreffen z.B. bei SBAS.

        Ja Nein
    Schnarchen Schnarchen Sie laut (lauter als Sprechen oder hörbar durch eine geschlossene Tür)?    
    Müdigkeit Fühlen Sie sich häufig müde oder schläfrig tagsüber?    
    Beobachtung Hat jemand schon beobachtet, dass Sie im Schlaf aufhören zu atmen?    
    Blutdruck Werden Sie oder wurden Sie wegen hohem Blutdruck behandelt?    
    BMI Höher als 35 kg/m2 ?    
    Alter Älter als 50 Jahre?    
    Halsumfang mehr als 41 cm (bei Frauen), 43 cm (bei Männern)?    
    Geschlecht männlich?    
                                                                   Summen    

    Tab. 4: Der STOP-BANG-Fragebogen ermittelt das Risiko, an einer Schlafapnoe zu leiden. Werte von 3 oder mehr Punkten deuten auf ein erhöhtes Risiko hin, bei 5 oder mehr Punkten ist eine schwere SBAS sehr wahrscheinlich.

    Die Behandlung von SB und SBAS 

    Sowohl SB als auch SBAS können je nach Indikation relativ erfolgreich durch eine ganze Reihe von Verfahren wie nächtliche Überdruckbeatmung, Unterkieferprotrusionsschienen, Verhaltensänderungen und verschiedene chirurgische Interventionen behandelt werden.

    • Die nächtliche Maskenbeatmung mittels Überdruck ist bei obstruktivem Schnarchen und Schlafapnoe das Verfahren mit der höchsten Wirksamkeit und deshalb Goldstandard [2]. SB scheint bei diesen Patienten/-innen zum großen Teil sekundär zu sein, weil nach Behandlung mit dieser Technik der SB stark reduziert wird oder nicht mehr nachweisbar ist [77–81].
    • Die Unterkieferprotrusionsschienen (UPS) für den Schlaf sind hochwirksam bei der Behandlung von SBAS und haben nach der Überdruckbeatmung die höchste Evidenzstufe A [2] (Abb. 5 und 6). Eine ganze Reihe von Studien können belegen, dass sie gleichzeitig auch den SB reduziert [82–84]. Die Mechanismen sind hier noch nicht eindeutig geklärt. Diskutierte Faktoren sind die Dimensionen des Gerätes in der Mundhöhle, das Vorhandensein von Schmerzen, die Einschränkung der Unterkieferbewegung sowie eine Erweiterung der Atemwege [83]. Klassische Okklusionsschienen, insbesondere wenn sie eine gewisse Bisshebung verursachen, sind bei SBAS kontraindiziert, weil sie in einigen Fällen die Atmungsstörungen verstärken können [85–88].
    • Verhaltensänderungen können auch hilfreich sein. Personen mit Schlafbruxismus (SB) und schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS) kann empfohlen werden, die Seitenlage im Schlaf zu trainieren, z.B. mit dazu speziell angefertigten Rückenlage-Verhinderungswesten [35,36]. Gleichzeitig macht eine Hochlagerung des Oberkörpers Sinn, um eine Flüssigkeitsverschiebung in den Hals und den Reflux von Magensäure in den Rachen zu vermeiden [38]. Regelmäßige Bewegung und eine natriumarme Ernährung reduzieren den Lymphstau in den Geweben und helfen ebenso wie eine Gewichtsreduktion [2].
    • Adenotonsillektomie und Gaumennahterweiterung bei Kindern konnten deutliche Erfolge bei der Behandlung von schlafbezogenen Atmungsstörungen und Schlafbruxismus aufweisen [89–95]. Dies belegt den kausalen Zusammenhang von SBAS bei Kindern mit dem SB, insbesondere beim Schnarchen und Mundatmen.

    Fazit

    • Beim primären oder idiopathischen Schlafbruxismus können die Zähne nur unspezifisch durch Okklusionsschienen geschützt werden, beim sekundären Schlafbruxismus müssen auslösende Faktoren identifiziert werden.
    • Obstruktive Schlafapnoe ist ein wichtiger Risikofaktor bei schwerem Schlafbruxismus, insbesondere bei länger dauernden atembedingten Sauerstoffabfällen und damit einhergehenden Weckreaktionen.
    • Besonders bei Kindern, die nachts mit den Zähnen knirschen und schnarchen, ist auf SBAS zu achten. Häufig liegt hier ein sekundärer SB vor, der kausal durch Adenotonsillektomie und/oder kieferorthopädische Verfahren behandelt werden kann.
    • Vor dem Einsatz von klassischen Okklusionsschienen wegen Bruxismus sollten die Patienten/-innen nach Symptomen und Anzeichen schlafbezogener Atmungsstörungen gefiltert werden, um diese wesentliche Erkrankung nicht zu übersehen oder sogar zu verstärken.
    • Nach schlafmedizinischer Diagnose- und Indikationsstellung im interdisziplinären Team können Unterkieferprotrusionsschienen sowohl die obstruktive Schlafapnoe verbessern bzw. beseitigen als auch den Schlafbruxismus positiv beeinflussen.

    Bildquellen sofern nicht anders deklariert: Unternehmen, Quelle oder Autor/-in des Artikels

    Anzeige

    Kommentare

    Keine Kommentare.

    Anzeige