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So steht also zunächst die Frage im Raum, wie sich Funktionsebenen (Abb. 1) in einen virtuellen Artikulator übertragen lassen (Abb. 2). Ziel in der Zahnmedizin ist, dass aus jedem/jeder Patienten/-in ein digitaler Avatar (Abb. 3) erzeugt wird. Grundsätzlich muss auch der/die Zahntechniker/-in beim Herstellen von Zahnersatz bedenken, dass das Kauorgan kein autonomes System ist, sondern eingebettet in einem kybernetischen Regelkreis arbeitet. Im funktionellen digitalen Workflow benötigt die Zahntechnik folgende Parameter:
- die Lage des OK in der Natural Head Position (NHP) [14–16],
- die Mittellinie,
- das Kauzentrum und
- die Okklusionsebenen.
Diese Methode [1] zielt darauf ab, die klinische Zeit zur Erfassung der digitalen Daten eines/einer Patienten/-in und die Laborzeit zur Integration des/der virtuellen Patienten/-in sowie zur Übertragung des Oberkieferscans in den virtuellen Artikulator zu minimieren. Die Technik umfasst die Aufnahme von Ober- und Unterkieferscans, die Erstellung eines neuen Patientenprofils im Gesichtsscanner-Programm, die automatische Ausrichtung der Scans in der Natural Head Position und die Erstellung von Referenzebenen (Campersche Ebene/Ala-Tragus-Ebene, die der Okklusionsebene entspricht). Die Methode eliminiert die Notwendigkeit zusätzlicher Geräte wie extraorale Scankörper oder Referenzbögen und nutzt eine KI-basierte Anwendung zur automatischen Ausrichtung der Scans.
Ablauf eines Gesichtsscans
Der Gesichtsscanner spielt eine zentrale Rolle bei der Datenakquisition, indem er die folgenden Aufgaben übernimmt:
- Erfassung der Gesichtsscans: Der Gesichtsscanner nimmt detaillierte Scans des Gesichts der Patienten/-innen in verschiedenen Positionen (z.B. mit geschlossenem Mund und lächelnd) auf.
- Registrierung der wahren Horizontal-/Vertikalebene in Natural Head Position (NHP): Der Scanner erfasst alle Ebenen in Beziehung zur natürlichen Kopfposition der Patienten/-innen, ohne dass zusätzliche Geräte erforderlich sind.
- Automatische Ausrichtung: Mithilfe einer KI-basierten Anwendung richtet der Gesichtsscanner die Gesichtsscans automatisch aus und integriert sie mit den intraoralen Scans.
- Erstellung von Referenzebenen: Der Scanner erstellt automatisch Referenzebenen, die für die Übertragung des Oberkieferscans in den virtuellen Artikulator verwendet werden.
Diese Funktionen des Gesichtsscanners tragen dazu bei, die klinische und laborseitige Zeit für die Erfassung und Integration der digitalen Daten der Patienten/-innen zu reduzieren [7–13]. Der Gesichtsscan ist ein One-Shot-Scan in 0,5 Sek. mittels sechs unterschiedlich platzierter Kameras (Abb. 4 und 5).
Einzelne Arbeitsschritte im Detail [2–6]
- Scannen des Ober- und Unterkiefers: Scannen von Ober- und Unterkiefer mit einem IOS.
- Erstellung des Patientenprofils im Gesichtsscanner: Heute übertagen wir die NHP mit dem Gesichtsscan. Der/die Patient/-in schaut stehend in den Spiegel des Gesichtsscanners und nimmt die NHP ein. Der Scanner ist dabei auf einem elektrisch höhenverstellbaren Tisch positioniert. Mit dem One-Shot-Scanning RAYFace (Abb. 4) mit Serienbildfunktion können wir Gesichtsdaten schnell und einfach durchführen. Das Gesichtsscanner-Programm erleichtert den Patienten/-innen die Positionierung, indem es ein Lächelraster bereitstellt, das mit den Lippen der Patienten/-innen übereinstimmen sollte (Abb. 5).
- Import und Ausrichtung der Scans: Standardmäßig werden die Gesichts- und Intraoralscans automatisch mit der CAD-Datei importiert. Grundsätzlich können beliebig viele Scans hintereinander aufgenommen werden. Ein Bild des lächelnden Patienten mit Sichtbarkeit der Zähne ist für die spätere Fusion der 3-D-rekonstruierten Gesichtsscans mit Zahnscans und für das Erstellen von Mock-ups zwingend notwendig.
- Erstellung und Überprüfung der Referenzebenen (Natural Head Position/Campersche Ebene/Ala-Tragus-Ebene): Die KI legt vollautomatisiert alle wichtigen Punkte und Ebenen fest. Bei Bedarf kann die Ausrichtung manuell mithilfe der Ausrichtungsmodelltools geändert werden (Abb. 6). Der Zeitaufwand für das ganze Prozedere beträgt, je nach Anzahl der Aufnahmen, 2 bis 5 Min. Die Software erlaubt das Autoalignment von bis zu drei Gesichtsscans miteinander und der Gesichtsscans mit Zahnscans sowie mit 3-D-Röntgendaten. Nach der Fusion der Gesichtsscans wird für jeden Gesichtsscan ein eigener Schieberegler in der grafischen Benutzeroberfläche zugeordnet. Alle Gesichtsscans können nun separat und stufenlos ein- und ausgeblendet werden. Wir verwenden Ober- und Unterkieferscans, die bereits in der Software des Intraoralscanners durch Bukkalscans in habitueller oder konstruierter Interkuspidation mittels Frontzahnjig aus Kunststoff zugeordnet sind. Ist dies nicht der Fall, können Bissscans hinzugefügt werden.
- Im nächsten Schritt kann ein DVT automatisiert eingefügt und zugeordnet werden: Auf die gleiche Art und Weise können nun auch 3-D-Röntgendaten (DVT, CT) hinzugefügt werden. Ein KI-Tool konvertiert die DICOM-Daten in STL-Daten und segmentiert vorab alle Strukturen für die Weiterverarbeitung. Alle Strukturen werden nun automatisiert zugeordnet. Folgende anatomische Strukturen können separat ausgewählt werden: CT-Bone/ CT-Teeth/ CT Crown/ CT Airways & Sinus & Canal/ Teeth Fusion (Abb. 7). Diese Daten können nun für verschiede Labor- oder Navigationssoftwareprogramme (ExoCad, 3Shape etc.) zur Verfügung gestellt werden.
- Export der finalen Daten zu einem Avatar in CAD-Software: Schnittstellen zu den gängigen CAD-Softwareprogrammen (ExoCad/ 3Shape/ OnyxCeph etc.) sind in der Ray-Software vorhanden. Die Besonderheit der bereits implementierten Schnittstellen ist, dass die fusionierten Daten direkt in einem kompatiblen Datenformat in der Zielsoftware geöffnet werden können. Alle Daten werden in ein und demselben Koordinatensystem exportiert, sodass sämtliche Zuordnungen erhalten bleiben und nicht noch einmal neu zugeordnet werden müssen.
- Smile Design oder Orthosimulation: Die zugeordneten Daten können aber auch direkt in einem weiteren Softwaretool verarbeitet werden. So kann unmittelbar nach der Datenfusion ein Smile Design durchgeführt werden. Auch hierbei unterstützt wiederum die KI. Der „Goldene Schnitt“ wird automatisiert im Smile Design eingebaut. Mit wenigen Einstellungen und individuellen Veränderungen können schnelle Designvorschläge gezeigt werden (Abb. 8 und 9).
Diskussion
Die beschriebene Technik erleichtert die Übertragung der Raumebenen in Bezug auf die NHP der Patienten/-innen mithilfe eines Gesichtsscannersystems. Die Natural Head Position und die Ala-Tragus-Linie und somit die Okklusionsebene werden automatisiert mit der KI festgelegt und aufgezeichnet, während der Gesichtsscanner die Gesichtsscans erfasst. Darüber hinaus wird die aufgezeichnete Natural Head Position verwendet, um das Oberkiefermodell in den virtuellen Artikulator zu übertragen. Diese Technik macht zusätzliche Geräte zur Erfassung einer Referenzebene für die Übertragung des Oberkieferabdrucks in den virtuellen Artikulator – wie etwa einen extraoralen Scankörper, ein gedrucktes Referenzgerät oder eine Referenzorientierungstafel – überflüssig. Außerdem reduziert diese Technik die klinische Zeit, die zur Erfassung der Patienteninformationen benötigt wird, und minimiert die Laborzeit zur Integration des virtuellen Patienten und die Übertragung des Oberkieferscans in den virtuellen Artikulator.
Die beschriebene Technik umfasst drei Schlüsselelemente für die Verfahren zur digitalen Datenerfassung. Erstens verfügt das Design des ausgewählten Gesichtsscanners über einen Spiegel einer Größe, die die Reflexion des gesamten Gesichts des/der Patienten/-in ermöglicht. Diese Eigenschaft erleichtert die Positionierung des/der Patienten/-in im NHP durch Verwendung der Selbstausgleichs- und Spiegeltechnik. Zweitens erleichtert das Design des ausgewählten Gesichtsscanners die Erfassung der tatsächlichen Horizontale oder Schwerkraftebene, da dieser Gesichtsscanner auf einer horizontalen Oberfläche, wie etwa einem höhenverstellbaren Tisch, positioniert werden muss. Daher verwenden die aufgezeichneten Gesichtsscans die spezielle Ausrichtung, bei der die Y-Achse immer parallel zum Boden oder zur echten Horizontal- oder Schwerkraftebene ist. Und drittens ermöglicht die Fotogrammetrie-Scanmethode die schnelle Erfassung eines Gesichtsscans (weniger als 1 Sek.). Die Montage in den Artikulator erfordert eine manuelle Neuausrichtung des Oberkieferscans mithilfe der CAD-Tools, sodass er parallel zur Schwerkraftebene ist. Der ausgewählte Gesichtsscanner verfügt über eine KI-basierte Anwendung zur automatischen Ausrichtung der Patientendaten. Die Tools des Programms ermöglichen auch manuelle Anpassungen, um die vorgeschlagene Ausrichtung zu ändern. So erhält das Labor automatisiert mithilfe des Gesichtsscanners und der KI-basierten Software die gleichen Informationen, die die Praxis hat – und dies innerhalb weniger Minuten. Dies ermöglicht eine perfekte Kommunikation zwischen Praxis und Labor und stellt zusätzlich ein effektives Marketingtool für die Patienten/-innen dar.
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