Professor Grubeanu, das Präparat Emdogain® ist mit mehr als 600 Humanstudien und über 1.000 Peer-Review-Publikationen, darunter 10-Jahres-Daten und human-histologische Untersuchungen [1,2,3] sehr gut dokumentiert. Dennoch scheint es in der Wahrnehmung der Zahnärzte und Zahnärztinnen ein Nischenprodukt zu sein. Wie sehen Sie das?
Prof. Grubeanu: Emdogain® ist das einzige wissenschaftlich fundierte Biomaterial, wenn es darum geht, die Regeneration verloren gegangener Parodontalgewebe auf sichere, einfache und vorhersehbare Weise einzuleiten. Für mich ist es der Goldstandard.

Die Parodontitis-Behandlung sollte nicht nur zu klinischen Verbesserungen führen, sondern auch zu einem Defektverschluss durch parodontale Regeneration. Diese definiert sich durch die Neubildung von Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen an einer zuvor Plaque-exponierten Wurzeloberfläche einer parodontalen Läsion [4].
Klinische Langzeitstudien zeigen auf, dass Emdogain den Zahnerhalt wirksam unterstützen und den Zahnfleischrückgang umkehren kann.
Emdogain stimuliert bestimmte Zelltypen, die an der Wundheilungskaskade der Weich- und Hartgeweberegeneration beteiligt sind und fördert somit das Wachstum von Bindegewebe und Knochen am Zahn [5,6]. Die S3-Leitlinie von 2020 empfiehlt den Einsatz von Schmelz-Matrix-Proteinen für die regenerative Behandlung von parodontalen Taschen, und zwar basierend auf Evidenz.
In chirurgischen Therapieansätzen werden zellproliferative Effekte von Schmelzmatrixproteinen vielfach genutzt. Der Trend geht jedoch verstärkt in Richtung Minimalinvasivität. Seit 2019 ist Emdogain auch als EmdogainFL – flapless – für die geschlossene PAR-Therapie ohne Lappenpräparation verfügbar. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Prof. Grubeanu: Der neue Behandlungsansatz ist eine wirklich fantastische Entwicklung für Emdogain. Keine Patientin und kein Patient wird einer chirurgischen Therapie den Vorzug geben, wenn es eine weniger invasive Lösung gibt, die ebenso effektiv ist. Endlich wird nicht geschnitten; endlich wird nichts aufgemacht, das ist die unmittelbare erleichterte Reaktion unserer Patienten.
Emdogain Fl ist patientenfreundlich und reduziert postoperative Komplikationen wie Schmerzen und Schwellungen um fast 50%. Darüber hinaus verkürzt es die Behandlungszeit um fast die Hälfte.
Die Flapless-Option ist also eine wichtige alternative Behandlungsmethode zum klassischen parodontalchirurgischen Vorgehen mit Lappenpräparation, zumal Parodontitis eine Volkskrankheit ist. Allein in Deutschland sind 35 Millionen Menschen an Parodontitis erkrankt; die Anzahl steigt mit zunehmendem Lebensalter. Mehr als die Hälfte der Menschen ab 35 Jahren sind bereits betroffen (lt. DMS V). Bei Menschen ab 65 Jahren sind es fast 2 Drittel (65 %) und 90% sind es bei der hochbetagten Bevölkerung [8].
Eine Behandlung mit Emdogain® FL steigert also die Patientenakzeptanz für eine PAR-Therapie?
Prof. Grubeanu: Ja es wird eine deutliche Steigerung erzielt. Die Behandlung ist minimalinvasiv, patientenfreundlich und effizient. Die Vorteile in Verbindung mit einer beschleunigten Heilung und guten langzeitstabilen Ergebnissen steigert darüber hinaus die Patientenzufriedenheit.
Es ist davon auszugehen, dass bei 70% der Implantatinsertionen diese im parodontal vorgeschädigten Gebiss erfolgen. Mein Therapieziel ist, eine Parodontitis zu minimieren und in engmaschigen Untersuchungen nachhaltig zu kontrollieren. Ist die Parodontitis dann ausgeheilt, respektive nicht aktiv, können wir unsere Patienten hervorragend mit Implantaten versorgen. Aber es sollte uns bewusst sein: Jeder von uns implantiert mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem ehemaligen Parodontitis-Patienten. Und eine erhöhte parodontale Anfälligkeit führt zu einem erhöhten Risiko für Periimplantitiden, zu Knochen- und Implantatverlust [9].
Sie sagten, dass Emdogain FL ebenso effektiv ist wie der parodontalchirurgische Ansatz. Welche Indikationen sehen Sie für das nicht-chirurgische Verfahren?
Prof. Grubeanu: Das Verfahren ohne Lappenbildung mit Emdogain FL ist für Zähne ohne Furkationsbeteiligung oder Rezessionsdefekte für intraossäre Defekte und parodontale Taschentiefen von 5 bis 9 mm empfohlen. Ich persönlich setze es bei Taschentiefen ab 4 mm ein und immer in Verbindung mit einer geschlossenen Kürettage. Die Tasche heilt sehr gut aus. Diesen Erfolg erkennen auch unsere Patienten.
Darüber hinaus halte ich den Einsatz für effektiv bei der kurativen Behandlung von periimplantären Erkrankungen im frühen Stadium, also bei der periimplantären Mukositis. Studien haben gezeigt, dass Emdogain die periimplantäre Weichgewebe- und Wundheilung anregt und fördert. [10,11,12]
Zusätzlich kann Emdogain FL für eine frühzeitige Heilung von parodontalen Weichgewebswunden verwendet werden, die durch die Instrumentierung von parodontalen Zahnfleischtaschen entstehen. Ich setze Emdogain FL nach der Parodontitis-Behandlung prophylaktisch ein. Also immer nach der erfolgten Kürettage. Der Zahn wird unter Anästhesie gesäubert, poliert und in derselben Sitzung wird Emdogain FL in die Tasche appliziert.
Können Sie kurz Ihre Vorgehensweise beim Einsatz von Emdogain FL aufzeigen?
Prof. Grubeanu: So wie das Behandlungsprotokoll es vorsieht, erfolgt eine gründliche mechanische Instrumentierung der Wurzeloberfläche unter Anästhesie. Nach Spülen mit steriler Kochsalzlösung, Konditionierung der Wurzeloberfläche mit ph-neutralem, 24-prozentigem EDTA, z.B. PrefGel® von Straumann, zur Entfernung der Schmierschicht (smear layer) und nochmaligem Spülen kann Emdogain FL in die Parodontaltasche appliziert werden. Mit dem speziellen Aufsatz, der feinen Kanüle, ist der Boden der Parodontaltasche gut zu erreichen. Anschließend wird der Gingivalsaum vorsichtig gegen den Zahn adaptiert, bis das Zahnfleisch den Zahn umschließt.
In den folgenden 6 Wochen sollten der Patient bzw. die Patientin bei der üblichen Mundhygiene keine Interdentalraumbürstchen nutzen, so wie es auch im Manual des Herstellers beschrieben wird. Dann erfolgt die erste Kontrolle in der Praxis und anschließend alle 3 Monate im ersten Jahr. Ein radiologisches Ergebnis erhält man bei dieser Methode nach frühestens 8 Monaten. Wie die Tasche ausheilt, ist klinisch schon nach wenigen Wochen zu sehen.
Übernehmen Krankenkassen diesen Behandlungsansatz?
Prof. Grubeanu: Private Krankenkassen übernehmen die Kosten nach Erstellung eines Kostenvoranschlags. Patientinnen und Patienten, die in der gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, müssen diese Leistung als Selbstzahler übernehmen. Konkrete Hinweise für die Abrechnung finden sich im Abrechnungsleitfaden für Emdogain und Emdogain FL, den das Unternehmen Straumann bereitstellt. Derzeit wird der Leitfaden aktualisiert.
Ergeben sich denn wirtschaftliche Vorteile für die Praxis?
Grubeanu: Wirtschaftliche Vorteile ergeben sich dadurch, dass sich vermehrt die Patienten/-innen minimalinvasive und für beide Seiten zeitsparende Therapie wünschen. Ich sehe also in der Außenwirkung einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Unsere Patientinnen und Patienten erkennen selbst wie gut eine Tasche, die mit Emdogain FL behandelt wurde, ausheilt.
Das Behandlungsprotokoll für Emdogain FL scheint einfach, praktisch und sowohl patienten- als auch anwenderfreundlich zu sein. Empfiehlt es sich, den Therapie-Ansatz zu delegieren, zum Beispiel an die DH?
Grubeanu: Grundsätzlich ist es möglich und gestattet. Dennoch kommt von mir ein klares Nein, das würde ich nicht delegieren! Wir Zahnärzte haben mit Emdogain und Emdogain FL ein hervorragendes Produkt, einen „Diamanten“, für eine echte parodontale Regeneration in der Hand. Die parodontologische Qualifikation ist für die gewünschten Ergebnisse unabdingbar, denn die richtige Indikationsstellung für die weniger traumatische Vorgehensweise obliegt uns Ärzten. Dann ist das Verfahren für die Parodontologie und Implantologie prognostisch sicher und mit einem hohen Patientenkomfort verbunden.
Das hier vorgestellte Interview ist eine von der Redaktion gekürzte Version. Das ausführliche Interview mit Prof. Dr. Grubeanu führte Dr. Aneta Pecanov-Schröder.
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