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- Teil 1
- Im Zentrum digitaler Praxisführung: Softwareapplikationen zur Patientenverwaltung
- Der virtuelle Patient als Modell zur Therapiesimulation und -planung
- Gewinn an Effektivität: Neue Behandlungsmöglichkeiten und -strategien
- Möglichkeiten der Diagnostik
- Teil 2
- 3D-Druck in der Zahnmedizin
- Digitale Strategien am Beispiel einer konventionellen Brückenversorgung
- Digitale Strategien am Beispiel einer Schienentherapie
- Digitale Strategien am Beispiel des Single-Visit-Dentistry-Konzeptes
- Fazit
- Teil 3
- Digitale Strategien am Beispiel einer Implantattherapie
- Vorteile der digitalen Methode:
- Fallbeispiel – Konzept 2
- Fallbeispiel – Konzept 3 (Abbildungen 19a bis g)
- Fazit
Teil 1
Wir fragen uns, warum wir bewährte Prozesse verlassen sollten, wenn diese all die Jahre verlässlich funktioniert haben? Eine präzise Hydrokolloid-Abformung, ein sauberes Gipsmodell, eine analog mit hoher Handwerkskunst gefertigte Restauration und eine am Ende perfekt eingegliederte Zahnersatzarbeit am Patienten. Welche Gründe sollte es geben, einen solch verlässlichen Ablauf aufzugeben?
Wir stellen uns die Frage, ob wir „Die richtigen Dinge tun, also effektiv sind und ob wir „Die Dinge richtig tun, also effizient sind. Die Differenzierung zwischen Effektivität und Effizienz kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Effektivität bedeutet, sich zu fragen, ob die Maßnahme uns dem Ziel näherbringt.
Ob wir die Dinge tun, die uns und unsere Patienten voranbringen. Effizient hingegen bedeutet, ob wir den Weg des geringsten Aufwandes gehen, um ein Ziel zu erreichen. Ob wir die Dinge richtig tun, um ans Ziel zu gelangen.
Beide Begriffe zusammen definieren einen möglichen Arbeitsprozess: Wie arbeiten wir effektiv? Was müssen wir tun, um ein Ziel zu erreichen? Wie arbeiten wir effizient? Wie können wir ein Ziel bestmöglich erreichen?
Am Beispiel des oben beschriebenen analogen zahnmedizinischen Arbeitsprozesses bedeutet dies konkret: Wir sind zwar effektiv mit dem altbewährten Ablauf (wir erreichen unser Ziel), aber wir sind möglicherweise effizienter mit einem intraoralen Scan, dem digitalen Versand der Daten und der CAD/CAM-Verarbeitung seitens des Zahntechnikers.
Dieser Weg kann auch zu einer optimierten Ergebnisqualität für den Patienten führen, im Sinne einer angenehmeren Behandlung ohne Abdrucknahme, einer Zeit- und Terminersparnis und einer Kostenreduktion der Behandlung, gleichbleibende Behandlungsqualität vorausgesetzt. Gerade in Pandemie-Situationen gewinnt die digitale chairside bzw. „single-visitdentistry? mit ihrer Termineffizienz auch im Sinne der Hygiene und des Patientenschutzes eine neue Bedeutung. Viele Behandlungen können in einer Sitzung durchgeführt werden, ein zweiter Besuch in der zahnärztlichen Praxis entfällt.
Im Zentrum digitaler Praxisführung: Softwareapplikationen zur Patientenverwaltung
Die Digitalisierung der Zahnmedizin begrenzt sich natürlich nicht nur auf den Ersatz einer konventionellen Abformung durch einen intraoralen Scanner, sondern erweitert sich auf das gesamte Spektrum einer modernen, zukunftsfähigen Praxisführung. Schematisch kann dies, wie folgt, am Patientenkreislauf in einer zahnmedizinischen Praxis erläutert werden (Abb. 1).Die Außendarstellung einer Praxis begrenzt sich heute nicht nur auf das Vorhandensein eines Praxisschildes vor dem Eingang oder der Präsenz im Internet im Sinne einer klassischen Homepage, sondern erweitert sich zunehmend auf den dynamischen Bereich des Social Media.
Dr. HermannEin digitales Marketing stellt eine erweiterte Möglichkeit dar, das Praxisprofil nach außen zu tragen und Interessierte unabhängig von Ort und Zeit zu erreichen. Eine starke Differenzierung zu einer klassischen lokalen Zeitungsannonce durch die Nutzung digitaler Medien. Betritt der Patient das erste Mal eine Praxis, so wird er meist aufgefordert, sich durch einen Stapel an Anamneseblättern, Datenschutzvereinbarungen und Aufklärungsunterlagen zu arbeiten.
Nicht selten herrscht dann Frust aufgrund der Menge der Unterlagen und Formulare und der damit verbundenen Schreibarbeit. Dieser Schritt kann heute durch eine digitale Anamnese auf einem Tablet (Abb. 2) ersetzt werden. Der Patient kann bequem die Formulare durch „anklicken? ausfüllen und rechtsgültig unterschreiben.
Dr. HermannDer Vorteil besteht darin, dass diese über ein drahtloses Netzwerk direkt in die Patientenkartei eingepflegt werden und sofort vorhanden sind. Ein mühsames nachträgliches Digitalisieren oder gar Abheften in einer Patientenkartei entfällt. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, in diesem Schritt Erhebungen zur Patientenzufriedenheit in der Praxis anhand eines Evaluationsbogens durchzuführen und auszuwerten.
Ein Beitrag zur kontinuierlichen dynamischen Weiterentwicklung der internen Praxisstruktur. Die Softwareapplikationen zur digitalen Patientenverwaltung (Praxismanagement, Röntgenprogramme, Foto- und Filmarchivierung, Dokumentation etc.) stellen den zentralen Baustein einer digitalisierten Zahnarztpraxis dar. Sie ermöglichen den sofortigen und über eine Cloud-Lösung auch ortsunabhängigen Zugriff auf die Patientendaten.
Ruft beispielsweise ein bereits bekannter Patient in der Praxis an, öffnet sich automatisch dessen Patientenkartei, bevor das Telefon angenommen wird. Ein langes Suchen nach der Karteikarte gehört der Vergangenheit an. Das Empfangspersonal ist vororientiert und vermittelt dem Patienten einen professionellen Eindruck.
Dr. HermannDer Behandler hat einen geordneten Zugriff auf alle relevanten Patientendaten und kann diese jederzeit mit dem Patienten visuell teilen. Somit kann im Gespräch eine effektive, effiziente und dokumentierte Aufklärung über die geplante Therapie erfolgen (Abb. 3).
Der virtuelle Patient als Modell zur Therapiesimulation und -planung
Die digitale Anbindung der Hardware (wie Röntgengeräte, Intraoralscanner, Gesichtsscanner, digitale Funktionsdiagnostik, etc.) und deren zunehmende Schnittstellen-Zusammenführung ermöglichen die Erstellung des „virtuellen Patienten?. Dieser stellt das digitale Abbild des Patienten dar und kann für die Diagnostik, Analyse, Planung, Umsetzung der Planung in die Chirurgie, Design und Herstellung des Zahnersatzes sowie zur Dokumentation und Verlaufskontrolle eingesetzt werden. Dabei werden die digitalen Datensätze des intraoralen Scans (.STL), des Gesichtsscans (.STL), des DVT-Datensatzes (.DICOM) und der patientenindividuellen Funktionsanalyse zu einem virtuellen 3D-Modell zusammengeführt.
Ziel des rein digitalen Workflows ist es, ein möglichst komplettes virtuelles Diagnose- und Therapiemodell unseres Patienten zu schaffen. Hierbei werden unterschiedliche Datensätze zu einem Modell zusammengeführt und ermöglichen uns eine annährend komplette Übersicht über die patienteneigene anatomische und funktionell-ästhetische Situation.
Dieses digitale Patientenmodell kann dann zur Therapiesimulation im Vorfeld und weiteren Therapieumsetzung herangezogen werden. So kann vielfach eine exaktere Planung – auch hinsichtlich Materialkosten und einer wissenschaftlich evidenz-basierten Therapie – realisiert werden. In der Folge erhöht sich auch die Therapiesicherheit für unsere Patienten.
Konkret bedeutet dies am Beispiel der zahnärztlichen Implantologie: 3D-Simulation der prothetisch korrekten Implantatposition, Anfertigung von 3D-gefrästen oder gedruckten Bohrschablonen auf digitaler Datenbasis, navigierte Chirurgie, intraoperativer/ intraoraler Scan-Prozess, CAD/CAM-Herstellung des Zahnersatzes und eine individualisierte prothetische Rekonstruktion im Sinne von individuellen Emergenzprofilen. Durch diese Vernetzung werden die Vorhersehbarkeit und das Ergebnis implantologischer Maßnahmen, durch eine detaillierte Simulation in der Planungsphase, entscheidend verbessert (Abb. 4) [1].
Dr. HermannGewinn an Effektivität: Neue Behandlungsmöglichkeiten und -strategien
In der Zukunft werden diese Daten nicht nur rein statisch betrachtet werden, sondern auch durch Überlagerung von zeitlich getrennt erfassten Datensätzen zu einem Diagnosemodell erweitert werden. Die Anbindung an eine wissenschaftliche Datenbank, die Analyse der patientenspezifischen Daten und deren mathematisch-algorithmischer Abgleich durch Nutzung der KI (künstlichen Intelligenz) wird es dann ermöglichen, therapierelevante Aussagen treffen zu können [2–5].
Möglichkeiten der Diagnostik
Schon heute können wir zahlreiche diagnostische Analysemöglichkeiten im digitalen Workflow nutzen:
- Farbanalyse der Zähne und Gingiva (Abb. 5)
Dr. Hermann
Abb. 5: Digitale Farbanalyse.
- Okklusionsanalyse am digitalen Modell (Abb. 6)
Dr. HermannAbb. 6: Okklusionsanalyse am digitalen Modell. - Kieferorthopädische Analysen/Alignertherapie (Abb. 7)
Dr. HermannAbb. 7: KFO-Analyse mit der CEREC Ortho-Software. - CAD der prothetischen Zielvorgabe (digitales „Wax-up“) (Abb. 8)
Dr. HermannAbb. 8: Digitales Wax-up. - Erweiterte Diagnostik durch integrierte Scannertools, wie z.B. Kariesdetektion (Abb. 9)
iTeroAbb. 9: Erweitere Diagnostik durch integrierte Scannertools. - Verlaufskontrollen (z.B. Oracheck Software) durch Überlagerung mehrerer Scans (Zahnwanderungen Rezessionen, Abrasionen, Volumenveränderung des Kieferkammes/Weichgewebes etc.) (Abb. 10)
Dr. HermannAbb. 10: OraCheck-Analyse nach Frontzzahntrauma mit Reposition des luxierten Zahnes im Vergleich zum Ausgangszustand vor dem Unfall. - Ur-Datensatz (aus Erstbefundung) gespeichert als Rekonstruktionsdatensatz (z.B. zur Verwendung als Bio-Kopie Datensatz nach Zahntrauma, speziell in der Sportzahnmedizin – Konzept „Biokopie Sport?nach Hermann F.) (Abb.11)
Dr. HermannAbb. 11: Konzept Sportzahnmedizin (Biokopie Sport nach Hermann F.).
Wir können an diesen Praxisbeispielen klar erkennen, dass uns die digitalen Technologien nicht nur einen reinen Ersatz des analogen Arbeitsablaufes bieten, sondern uns ein breites Feld an neuen Strategien und Behandlungswegen im Alltag eröffnen. Durch die Zusammenführung der Schnittstellen zwischen den einzelnen Technologien ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Effizienz in der Anwendung immer mehr zunehmen wird.
Der eingangs dargestellte Patientenkreislauf in der zahnmedizinischen Praxis schließt sich am Ende wieder durch die Integration eines digital-gestützten Recall-Systems in der Praxis. Patientenorientiert, individualisiert und risikobasiert erhält der Patient eine Erinnerung an seinen nächsten Termin zur Vorsorge im Rahmen der Prophylaxe und Dentalhygiene; eine maßgebende Säule einer erfolgreichen Praxis.
Dieser Ansatz, am Beispiel der zahnmedizinischen Betreuung eines Profi-Eishockey- Clubs, verdeutlicht die neu gewonnenen Möglichkeiten der digitalen Therapieansätze. Zu Beginn der Saison werden bei allen Spielern intraorale Scans des Oberund Unterkiefers angefertigt (Cerec Primescan, Dauer: ca. 2 bis 3 Min.) und der Datensatz archiviert (Ur-Datensatz). Nicht selten kommt es in dieser Sportdisziplin zu dramatischen Zahntraumata im Sinne von frakturierten, teil- oder vollständig luxierten Zähnen sowie Alveolarfortsatzfrakturen.
In diesen Fällen kann der gespeicherte Ur-Datensatz als Biokopie für die Herstellung eines Zahnersatzes oder die genaue Reposition luxierter Zähne über eine CAD/- CAM-hergestellte Repositionsschiene herangezogen werden. Eine möglichst naturgetreue Annährung an den Ausgangszustand ist somit mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben.
Dieses Konzept kann und wird vielleicht in Zukunft eine generelle Option sein für alle unsere Patienten. Bei der Eingangsuntersuchung erfassen wir digital den Ausgangszustand und nutzen diesen für spätere Rekonstruktionen und Analysen.
Teil 2
Im 2. Teil seiner Artikelreihe lenkt Dr. Hermann den Fokus auf verschiedene Vorgehensweisen im Bereich der konventionellen Prothetik. Hier zeigt sich in der praktischen Anwendung der digitalen Technologien, dass diese nicht nur einen Ersatz der herkömmlichen analogen Arbeitsweise darstellen, sondern dem Behandler gänzlich neue Möglichkeiten und Ansätze in der prothetischen Therapie bieten. Dabei versteht sich, dass es sich vielfach (noch) um ein digital-analoges Wechselspiel handelt, dessen Schnittstellen in enger Teamarbeit mit dem Zahntechniker erarbeitet und beherrscht werden müssen.
Viele prothetische Arbeiten erfordern nach wie vor ein hohes Maß an handwerklichem Geschick und individueller Veredelung. Mag eine Einzelkrone im Seitenzahnbereich heute monolithisch in Maltechnik komplett im digitalen Workflow (modellfrei) umsetzbar sein, erfordern größere festsitzende Arbeiten und abnehmbare Prothetik häufig noch ein analoges Arbeitsmodell. Auf diesem wird keramisch verblendet, Kontaktpunkte werden adjustiert und die Okklusion wird geprüft. Es ist die erwähnte Schnittstellenthematik zwischen digitaler Datenerfassung und teils analoger Weiterverarbeitung, die den effizienten Gesamtworkflow meist noch unterbricht. In diese Lücke greifen die flexiblen Einsatzmöglichkeiten des 3D-Druckes und erweitern die Fertigungskette der digitalen Zahnmedizin.
3D-Druck in der Zahnmedizin
3D-Drucker finden seit einigen Jahren Anwendung in der Zahnmedizin zur Herstellung von Modellen, Prototypen, Provisorien, Bohrschablonen [23,24], individuellen Löffeln, Schienen und vielem mehr. Die Abbildungen 12a bis c zeigen einige Fallbeispiele aus der täglichen Praxis unter Verwendung verschiedener Drucktechnologien. Auf diesem Wege können digitale Oberflächendaten in ein reales, analoges Modell transferiert werden. Viele Intraoralscanner ermöglichen heute den direkten Export der Datensätze aus der Scansoftware. Diese können anschließend mit speziellen Software-Programmen in druckfähige Dateien umgewandelt werden.
Mittlerweile haben sich 3 verschiedene Drucktechnologien in der Zahnmedizin und Zahntechnik durchgesetzt:
1. DLP (Digital Light Processing)
2. SLA (Stereolithografie)
3. FDM (Fused Deposition Modeling/Filament)
Die Vorteile des DLP- und SLA-Druckes liegen im Bereich der Präzision, deren Nachteile in zum Teil aufwendigen Nachbearbeitungsprozessen (Reinigung und Lichthärtung). Es existieren inzwischen bereits druckfähige Materialien, die sterilisiert werden können oder für den zeitlich begrenzten Einsatz intraoral zugelassen sind. Bei den sogenannten Filamentdruckern gibt es eine Vielzahl von Materialien. Meist kommt ein Kunststofffilament aus PLA (polylactid acid, Milchsäure) zum Einsatz, welches kompostierbar und biologisch abbaubar ist. Eine zeitaufwendige Nachbearbeitung der gedruckten Modelle entfällt. Zudem sind die Druckkosten bei diesem Verfahren sehr gering.
Ob sich die Investition in einen 3D-Drucker zum jetzigen Zeitpunkt bereits wirtschaftlich lohnt, muss auf Grundlage der individuellen Praxisgegebenheiten analysiert werden. Unbestritten ist hingegen die zukünftige Bedeutung des 3D-Druckes in der Zahnmedizin.
Digitale Strategien am Beispiel einer konventionellen Brückenversorgung
Auch am Beispiel eines rein digitalen Workflows in der konventionellen Prothetik eröffnen sich uns heute neue Wege in der Vorgehensweise (Abb. 13a bis f). Dies wird im Folgenden am Beispiel einer vollkeramischen mehrgliedrigen Brückenrekonstruktion im Oberkiefer-Seitenzahnbereich erläutert. Nach der Darstellung der Präparationsränder und der abschließenden Feinpräparation erfolgten der intraorale Scan (Cerec Primescan) beider Kiefer und das bukkale Registrat in zentrischer Okklusion. Dies ist mit Intraoralscannern der neuesten Generation in ca. 2 bis 4 Minuten mit hoher Präzision möglich. Eine wissenschaftlich erprobte Scanstrategie? hilft dabei, die Präzision des Scans zu erhöhen und gleichzeitig die Scanzeit zu reduzieren [11,12, 13,14].
Mehrgliedrige Brückenrekonstruktionen sind meist nicht für ein Single-Visit-Konzept geeignet (v.a. lange Zeiten im Sinterofen etc.). In diesen Situationen bietet sich der digitale Datenversand zum Zahntechniker (z.B. Cerec Connect Case Center) oder externen CAD/CAM-Dienstleister an, der in wenigen Minuten direkt von der Aufnahmeeinheit aus realisiert werden kann.
An dieser Stelle der Behandlung ergibt sich nun ein weiterer Vorteil: Der Zahntechniker hat die Möglichkeit, die digitale Abformung zu prüfen und mögliche Rückmeldungen sofort an den Behandler weiterzugeben, während der Patient noch im Behandlungsstuhl sitzt. Zusätzliche aufwendige Korrekturtermine? können somit effektiv vermieden werden – eine Sicherung der Effizienz des Behandlungsablaufes.
Zahntechnisch kann der Datensatz gleich in der digitalen Prozesskette im CAD weiterverarbeitet werden. Unser Praxiskonzept sieht es vor, im nächsten Schritt eine Funktions- und Ästhetikeinprobe mit einem PMMA-Prototyp durchzuführen. Dieser kann kostengünstig aus einer Ronde geschliffen werden und dient zur Überprüfung der Form (bukkaler Korridor), der Auflage des Pontic, der Kontaktpunkte und des okklusalen Konzeptes. Im Gegensatz zu einer Rohbrandeinprobe (aus ZrO2) können mit dieser Materialklasse ganz einfach und rasch Korrekturen durch Addition oder Subtraktion durchgeführt werden, ohne das definitive keramische Brückenmaterial zu schädigen.
Ein weiterer Vorteil ergibt sich nun an dieser Stelle durch den digitalen Workflow: Über die eingesetzte und angepasste Prototypbrücke wird ein Biokopiescan angefertigt. Diesen kann der Zahntechniker mit dem Originaldesign der Brückenrekonstruktion überlagern (matchen) und erhält somit ein digitales Korrekturmodell, das der intraoral angepassten Situation der Patientin entspricht. Abschließend erfolgt der CAM-Prozess zur Herstellung einer monolithischen, bukkal verblendeten (Cut-back-Technik) ZrO2-Rekonstruktion mit einer sehr hohen Passgenauigkeit (Labor Nicola Lanfranconi; Zürich, Schweiz) [18,19].
Digitale Strategien am Beispiel einer Schienentherapie
Zur funktionsorientierten Einbindung der individuellen Lagebeziehung des Oberkiefers kommen traditionell Gesichtsbogenregistrate zum Einsatz. Diese sollen die Oberkiefermodelle passend zur terminalen Scharnierachse in den Artikulator übertragen. Asymmetrien führen jedoch nicht selten zu Ungenauigkeiten in der Registrierung. Die Folge: ein häufig in der Okklusion nicht passender Zahnersatz, der korrigiert werden muss.
Das PlaneFinder System [20] (nach U. Plaster) in Kombination mit einem Gesichtsscan (Face Hunter, Zirkonzahn) ermöglicht die Referenzierung und Beibehaltung der Ala-Tragus-Ebene, die parallel zur Kauebene verläuft und durch die Natural Head Position (NHP) des Patienten reproduzierbar bleibt (Abb. 14). Asymmetrien können durch die bilaterale Bestimmung der Neigungswinkel definiert werden. Dadurch wird es möglich, die Referenzebene im Wechselspiel des analog-digitalen Workflows in der Prothetik immer beizubehalten.
Dr. HermannDer Gesichtsscan dient dem Zahntechniker als ästhetisch-funktionelle Orientierung bei der Gestaltung des Zahnersatzes. Dem Zahnarzt ermöglicht er eine optimale Visualisierung des definitiven Ergebnisses und kann hervorragend zur Patientenkommunikation eingesetzt werden. Dabei wird der Oberkiefer mithilfe der TransferFork-Übertragungsgabel zum 3D-Gesichtsscan (und schädelbezogen) referenziert. In der Software können dann alle Modellscans, die TransferFork sowie der Gesichtsscan zueinander gematcht werden und dienen dem Zahntechniker als virtuelles Patientenmodell am Arbeitsplatz. Die Abbildungen 15a bis h zeigen den digitalen Workflow an Beispiel der Herstellung einer adjustierten Okklusionsschiene (mit freundlichen Unterstützung von Graf Dentaltechnik; Zürich, Schweiz).
Digitale Strategien am Beispiel des Single-Visit-Dentistry-Konzeptes
Im 1. Teil des Beitrages sprachen wir über die Effizienz und Effektivität des volldigitalen Workflows in der Zahnmedizin, die zu einer optimierten Ergebnisqualität für den Patienten im Sinne einer angenehmeren Behandlung ohne Abdrucknahme, einer Zeit- und Terminersparnis sowie einer Kostenreduktion der Behandlung führen kann. Die digitale Chairside- bzw. Single-Visit- Dentistry gewinnt mit ihrer Termineffizienz auch im Sinne der Hygiene und des Patientenschutzes eine neue Bedeutung. Viele Behandlungen können in nur einer Sitzung durchgeführt werden, ein zweiter Besuch in der zahnärztlichen Praxis entfällt.
Heute haben sich die Indikationen von reinen Einzelzahnrekonstruktionen (Inlay, Onlay, Overlay, Teilkrone, Krone) – nicht zuletzt durch die neue Vielfalt der CAD/CAM-Materialien und verbesserter intraoraler, puderfreier Scantechnologien – bedeutend weiterentwickelt:
- Adhäsivbrücken und konventionelle Brückenrekonstruktionen
- festsitzende Implantatrekonstruktionen (verschraubt bzw. individuelle Abutments)
- Cerec „Endokrone“
- Veneerversorgungen in der ästhetischen Zone mit „Smile Design“
- Okklusionsanalysen und „Virtueller Artikulator“
- kieferorthopädische Analysen (Cerec Ortho)
- Verlaufskontrollen und Analysen (Oracheck)
Das folgende Fallbeispiel aus der Praxis beschreibt das Single-Visit- Dentistry-Konzept am Beispiel einer Chairside-Veneerversorgung in der ästhetischen Zone aus dem Jahr 2014.
Veneerversorgungen werden in der Regel aus einer ästhetischen Indikation heraus gestellt und erfordern ein besonderes Maß an Fallanalyse und Planung, um ein hochwertiges Behandlungsergebnis zu erzielen. Längst nicht alle Indikationen sind geeignete Fälle, die direkt in einer Sitzung chairside gelöst werden können. Der vorliegende Fall stellt somit eher eine Ausnahme als die Regel dar, er soll aber exemplarisch die Möglichkeiten des Verfahrens darstellen.
Die Abbildungen 16a und b zeigen die intraorale Ausgangssituation des Patienten aus dem Jahre 2014 und verdeutlichen den patientenseitigen Wunsch nach einem ästhetischen Lückenschluss. Anspruchsvolle Ausgangssituationen lassen sich vorhersagbar nur durch eine entsprechende Simulation der prothetischen (oder kieferorthopädischen) Zielsituation erfassen und analysieren. Dies kann heute volldigital simuliert und visualisiert werden.
Zum damaligen Zeitpunkt wurde im Vorfeld ein Mock-up auf Grundlage eines analoges Wax-up erstellt und intraoral einprobiert (Abb. 16c und d). Nach Aufklärung des Patienten über mögliche Alternativtherapien (KFO), Risiken und mögliche Komplikationen wurden die Zähne 13 bis 23 unter maximaler Schonung der Hartsubstanz minimalinvasiv präpariert. Nach dem intraoralen Scan mit der Cerec Omnicam erfolgte das CAD im virtuellen Umfeld des Smile Designer [25] anhand der Vorlage des Cerec-Bio-kopiescans der Wax-up-Simulation (oder alternativ anhand des intraoral gescannten Mock-up).
Ein Portraitfoto des Patienten wird in die Cerec-Software importiert und anhand definierter Referenzpunkte sowie einer dimensionsgetreuen Kalibrierung durch Bestimmung des lateralen Augenwinkelabstandes in ein 3D-Bild umgerechnet. Anschließend wird eine Deckungsgleichheit zwischen den Zähnen im 3D-Modell und den Zähnen auf dem 2D-Foto erreicht. Nun ist eine Gestaltung der Frontzähne nach ästhetischen Richtlinien im virtuellen Umfeld des Patientengesichtes möglich (Abb. 16e und f).
Zudem liefern der virtuelle Artikulator und der okklusale Kompass anhand vordefinierter Werte (hier Mittelwerte) wichtige Analysen zur funktionellen Gestaltung der Rekonstruktionen, z.B. in Abbildung 16g als gelb markierte Protrusionspfade – ein wichtiges Kriterium für die langfristige Reduktion eines möglichen Chipping-Risikos der Keramik.
Als Material wurden IPS Empress Multi-CAD-Blöcke mit einem transluzenten Farbverlauf gewählt (Abb. 16h). Diese wurden nach dem CAM-Prozess direkt im Sinne einer Rohbrand- und Ästhetikeinprobe mit Variolink Try-in-Paste eingesetzt (Abb. 16i).
Anschließend erfolgten die Feinstrukturgebung sowie der abschließende Mal- und Glanzbrand (Abb. 16j und k). Die definitiven Rekonstruktionen wurden nach Protokoll unter Kofferdam mit Variolink Veneer (heute Variolink esthetic/Ivoclar Vivadent) eingesetzt. Die Abbildungen 16l und m zeigen die Situation direkt nach der Eingliederung.
Die Verlaufskontrolle 1 Jahr nach Eingliederung vor erfolgter Prophylaxesitzung (Abb. 16n und o) sowie die Dokumentation nach 6 Jahren (Abb. 16p und q) zeigen eine stabile Rot-WeißÄsthetik und das Lächeln des glücklichen Patienten. Die Gesamttherapie wurde in nur einer Behandlungssitzung realisiert.
Fazit
Digitale Strategien ermöglichen es, in der konventionellen Prothetik zunehmend neue Wege zu beschreiten. Intraorale Scantechnologien der neuesten Generation ermöglichen materialunabhängige Ganzkieferaufnahmen in wenigen Minuten. Softwareprogramme mit künstlicher Intelligenz (AI) sowie maschinellem und tiefem Lernalgorithmus (ML/DL) ermöglichen das CAD (Design) sowie weiterführende Therapiesimulationen (z.B. in der Kieferorthopädie). Zur Einbindung der patientenindividuellen Funktion und Ästhetik können weitere Schnittstellen, wie die digital gestützte Funktionsanalyse, oder ein 3DGesichtsscan, genutzt werden.
Längst halten wir nicht nur eine reine Alternative zum analogen Arbeitsprozess in unseren Händen, sondern effiziente Möglichkeiten in der Analyse, Visualisierung und Simulation der Behandlungsabläufe und prothetischen Zielvorgaben. Vor allem die prätherapeutische Visualisierung ist ein zentraler Bestandteil einer verständlichen Patientenaufklärung und erleichtert eine Therapieentscheidung. Eine Chairside-Behandlung wird somit gar zum „erlebten“ und „transparenten“ Zahnarztbesuch. Dies stärkt das Vertrauen der Patienten in Behandler und Praxis.
Wir müssen uns jedoch bewusst sein, dass die digitalen Technologien in der Zukunft einer rasanten Entwicklung unterliegen werden. Dies setzt ein hohes Maß an wohlüberlegter Investitionsbereitschaft und eine hohe Bereitschaft für die Weiterbildung in diesem Fachbereich der Zahnmedizin voraus.
Teil 3
Im 3. und letzten Teil der Reihe „Digitale Strategien im analogen Alltag“ setzen wir die Möglichkeiten neuer Technologien im Bereich der zahnärztlichen Implantologie in den Mittelpunkt. Das Backward-Planning, die Planung ausgehend von der definierten Zielprothetik auf das Niveau Implantat, ist seit Jahren ein vielzitierter Begriff in unserem Fachbereich.
In der Vergangenheit bedeutete dies eine zeit- und kostenintensive Vorgehensweise, beginnend mit der konventionellen Abdrucknahme und Registrierung des Patienten, der Modellherstellung, einem prothetischen Wax-up und Anfertigung einer Röntgenschablone. Nach erfolgter 3D-Diagostik (DVT) und meist spezifischer Positionierung des Patienten erfolgten der Rückversand zum Zahntechniker und die Umarbeitung der Röntgenschablone zur implantologischen Bohrschablone. Ein Prozess, der im hektischen Alltag einer zahnärztlichen Praxis meist dazu führt, dass dieser Weg nur bei sehr anspruchsvollen anatomischen Ausgangssituationen genutzt wird.
Laut einer US-amerikanischen Marktanalyse [26–28] betrug der Anteil an Implantaten, die navigiert mithilfe einer Schablone inseriert wurden, im Jahre 2012 weniger als 1%. Gehen wir der Frage nach, ob uns rund 10 Jahre später digitale Technologien helfen können, den Arbeitsprozess einer prothetisch orientierten Implantatplanung zur Herstellung einer Bohrschablone zu vereinfachen.
Die Vorteile liegen auf der Hand und sind wissenschaftlich in vielen Studien [29–31] belegt: mehr Präzision im Vergleich zur Freihand-Implantation und eine Reduktion der Verletzungsgefahr anatomischer Grenzstrukturen. Wir sollten uns über die reine Frage nach einer erfolgreichen Osseointegration darüber hinaus auch die Frage stellen, ob eine prothetisch orientierte Implantatplanung nicht auch eine wegweisende Bedeutung hat für die langfristige Gesunderhaltung und Stabilität der periimplantären Gewebe: optimales hygienefähiges Design des Emergenzprofils (biologisch), zentrierte kaufunktionelle Belastung des Implantates (Biomechanik).
Analog zur parodontologischen Präventionsstrategie beginnt diese im Fachgebiet Implantologie mit einer detaillierten Fallanalyse und einer interdisziplinären Fallplanung. Der korrekten 3D-Implantatposition mit stabilen Hart- und Weichgewebeverhältnissen kommt eine entscheidende Bedeutung für die langfristige Gesunderhaltung des periimplantären Interfaces zu. Dies stellt eine wichtige Säule der Periimplantitisprävention dar.
Digitale Strategien am Beispiel einer Implantattherapie
Die Integration digitaler Strategien im analogen Alltag lässt sich am Beispiel des implantologischen Workflows sehr gut skizzieren. Zu Beginn jeder implantologischen Therapie sollten eine Abdrucknahme und die Herstellung von Planungsmodellen erfolgen. Dies kann – neben dem konventionell analogen Workflow – mithilfe moderner Intraoralscanner in einer hohen Präzision und mit einem geringen Zeitaufwand realisiert werden [1–5].
Vorteile der digitalen Methode:
- geringer Zeitaufwand (Scan, Entfall der Desinfektion, Abdruck, Verpackung, Postversand)
- keine zusätzlichen Materialkosten
- kein Würgereflex im Vergleich zur konventionellen Abdrucknahme
- Datensatz/3D-Scan der Kiefer steht sofort zur Patientenkommunikation zur Verfügung
- digitaler Versand zum Planungspartner (Zahntechniker, externer Dienstleister) und sofortige Kontrolle möglich (Patient sitzt noch im Behandlungsstuhl)
- Datensatz des Scans kann im Gegensatz zum physischen Modell einfach kopiert und mehrfach verwendet werden.
- kein zusätzlicher Platzbedarf für die Lagerung der Modelle
- bei Bedarf jederzeit 3D-Druck-fähig
Der digitale implantologische Workflow in der zahnärztlichen Praxis ermöglicht es, schon heute neue vereinfachende Wege in der implantatprothetischen Rehabilitation zu beschreiten. Vereinfachung bedeutet in diesem Kontext eine Erhöhung der Behandlungseffizienz durch optimierte Planungs- und Visualisierungsprozesse (Abb. 17a) und besitzt für Patient und Behandler eine vergleichbare Bedeutung.
Dr. HermannAus der Sicht des Patienten stehen dabei die Therapiesicherheit und die Ergebnisqualität [21,22] an vorderster Stelle. Aber auch eine Reduktion der Behandlungszeit, der Behandlungskosten und des chirurgischen Traumas sind weitere wichtige Punkte.
Die Integration digitaler Techniken und Arbeitsabläufe sollte eine messbar einfachere, schnellere, sichere und kosteneffektivere Option zur Implantatplanung und Therapieumsetzung ermöglichen (Abb. 17b bis d). In der Praxis werden dabei verschiedene „digitalisierte“ Behandlungsabläufe unterschieden:
- Konzept 1: analog intern mit weiterer Verarbeitung digital extern im zahntechnischen Labor
- Konzept 2: digital intern mit weiterer Verarbeitung digital extern im zahntechnischen Labor
- Konzept 3: vollintegrierter digitaler Chairside-Workflow in der Praxis
Da jeder dieser Behandlungsabläufe seine Berechtigung bei verschiedenen Fallindikationen hat, ist der Prozentsatz der Digitalisierung an der Gesamtbehandlung häufig sehr unterschiedlich. Die Mehrheit der zahnärztlichen Praxen arbeitet nach wie vor analog nach Konzept 1 mit Transfer der konventionellen Abformung in das zahntechnische Labor und anschließender Digitalisierung.
Dieses traditionelle Konzept bedingt bei vielen implantologischen Standardindikationen im Seitenzahnbereich eine zeit- und terminintensive Vorgehensweise. Abbildung 17e gibt einen exemplarischen Überblick über den volldigitalen Workflow in der Implantologie und zeigt die einzelnen Therapieschritte auf.
Dr. HermannFallbeispiel – Konzept 2
Das erste klinische Fallbeispiel zeigt den systematischen Therapieablauf einer bilateralen Implantattherapie im Unterkiefer-Seitenzahnbereich nach Konzept 2.
In Abbildung 18a (rechts) ist die radiologische Ausgangssituation des Patienten vor parodontologisch-chirurgischer Vorbehandlung ersichtlich. Die Zähne 35, 45 und 47 waren nicht mehr erhaltungswürdig.
Dr. HermannDie Fallanalyse sah die Planung von 2 3-gliedrigen implantatgetragenen Brückenkonstruktionen (Abb. 18f und g), sowie die Anfertigung einer Einzelkrone in regio 33 vor. Für das prothetische Backward-Planning wurde ein intraoraler Scan mit dem DVT-Datensatz und der digitalen prothetischen Zielplanung zu einem 3D-Modell in der Planungssoftware SMOP überlagert.
Dort erfolgte das Design der finalen Bohrschablone (Abb. 18a; Beispiel links, gelb). Die Bohrschablone kann beim zentralen Dienstleister hergestellt oder alternativ wie im vorliegenden Fall inhouse mit dem eigenen 3D-Drucker gedruckt werden (Abb. 18b). Das Material „Dental SG“ der Firma Formlabs ist nach dem Nachbearbeitungsprozess sterilisierbar.
Somit kann die Schablone mit den Masterhülsen für die Implantatchirurgie unter hygienischen Gesichtspunkten optimal vorbereitet werden (Abb. 18c). Es erfolgte die geführte Aufbereitung des Implantatbetts und die Fullguided-Insertion der Implantate (Camlog Progressive Line) über die Schablone (Abb. 18d). Dabei wurde bereits in der Planungsphase auf eine Parallelität der Implantate für eine spätere Verschraubbarkeit der prothetischen Suprakonstruktion geachtet.
Nach einer 2-monatigen Einheilzeit erfolgten die digitale Abdrucknahme, die laborseitige Herstellung (Graf Dentaltechnik Zürich, Schweiz) eines CAD/CAM-Prototypen aus PMMA sowie eines Kontrollmodells (Abb. 18e). Unser Konzept sieht bei verschraubten, 3-gliedrigen Brückenrekonstruktionen die Verwendung einer indexierten und einer nicht indexierten Titan-Klebebasis (Camlog) zur weiteren „Spannungsreduktion“ bei gleichzeitigem Erhalt einer höheren mechanischen Stabilität [32] vor.
Die PMMA-Prototypen dienen, wie bereits im 2. Teil des Beitrages geschildert, der Kontrolle der intraoralen Passgenauigkeit, der Okklusion, der Kontaktpunkte, der Form und der gingivalen Adaptation der implantatprothetischen Suprakonstruktion.
In den Abbildungen 18f und g sind die finalen monolithischen, okklusal verschraubten ZrO2-Rekonstruktionen sowie das Abschlussröntgenbild nach Eingliederung ersichtlich. Anhand der okklusalen Schraubenzugänge kann die prothetisch orientierte Implantatplanung gut nachvollzogen werden. Die navigierte Implantatchirurgie gewinnt also im Kontext der okklusalen Verschraubung eine besondere Bedeutung.
Fallbeispiel – Konzept 3 (Abbildungen 19a bis g)
Hier sind der digitale Chairside-Workflow in der Implantologie und die einzelnen Arbeitsprozesse und Termine nach Konzept 3 schematisch dargestellt. Das rein digitale Backward-Planning oder Forward-Thinking in der prothetischen Zielplanung wird durch die Inhouse-Fabrikation einer Guide-Schablone ebenso unterstützt wie die Inhouse-CAD/CAM-Herstellung der implantatgetragenen Einzelrekonstruktionen. Somit geht Konzept 3 in der gesamten Prozesskette noch eine Stufe weiter (siehe Abb. 17e).
Der vorliegende Fall beschreibt die Versorgung einer Unterkiefer-Freiendsituation mit 2 implantatgetragenen Einzelrekonstruktionen und besteht aus nachfolgenden Schritten:
1. Termin
Intraoraler Scan und prothetische Zielplanung mithilfe der Cerec-Software (Dauer: ca. 5 bis 10 Min., Abb. 19a). DVT-Aufnahme und Datenüberlagerung in der SICAT Implant Suite 2.0 Planungssoftware; prothetisch orientierte Implantatpositionierung anhand der hinterlegten Implantatdatenbank (Dauer: ca. 10 bis 20 Min., Abb. 19b). Export und Reimport der Implantatplanungsdaten in die Cerec-Software; CAD & CAM einer Cerec Guide Schablone „inhouse“ (Dauer CAD: ca. 5 bis 10 Min, Dauer CAM: ca. 25 bis 40 Min. Abb. 19c)
2. Termin
Guided Surgery/Implantatinsertion (Astra Tech EV) und intraoperativer Scan der Implantatposition mithilfe von Ti-Base-Abutments (Astra Tech) und Scanbodies (Sirona), (Abb. 19d); transgingivale Einheilung mit Gingivaformern. CAD/CAM der definitive Hybridabutmentkronen auf Ti-Base-Abutments (die bereits zur digitalen Abdrucknahme verwendet wurden) mit der Cerec-Software (Abb. 19e). Dies erfolgt während der 2- bis 3-monatigen Einheilzeit der Implantate.
3. Termin
Eingliederung der prothetischen Suprastrukturen im Sinne von okklusal verschraubten, monolitischen Lithiumdisilikatkronen auf Ti-Base-Abutments. Der okklusale Schraubenzugang wurde mit sterilem Teflonband und Komposit verschlossen (Abb. 19f).
Abbildung 19g zeigt die radiologische und klinische Verlaufskontrolle 1 Jahr postoperativ mit einer stabilen periimplantären Hart- und Weichgewebesituation. Die geschilderte effiziente Vorgehensweise ist bei Indikationen innerhalb der funktionellen Zone und vorliegenden Idealverhältnissen von Hart- und Weichgewebe indiziert.
Neue digitale Behandlungsoptionen ermöglichen verschiedene klinische Konzepte und Vorgehensweisen, die in der Regel zu einer Reduktion der Anzahl von Behandlungsterminen [33] führen (Abb. 20). Dies ermöglicht eine höhere Effektivität durch Zeiteinsparung am Patientenstuhl und vor allem im zahntechnischen Labor. Joda et al. konnten dies 2016 [7] in einer randomisierten, kontrollierten Studie (RCT) nachweisen.
Dr. HermannFazit
Digitale Strategien und Technologien ermöglichen nicht nur einen reinen Ersatz des analogen Arbeitsablaufs in der zahnärztlichen Praxis, sondern eröffnen ein breites Feld an neuen Strategien und Behandlungswegen im Alltag. Diese wirken sich gleichermaßen auf die Effektivität und Effizienz der Prozesskette aus. Eine zentrale Rolle spielt dabei das virtuelle Patientenmodell, welches zur Simulation, Analyse und Planung herangezogen werden kann.
In Zukunft werden die Anbindung an eine wissenschaftliche Datenbank, die Analyse der patientenspezifischen Daten und deren mathematisch-algorithmischer Abgleich durch Nutzung der KI (künstlichen Intelligenz) es ermöglichen, therapierelevante Aussagen treffen zu können. Eine persönliche, emotionale Bindung zur Praxisstruktur und individuelle Patientenempfehlungen (Mund-zu-Mund) stellen jedoch neben allen digitalen Möglichkeiten die fundamentale Basis eines gut funktionierenden Patientenkreislaufs dar. Nur wenn diese mit einer gleichbleibend hohen Behandlungs- und Ergebnisqualität einhergeht, kehren die Patienten wieder „zurück? in den Kreislauf.
Die Digitalisierung der Behandlungsschritte ersetzt keinesfalls die Grundpfeiler „Qualität“ und „Servicegedanke“ einer erfolgreichen Praxisführung. Sie stellen vielmehr eine Erweiterung der Möglichkeiten im Bereich der Diagnostik, Planung, Behandlung und langfristigen Betreuung anhand des individuellen Risikoprofils dar. Dabei verschmelzen die Grundregeln der zahnmedizinischen Teildisziplinen in der digitalen Welt und haben weiterhin Bestand.
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