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DGKiZ-Kongress 2024

Schmerzausschaltung bei Kindern

In den meisten Fällen bietet die Lokalanästhesie eine zuverlässige Schmerzausschaltung. Sedierung und Verhaltensführung können oftmals eine gute Kooperation bei Kindern bewirken. Wenn diese Methoden nicht ausreichen, kann bei dringendem Behandlungsbedarf als Ultima Ratio eine Behandlung in Vollnarkose unumgänglich werden. Diese Methoden der Schmerzausschaltung in der Kinderzahnmedizin waren Gegenstand des Vorkongresses zur 31. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) am 26. September 2024.

DGKiZ/Hans Joachim Greß
Blick ins Auditorium
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In 2022 hat die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) Empfehlungen für die Narkosebehandlung publiziert [1]. Am besten aber wäre es, so der Tenor des Vorkongresses der DGKiZ, diese möglichst zu vermeiden. Wie Narkosebehandlungen durch Nutzung aller Optionen der Schmerzausschaltung, Anxiolyse und Verhaltensführung in vielen Fällen umgangen werden können und so zur Ultima Ratio werden, demonstrierte sehr eindrücklich das Referat von Dr. Dinah Fräßle-Fuchs, Salzburg.

Sie stellte den strukturierten Ablauf des Therapieentscheids in ihrer Praxis vor. Die Entscheidungsfindung erfolgt nach festen Kriterien, zum einen des Befundes und zum anderen der psychologischen Einschätzung (Abb. 1, 2). Liegt beispielsweise Behandlungsbedarf vor und die Verhaltenseinschätzung fällt eher negativ aus, durchlaufen Kinder ein Behandlungstraining (BHT), das die Referentin mit einem „Schwimmkurs“ verglich, der auch mehrmals absolviert werden kann, bis die Behandlungsfähigkeit erreicht ist. Um im Bild zu bleiben: bis das Kind schwimmen gelernt hat. Wenn das BHT (noch) nicht anschlägt, muss in diesen Fällen eben doch das „Boot“ genommen werden – also eine ambulante Behandlung unter Vollnarkose durchgeführt werden. Kriterien, die zur sofortigen Entscheidung einer Narkosebehandlung führen, sind dringender und/oder umfangreicher Behandlungsbedarf bei geringem Alter (präkooperatives Kind).

Narkosebehandlungen werden in der Praxis von Dr. Fräßle-Fuchs im Rahmen eines zeitlich gegliederten Ablaufplanes nach den Empfehlungen der DGKiZ zur ambulanten zahnärztlichen Behandlung von Kindern und Jugendlichen in Allgemeinanästhesie durchgeführt. Die Empfehlungen wurden auf dem Kongress von Dr. Julia Hinrichs-Priller vorgestellt [1]. Empfehlungen werden ausgesprochen für:

  • Personelle Mindeststandards: neben der Zahnärztin/dem Zahnarzt soll ein Anästhesist/eine Anästhesistin (10-N-Regel beachten [2,3]) sowie eine geschulte Assistenz präsent sein. Empfohlen wird für den indikationsstellenden Zahnmediziner überdies eine Zusatzausbildung zur Kinderzahnheilkunde.
  • Adäquate räumliche Voraussetzungen mit anästhesiologischem Arbeitsplatz, adäquate Ausrüstung (apparativ). Anpassung von Geräten z.B. keine abnehmbaren (aspirierbaren) Kappen auf Speichelsaugern.
  • Stabile Lagerung und Tubusfixation; Einlegen einer Rachentamponade wird empfohlen. Notfallmedikation muss parat liegen.
  • Postoperative Überwachung bis die Vitalfunktionen vollständig wiederhergestellt sind. Ansprechpartner für Eltern benennen.
  • Aufnahme in 3-Monats-Recall nach dem Eingriff.
  • Zeitnahe OP-Dokumentation ist Vorschrift.

Die Zielsetzung der Behandlung unter Vollnarkose ist die vollständige konservierende und/oder chirurgische Therapie der Patientin oder des Patienten in einer Behandlungssitzung. Häufigste Indikation für eine zahnärztliche Behandlung unter Vollnarkose bei Kleinkindern ist die frühkindliche Karies (Early Childhood Caries, ECC) [1].

Forderungen an die Politik, eine bessere Versorgung von Kindern mit zahnärztlichen Narkosebehandlungen zu gewährleisten, stellte Prof. Alexander Rahman, Hannover. Aufgrund eines eklatanten Mangels an Betten für die stationäre Behandlung und Einschränkungen bei ambulanten Behandlungen von Kindern unter Vollnarkose durch den Wegbruch von Anästhesistinnen und Anästhesisten entstehen lange Wartezeiten, die derzeit bis zu einem Jahr betragen können.

Lachgassedierung zur Anxiolyse

Falls junge Patientinnen und Patienten in der Praxis von Dr. Fräsle-Fuchs nach Behandlungstraining ausreichend kooperieren können, findet die notwendige Sanierung mithilfe einer Lachgassedierung gekoppelt mit Verhaltensführung statt. Mit der Wirkweise und Anwendung der Lachgassedierung befasste sich Dr. Richard Steffen, Weinfelden, ausführlich in seinem Vortrag. Es handelt sich hierbei um eine inhalative leichte Sedation mithilfe eines Lachgas (N2O)-Sauerstoff-Gemischs mit einem Anteil von mindestens 30% Sauerstoff. Diese wirkt bewusstseinsdämpfend, angstlösend und steigert die Suggerierbarkeit, sodass Methoden der Verhaltensführung von den jungen Patientinnen und Patienten besser angenommen werden können und die für sie akzeptable Behandlungsdauer verlängert werden kann. Der Einsatz von Lachgas ist ab ca. 3 Jahren möglich, funktioniert aber nicht bei jedem Kind, wie Dr. Steffen einräumte. Zwar ist Lachgas klimaschädlich, aber insofern nachhaltig, als Narkosebehandlungen (mittels stärker klimaschädlicher Gase) vermieden werden können, die für die Betroffenen invasiver und belastender sind – unter ethischen Gesichtspunkten das entscheidendere Argument.
Ein Absaugsystem ist zum Schutz der Mitarbeitenden bei Einsatz von Lachgas notwendig; eine Lokalanästhesie zur Schmerzausschaltung ist zusätzlich zur Sedierung nötig.

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Das Mittel der Wahl für die Lokalanästhesie bei Kindern ist Articain, wie Dr. Knut Beuerlein, Gießen, feststellte (Abb. 3). Er erläuterte in seinem Vortrag pharmakologische Aspekte der Lokalanästhesie. Die Vorteile von Articain liegen in einem vergleichsweise schnellen Wirkungseintritt (1–3 min) und einer relativ langen Wirkdauer (60–220 min). Zudem besitzt Articain die geringste systemische Toxizität unter den für die Lokalanästhesie zur Verfügung stehenden Anästhetika. Es gilt, die Dosis entsprechend den Dosierungsempfehlungen für Kinder vor Behandlungsbeginn zu berechnen und genau einzuhalten (max. 4 mg/kg Körpergewicht ohne Vasokonstriktor (VC), 7 mg/kg Körpergewicht mit VC [4]), um die Notfallsituation einer LAST (Lokalanästhesie-induzierte systemische Intoxikation) zu vermeiden. Vorsicht ist zudem hinsichtlich möglicher allergischer Reaktionen angebracht. Keine Wirkung einer Lokalanästhesie ist im entzündeten Gewebe zu erwarten, da diese pH-Wert-abhängig ist.

DGKiZ/Hans Joachim Greß
Hinweise zur adäquaten Wahl und Dosierung des Lokalanästhetikums bei Kindern und Jugendlichen gab Dr. Knut Beuerlein.

Ausblick

Die nächste Jahrestagung der DGKiZ findet vom 15.05. bis 17.05.2025 im World Conference Center in Bonn statt. Unter dem Motto „Das Lächeln der Zukunft“ werden die Schwerpunktthemen „Kommunikation mit Kindern, Eltern und im Team“ sowie „Endodontie im Milch- und Wechselgebiss“ in spannenden Vorträgen und Workshops praxisnah und interaktiv beleuchtet.

Informationen unter: https://dgkiz-jahrestagung2025.de

Autor

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Redaktion Dentalwelt

Sources

1 Rahman A, Hinrichs-Priller J Ambulante zahnärztliche Behandlung von Kindern und Jugendlichen in Allgemeinanästhesie. Oralprophylaxe Kinderzahnmedizin. 2022;44(4):22-25. https://doi.org/10.1007/s44190-022-0632-3

2 Sümpelmann R, Becke K, Brenner S, Breschan C, Eich C, Höhne C, Jöhr M, Kretz FJ, Marx G, Pape L, Schreiber M, Strauss J, Weiss J. Perioperative intravenous fluid therapy in children: guideline from the Association of the Scientific Medical Societies in Germany. Pediatr Anesth. 2017;27(1):10–18

3 Weiss M, Vutskits L, Hansen TG, Engelhardt T. Safe Anesthesia For Every Tot – The SAFETOTS initiative. Curr Opin Anaesthesiol. 2015;28(3):302–307

4 Daubländer M. Lokalanästhesie bei Kindern und Jugendlichen. Pharmakologie und Toxikologie der Lokalanästhetika und Vasokonstriktoren. Quintessenz Zahnmedizin. 2019;70(7): 830-837

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