Dr. med. dent. Elmar Ludwig
Die Folgen sind Mundgeruch, Zähneknirschen, Schmerzen und aggressives Verhalten. Zudem hat eine schlechte Mundgesundheit Einfluss auf allgemeine Erkrankungen wie z.B. Lungenentzündungen [4–6], Diabetes, Arthritis, sowie Gefäßerkrankungen [7]. Auch Zusammenhänge zwischen schlechtem Mundgesundheitsstatus und Gebrechlichkeit werden diskutiert [8]. Die Teilhabe am Leben wird so vielfältig eingeschränkt und zudem wird auch der Alltag der Pflegekräfte zusätzlich belastet. Ziel der zahnärztlichen Prävention im sogenannten 4. Lebensabschnitt muss es deshalb sein, bei professionell Pflegenden und pflegenden Angehörigen ein Problembewusstsein zu schaffen sowie bedarfsorientierte Pflegekompetenzen zu vermitteln.
Problembewusstsein schaffen
Zur Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege hat die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg ein Programm für die Pflegeausbildung mit Vorträgen, Skripten, Lehrfilmsequenzen, praktischen Übungen und Lernzielkontrollen erarbeitet (Abb. 2). Für die Fortbildung examinierter Pflegekräfte steht ebenfalls eine Vielzahl an Lernmitteln zur Verfügung. Eine „Diashow“ zeigt z.B. pathologische Veränderungen in der Mundhöhle (Abb. 3). Mit einem Phantomkopf können Pflegemaßnahmen sowie das Einund Ausgliedern einer Prothese geübt werden. In einem Mundpflegestandard sind alle wesentlichen Informationen auf einer Seite zusammengefasst und auf der sogenannten Pflegeampel lassen sich Pflegemaßnahmen individuell angepasst dokumentieren (Abb. 4 und 5). Die Landeszahnärztekammer bringt sich darüber hinaus in der geriatrischen Fortbildung der Ärzte im Land ein und auf Anfrage werden für Betroffene sowie pflegende Angehörige Fortbildungen bzw. Informationsveranstaltungen angeboten. Dr. med. dent. Elmar Ludwig
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LKZ BW
LKZ BW 7/2018
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Ein weiterer hilfreicher Ratgeber für professionell Pflegende bzw. unterstützende Personen ist das Handbuch der Mundhygiene (Abb. 6). Dieser sogenannte Pflegekalender wurde 2017 in Abstimmung verschiedener Organisationen (BZÄK/DGAZ/AG ZMB) überarbeitet. Eine aktuelle PDF-Version kann z.B. von der Homepage der LZK BW heruntergeladen oder auch direkt dort angefordert werden. Daneben haben die Bundeszahnärztekammer und das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) die wichtigsten Hinweise zur Mund- und Zahnpflege in einem Ratgeber „Mundpflege – Praxistipps für den Pflegealltag“ sowie in 12 Kurzfilmen zusammengefasst. Natürlich bietet auch die Deutsche Gesellschaft für Alterszahnmedizin e.V. (DGAZ) über ihre Homepage verschiedene Schulungsmittel an.
Pflegekompetenzen vermitteln
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Aspiration vermeiden und rückengerecht arbeiten
Aspiration vermeiden
Schluckstörungen sind in der Altersgruppe 65+ mit ca. 13% keine Seltenheit. Etwa 50% aller Senioren in Pflegeeinrichtungen und 75% der Menschen mit fortgeschrittener Demenz sowie 50% der Menschen mit neurologischen Erkrankungen (Schlaganfall, Parkinson, Multiple Sklerose) können nicht sicher schlucken. 90% aller Pneumonien sind Aspirationspneumonien. Wenn kein Hustenreflex vorhanden ist, besteht akute Aspirationsgefahr [9,10].
Maßnahmen zur Vermeidung einer Aspiration:
- Person ist wach und leistungsbereit und nicht von anderen Aktivitäten erschöpft
- Vertrauen schaffen – Brille, Hörgerät kontrollieren – Zuschauer stören eher
- Überforderung vermeiden – erzeugt Frustration und Aggression
- Geschwindigkeit den Möglichkeiten der Person anpassen – kein Zeitdruck
- aufrechte Sitz- und Kopfhaltung (am besten 90°) für guten Tonus im Rumpf bzw. im Kehlkopf sowie für gute Übersicht – die unterstützungsbedürftige Person soll sehen, wenn etwas zum Mund geführt wird und was das ist
- Kinn zur Brust geneigt erleichtert das Schlucken (Chin-Tuck- Position)
- bei Seitlagerung Kopf zur Matratze geneigt
- Anleitung – genau beschreiben, was geplant ist und was geschieht (v.a. bei Sehschwäche)
- nicht gleichzeitig im Mund arbeiten und dabei Fragen stellen
- Zahnbürste/Instrumente in „physiologischer Bahn“ zunächst von vorn unten etwa im 45°-Winkel und dann in einer waagerechten „Bahn“ zum Mund führen (so, wie man selbst einen Löffel zum eigenen Mund führen würde)
- immer wieder ausreichend Gelegenheit und Zeit zum Schlucken geben, ggf. auch mehrmals nachschlucken lassen
- bei feuchter/gurgelnder Stimme die Person auffordern, sich zu räuspern und dann nochmals zu schlucken
- Plastikbecher für Nase ausschneiden – Trinken möglich, ohne den Kopf weit nach hinten nehmen zu müssen
- Wasser zum Ausspülen z.B. mit Minzgeschmack, wird besser wahrgenommen
- Mund ausspülen – nur kleine Schlucke nehmen lassen, ggf. mit Teelöffel verabreichen
- alternativ Kompressen/Pflaumentupfer zum Auswischen der Mundhöhle
Rückengerecht arbeiten
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Mundpflege am Stuhl / im Sitzen (Abb. 9a und b)
Mit breitbeinigem Stand und federnden Knien wird die Belastung im Rücken über die Beine abgeleitet. Zusätzlich kann die pflegende Person den eigenen Körper am Rollstuhl, der Schulter und dem Kopf der unterstützungsbedürftigen Person abstützen. Der Kopf wird dabei von hinten im Sinne des Kieferkontrollgriffes („liebevoller Schwitzkasten“) gestützt und geführt. Dr. med. dent. Elmar Ludwig
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Bei Seitlagerung und weit nach unten gefahrenem Bett ermöglicht die Haltung auf den Knien mit Abstützung der Ellenbogen auf der Matratze eine rückengerechte Arbeitsposition. Besser allerdings ist auch hier das Arbeiten im Stand mit Abstützung der Hüfte (siehe auch Abb. 11c bis e). Auch Angehörige können in diese Techniken eingearbeitet werden (Abb. 13).
Fazit
Voraussetzung für die Zahn-, Mund- und Zahnersatzhygiene in der Pflege ist eine gute Anleitung der notwendigen Pflegemaßnahmen, um bei rückengerechter Arbeitshaltung Aspiration zu vermeiden.
Erstpublikation des Artikels in prophylaxe impuls; 23; 14-22, 2019
Weitere Informationen:
Die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg hat auf ihrer Homepage eine Vielzahl an Unterstützungsmitteln eingestellt: www.lzk-bw.de – Zahnärzte – Alters- und Behindertenzahnheilkunde, u.a.:
- Barrierefreiheit: z.B. ein Hinweisblatt zu Schluckstörungen in der zahnärztlichen Behandlung sowie weitere nützliche Informationen,
z.B. für Zugang zu und Umgang mit demenziell erkrankten Menschen (Beziehungsgestaltung bei Demenz) - Fortbildung: verschiedene Fortbildungsformate für das gesamte Praxisteam
- Flyer und Formulare: z.B. Pflegeampel/Mundhygieneplan sowie weitere Hilfsmittel zur Informationsübermittlung
- Vortrags- und Filmkommentierungen: Lehr- und Lernmittel für die Schulung von professionell Pflegenden bzw. pflegenden Angehörigen
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