Immer wieder steht man in der Praxis vor dem Problem, röntgenologisch auffällige Molaren weiterversorgen zu müssen. Laut ZE-Kassenrichtlinien dürfen auf wurzelkanalbehandelten Zähnen prothetische Rekonstruktionen nur dann angefertigt werden, wenn diese röntgenologisch unauffällig sind und eine randdichte Wurzelfüllung aufweisen.
Patientenfall
Ausgangsbefund und Planung
Im vorliegenden Fall wurde zunächst versucht, die vorhandene Wurzelfüllung an Zahn 46 zu revidieren. Als prognostisch günstig war nur der Erhalt der distalen Wurzel zu bewerten. Bezüglich der prothetischen Wertigkeit musste zwischen den Variablen „sicher“, „fraglich“ und „hoffnungslos“ entschieden werden, um eine adäquate Weiterbehandlung einzuleiten (Abb.1–3). Aufgrund der nicht revidierbaren mesialen Wurzelfüllung an Zahn 46 musste zwischen einer Extraktion oder Hemisektion entschieden werden. Die klassische Regelversorgung bei Extraktion des Zahnes wäre eine Brückenversorgung von 45 auf 47 gewesen, allerdings unter Einbeziehung des noch gänzlich intakten Zahnes 45. Alternativ wäre auch eine implantologische Versorgung über eine Einzelzahnrekonstruktion möglich gewesen. Im vorliegenden Fall gab der Patient jedoch an, nahezu eine Packung Zigaretten pro Tag zu rauchen, was das Risiko eines Implantatverlustes aufgrund von mangelhafter Osseointegration erhöht. Daher, und nicht zuletzt auch wegen der höheren Kosten, hat sich der Patient gegen eine Implantatversorgung ausgesprochen. Die Entscheidung fiel schließlich auf die Hemisektion des Zahnes 46 mit Erhalt der distalen Wurzel, um diesen Pfeiler aus dem „kritischen“ in einen „sicheren“ Zustand zu überführen. Somit stand als prothetische Rekonstruktion eine klassische Brückenversorgung von 47 über 46 nach 45 zur Diskussion oder alternativ verblockte Kronen an 47 und 46 mit zusätzlichem mesialem Anhänger an 46, in einer Metalllegierung, verblendet oder unverblendet (Abb. 4–9). Da neue vollkeramische Materialien inzwischen wesentlich substanzschonendere Präparationen zulassen, wurde als mögliche Alternative die Verwendung von Zirkonoxid besprochen. Als substanzschonend erschien es, die kleine mesio-okklusale Füllung an Zahn 47 zu entfernen, den verbliebenen Zahnstumpf 46 für eine Zirkonoxidkrone zu präparieren und, um einen sicheren adhäsiven Verbund zu schaffen, eine Flügelpräparation an Zahn 47 vestibulär und lingual durchzuführen, sodass über eine Klebung, die lediglich im Schmelz erfolgte, maximale Haftkraftwerte erreicht werden konnten. Durch die minimalistische Präparation der Klebeflügel musste eine gesamte Klebefläche von ca. 30 mm2 geschaffen werden. Dies entspricht einer Haftkraft von ca. 90 kg. Präprothetisch kann die Präparation der Flügel an einem Situationsmodell simuliert und die Klebefläche errechnet werden. Um die Fläche zu berechnen, wird ein Stück Alufolie anhand der simulierten Präparation zurechtgeschnitten. Die Abbildungen 10 bis 13 zeigen dies am Kontrollmodell der Präparation. Die Klebefläche im Bereich der okklusalen Kavität ist zusätzlich hinzuzuaddieren.
Präparation der Zähne zur Aufnahme einer Zirkonoxid-Flügelbrücke
Die Herstellung der Brücke
Als Rekonstruktionsmaterial wurde monolithisches Zirkonoxid verwendet; somit konnte an Zahn 47 für den okklusalen Anteil eine Schichtstärke von 0,5 mm gewählt werden. Bei den Zirkonflügeln wurde nach Sintern und Ausarbeitung auf eine Mindeststärke von 0,7 mm geachtet. Wichtig ist hierbei, dass die CAD-Version entsprechend konstruiert wird, um nach dem Herstellungs- und Ausarbeitungsprozess diese Mindeststärke nicht zu unterschreiten. Aus den Screenshots ist ersichtlich, dass die erste Konstruktion zu einer entsprechenden Unterdimensionierung der Zirkonflügel wie auch der Verbinder geführt hätte (Abb. 16 u. 17). Der Verbinder sollte eine Stärke von 3 × 2 bis 3 × 3 mm nicht unterschreiten und im Interdentalbereich nicht separiert, sondern ein glatter fließender Übergang des Flügels in den Verbinder und in die Verblendung gestaltet werden (Abb. 18–21). Die monolithische Rekonstruktion wurde anschließend bemalt. Da keine klassische Gerüstverblendung auf dem präparierten Zahnstumpf 46 und dem Brückenglied erfolgte, war eine Mindestschichtstärke des Zirkons von 1 bis 1,5 mm ausreichend, so wird ein eventuelles Chipping, wie es bei der Verwendung einer Veblendkeramik der Fall sein kann, umgangen (Abb. 22-26). Da der Patient bereits leichte Abrasions- bzw. Attritionserscheinungen im Frontzahnbereich zeigte, wurde bei der Überprüfung der dynamischen Okklusion auf eine Disklusion im Seitenzahnbereich bei Laterotrusionsbewegungen geachtet. Die Eckzahnführung war beidseits gesichert und der Patient wurde instruiert, auch nach der prothetischen Rekonstruktion weiterhin nachts eine UK-Okklusionsschiene zu tragen. Diese wurde in IKP hergestellt. Bei Bedarf werden Patienten immer wieder darauf hingewiesen, die Schiene auch tagsüber zu tragen, falls sie sich dabei beobachten, die Zähne unter Kontakt zu haben.
Die Überprüfung der Gestaltung, Konstruktion und Dimensionierung der Rekonstruktion des in CAD konstruierten Designs ist ein gutes, einfaches und schnelles Hilfsmittel, damit Zahnarzt und Zahntechniker miteinander planen und kommunizieren und eventuelle Fehlerquellen frühzeitig erkennen können, bevor ein kostenintensiver Herstellungsprozess in Gang gesetzt wird. Dies sollte ein wichtiger Bestandteil eines gut funktionierenden Qualitätsmanagements sein, wobei die Übertragung der Screenshots einfach per E-Mail unter Einhaltung der Datenschutzbestimmungen erfolgt. Diese Patientenarbeit, die in einem Auslandslabor (Flemming International) angefertigt wurde, ist ein Beleg dafür, dass selbst ohne direkten zahntechnischen Ansprechpartner vor Ort die Kommunikation auch über einen E-Mail-Kontakt und einen Ansprechpartner in Deutschland einfach funktionieren kann. Wichtig ist, dass bei solchen innovativen und neuartigen Versorgungsformen der Zahnarzt die Rekonstruktion und damit die Präparation im Vorfeld plant und hinsichtlich des Restaurationsmaterials, hier Zirkonoxid, über die Präparationsanforderungen, Mindeststärken und Gestaltungsvorgaben wie auch die weitere Verarbeitung zwecks adhäsiver Befestigung am Zahn genauestens Bescheid weiß. Ein gut funktionierendes, integriertes Qualitätsmanagementsystem beinhaltet diese Vorgaben ebenso wie standardisierte Arbeitsanweisungen, da es sich um einen immer wiederkehrenden gleichbleibenden Prozess handelt. Auch ist es möglich, sich die Rekonstruktion zunächst als einfaches PMMA-Kunststoffgerüst fräsen zu lassen, um den korrekten Sitz und die Schichtstärken auf dem Sägemodell oder gegebenenfalls sogar im Patientenmund zu überprüfen. Dadurch können unnötige Kosten in Form von Doppelarbeiten vermieden werden. Die Präparation erfolgt mit Rotkornfinierdiamanten, die eine konische Hohlkehlpräparation ermöglichen. Für die Abformung wurde im vorliegenden Fall ein Polyether in klassischer Doppelmischtechnik verwendet, der konfektionierte Rimlockabformlöffel wurde mit einem lichthärtenden Kunststoff individualisiert und retromolar abgedämmt. Die Gingiva wurde zur besseren Darstellbarkeit der Präparation mit einem 000 Retraktionsfaden verdrängt. Da es sich um eine monolithische Rekonstruktion handelte und keine Gerüstanprobe erfolgte, wurden die Pass-genauigkeit der Rekonstruktion wie auch vorsichtig die statische und dynamische Okklusion zum Einsetztermin überprüft.
Vorbehandlung und adhäsive Befestigung
Für die darauffolgende adhäsive Befestigung ist es wichtig, die beiden Arbeitsprozesse, Vorbereitung des Zahnes und der Rekonstruktion, getrennt voneinander ablaufen zu lassen. Es empfiehlt sich, zunächst die Zirkonoxid-Flügelbrücke vorzubereiten. Das Zirkonoxid-Gerüst muss mit einem 50 ?m Al2O3-Pulver und einem Druck von 2 bar ausgestrahlt werden, um es für den adhäsiven Befestigungsverbund mechanisch retentiv vorzubereiten. Malt man diese Bereiche zuvor mit einem wasserfesten Stift schwarz an, erleichtert es die Überprüfung, dass auch wirklich alle Bereiche mit dem Pulver abgestrahlt wurden. Davon kann man erst ausgehen, wenn die gesamte Farbe entfernt wurde. Zudem ist es hilfreich, mit einem lichthärtenden Kunststoff, in diesem Fall Visioform (3M), die äußere „Verblendung“ vor einer Anrauung durch herumfliegende Pulverkörnchen zu schützen. Nach Anrauung der zu verklebenden Gerüstanteile wird der Kunststoff einfach mit einer Sonde wieder entfernt, die gesamte Rekonstruktion für ca. 5 Minuten in Isopropylalkohol im Ultraschall gereinigt und anschließend mit einem Luftpüster getrocknet (Abb. 27–29). Je nachdem, welches Befestigungskomposit gewählt wird, ist ein zusätzliches Bepinseln der zu verklebenden Gerüstanteile mit einem MDP-haltigen Primer erforderlich. In unserem Fall handelte es sich um das dualhärtende Befestigungskomposit Panavia SA Zement (Kuraray), das bereits das Phosphatmonomer MDP beinhaltet, sodass keine zusätzliche Behandlung der Zirkonoxidflächen vorgenommen werden musste. Die Vorbereitung der Zähne 47 und 46 bestand nach Abnahme des Provisoriums zunächst in der Entfernung des provisorischen eugenolfreien Zements und anschließender Reinigung mit Polierbürstchen und einer bimssteinhaltigen Paste. Nachdem alle Reste gründlich abgespült wurden, folgte unter relativer Trockenlegung der adhäsive Befestigungsvorgang. Zunächst wurden die Schmelzareale des Zahnes 47 im okklusalen Kavitäten- wie auch im vestibulären und lingualen Flügelbereich selektiv für 30 Sekunden geätzt und danach der Dentinbereich mit 35%iger Phosphorsäure für weitere 15 Sekunden. Das Ätzgel wurde für mindestens 15 Sekunden abgespült und die Zähne 47 und 46 getrocknet, wobei unbedingt auf ein Austrocknen des Dentins zu achten ist, um postoperative Hypersensibilitäten zu verhindern. Als Nächstes wurde mit einem Pinsel für ca. 5 Sekunden eine dünne Schicht des Universaladhäsivs Clearfil Universal Bond Quick (Kuraray) aufgetragen und die Überschüsse vorsichtig verblasen. Auf eine separate Lichthärtung wurde verzichtet, um eine Schichtstärkenbildung des ausgehärteten Adhäsivs zu vermeiden. Die Rekonstruktion wurde dann mit dem dualhärtenden Befestigungskomposit Panavia SA Zement (Kuraray) bestrichen und unter mäßigem Druck eingesetzt. Erste Überschüsse wurden mit einem Puschel entfernt; dann erfolgte eine „wellenförmige Lichtanhärtung“ (bluephase Vivadent), um weitere Überschüsse vorsichtig absprengend beseitigen zu können. Nach Auftragen von Glyceringel zur Vermeidung der Bildung einer Sauerstoffinhibitionsschicht wurde die Rekonstruktion für weitere 7 Minuten unter Druck in situ belassen (Abb. 30–33). Für mich ist es dabei wichtig, dass ich trotz Dualhärtung diese Rekonstruktion selbst im Mund „halte und verankere“ und nicht den Patienten auf eine Watterolle beißen lasse. Es folgte die Entfernung aller restlichen Kompositüberschüsse mit der Kontrolle des Kontaktbereiches zum Zahn 45 und des aufliegenden, eiförmig gestalteten Brückengliedes mittels Superfloss.
Okklusionsprüfung und finale Politur
Innerhalb von einer Woche erschien der Patient standardmäßig zu einem Recalltermin, an dem die Kontrolle der marginalen Gingiva auf eventuelle Befestigungskompositreste sowie die erneute Überprüfung der statischen wie auch dynamischen Okklusion stattfanden. Ebenso wurde ein A-Silikonabdruck für die Herstellung einer neuen UK-Okklusionsschiene genommen. Abschließend sollte auch der prophylaktische Aspekt der Zirkonflügel bedacht werden. „Extension for Prevention“ beinhaltete die Vorgabe, die Kavitätenränder in einen sichtbaren supragingivalen Bereich der vestibulären und oralen Glattflächen zu legen, um so dem Patienten eine optimale Reinigung zu ermöglichen. Die supragingivale Lage der Zirkonflügel auf den äußeren Glattflächen der Zähne erleichtert das Putzen und die Kontrolle und reduziert somit erheblich die Gefahr einer Sekundärkariesbildung, wie es bei schwierig zu erreichenden subgingivalen Kronenrändern häufig der Fall ist.
Fazit
Der vorliegende Patientenfall soll ein neuartiges, innovatives und substanzschonendes Verfahren der Brückenversorgung im Seitenzahnbereich mit einer monolithischen bemalten Zirkonoxid-Rekonstruktion aufzeigen. Anhand eines standardisierten Verfahrens sollten die Planung der minimalistischen Form der Präparation, die Überprüfung der zahntechnischen Gestaltung im CAD/CAM-Verfahren sowie die Vorbereitung der Zähne wie auch der Zirkonoxid- Rekonstruktion dargestellt werden. Hergestellt wurde eine monolithische Zirkonoxid-Flügelbrücke auf dem hemisezierten Zahn 46 mit Verankerung auf einer Flügelpräparation an Zahn 47 (Abb. 36–39).
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