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DGKiZ-Kongress 2024

Zurückhaltendes Kariesmanagement hat viele Vorteile

Nicht oder gering invasive Methoden des Kariesmanagements können bereits bei sehr jungen Kindern erfolgreich durchgeführt werden, schonen die Zahnsubstanz, und ihre Wirksamkeit ist inzwischen durch Studien belegt. Expertinnen und Experten haben diese Methoden auf dem wissenschaftlichen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) vorgestellt. Dieser fand begleitend zur 31. Jahrestagung dieser Fachgesellschaft in Erlangen unter dem Motto „Kinderzahnmedizin im Wandel der Zeit“ vom 26. bis 28. September statt.

DGKiZ/Hans Joachim Greß
Abb. 1: Prof. Richard Wierichs stellte die noninvasiven und mikroinvasiven Methoden des Kariesmanagements, die in der Berner Universitätszahnklinik zum Einsatz kommen, vor.
Abb. 1: Prof. Richard Wierichs stellte die noninvasiven und mikroinvasiven Methoden des Kariesmanagements, die in der Berner Universitätszahnklinik zum Einsatz kommen, vor.
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Der Kongress verdeutlichte die Zusammenhänge zwischen einem modernen Kariesmanagement, einer adäquaten Schmerzausschaltung und der Vermeidung von Behandlungen unter Allgemeinanästhesie: So können mikroinvasive Methoden oftmals auch bei jungen Kindern mit geringer Behandlungsfähigkeit durchgeführt werden, um einen Aufschub invasiverer Behandlungen in ein späteres Alter zu erwirken. Zudem schonen sie die Zahnhartsubstanz und ermöglichen im bleibenden Gebiss einen längeren Zahnerhalt, indem zunächst zurückhaltend restauriert wird, sodass die Restaurationsspirale, die den langfristigen Zahnerhalt bedroht, nur langsam beschritten wird.

Die ganze Bandbreite noninvasiver und mikroinvasiver Methoden des Kariesmanagements präsentierte Prof. Richard Wierichs, Bern, auf dem von Oral-B gesponserten Vorkongress (Abb. 1). Nach Sichtweise der ökologischen Plaquehypothese wird Karies als ein kontinuierlicher multifaktorieller Prozess der Demineralisierung von Zahnsubstanz gesehen [1]. Daher, so Wierichs, solle eine adäquate Therapie abhängig vom Stadium und der Aktivität der Karies gewählt werden.

DGKiZ/Hans Joachim Greß
Kongresseröffnung mit Frau Prof. Katrin Bekes und Dr. Nelly Schulz-Weidner

In der Berner Universitätszahnklinik, in der Prof. Wierichs tätig ist, werden im Rahmen des noninvasiven Vorgehens zunächst die Stellschrauben Ernährung, Mundhygiene und Mineralisierung betätigt. Bei Schmelzkaries kommt darüber hinaus die nicht restaurative Kavitätenkontrolle (NRCC) infrage. Diese bewirkt durch Fluoridzufuhr (z.B. Fluoridlack) und regelmäßiges Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta eine Arretierung der Karies. Für eine Remineralisierung der Zahnsubstanz und Deaktivierung der Karies ist eine gute Putzbarkeit Voraussetzung, die durch Öffnung der Kavität hergestellt wird. Bei interdentalen Läsionen kann ein Slicen der Zähne notwendig sein.

Fissurenversiegelungen werden in der Berner Klinik nicht nur präventiv bei Kindern mit hohem Kariesrisiko aufgebracht, sondern auch zur Behandlung von Initialkaries genutzt. Eine weitere Behandlungsoption bei nicht kavitierten Milchzähnen sowie bei bleibenden Zähnen stellt die Infiltration der kariösen Hartsubstanz nach Säureätzung mittels eines dünnfließenden Kunststoffs (ICON®, DMG Dental) dar. Dieser wird lichtgehärtet und wirkt als Barriere. Zur Arretierung von Karies ohne vorherige Kariesentfernung kann im Off-Label-Use Silberdiaminfluorid (SDF) auf kavitierte Milchzahnflächen aufgebracht werden, wobei allerdings mit einer Verfärbung der Zähne zu rechnen und eine halbjährliche Wiederholung der Applikation notwendig ist. Studien belegen den Erfolg dieser nichtinvasiven und mikroinvasiven Methoden [2].

Diese Vorstellung Zahnsubstanz-schonender Techniken wurde in Referaten von Prof. Monty Duggal, Qatar, und Prof. Alaa Bani Hani, UK, vertieft: Die Hall-Krone in Kombination mit Glasionomerzement wurde als eine weitere Versorgungsmöglichkeit ohne vorherige Präparation vorgestellt. Sie bewirkt eine Versiegelung der Karies bei stark zerstörten Zähnen.

Versiegelung bei nicht kavitierten Initialläsionen möglich

Als federführender Autor des aktuellen Updates der S3-Leitlinie zur Fissuren- und Grübchenversiegelung stellte Prof. Jan Kühnisch, München, bewährtes Vorgehen wie neue Erkenntnisse zu diesem Thema vor. Unter der Versiegelung ist „der dauerhafte, präventive Verschluss von kariesanfälligen Fissuren und Grübchen mit einem Kunststoff [zu verstehen], um einer Kariesinitiation vorzubeugen bzw. kariöse Frühstadien zu arretieren“ [3]; d.h. nicht nur der präventive Einsatz ist vorgesehen, sondern auch das minimalinvasive Management von nicht kavitierten Läsionen.

Bezüglich der praktischen Umsetzung stellte Prof. Kühnisch fest, dass Versiegelung als eine harmonische 4-händige Teamarbeit von Zahnarzt bzw. Zahnärztin mit einer Assistenz anzusehen sei. Die Versiegelung solle unter relativer Trockenlegung erfolgen, die Konditionierung – bevorzugt mit einem 35–37%igem Phosphorsäure-Gel – dürfe eine Dauer von 30 s nicht unterschreiten. Auf einen blasenfreien, sparsamen Auftrag des Versieglers – weniger sei hier mehr! – muss zudem geachtet werden. Bezüglich des Materials stellte der Referent fest, dass niedrigvisköse, Methacrylat-basierte Versiegelungskunststoffe, in Verbindung mit Säurekonditionierung, am effektivsten sind. 3-in-1-Versiegler ohne eine Säurekonditionierung können nicht empfohlen werden. Erstmals in der Leitlinie berücksichtigt: MIH-Zähne sollen versiegelt werden, da ein signifikanter kariesprotektiver Effekt erreicht werden kann.

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Im Falle eines partiellen Versagens einer Versiegelung empfiehlt die Leitlinie im Sinne der Nachhaltigkeit keine Neuversiegelung, sondern eine Reparatur der insuffizienten Versiegelung. Das Monitoring der versiegelten Molaren sei wichtig, denn „Versiegler sind 100% effektiv zur Vorbeugung der Fissuren- und Grübchenkaries, solange diese vollständig intakt sind“ [4].

Das Update der S3-Leitlinie Fissuren- und Grübchenversiegelung wird in den nächsten Wochen online verfügbar sein.

Ausblick

Die nächste Jahrestagung der DGKiZ findet vom 15.05. bis 17.05.2025 im World Conference Center in Bonn statt. Unter dem Motto „Das Lächeln der Zukunft“ werden die Schwerpunktthemen „Kommunikation mit Kindern, Eltern und im Team“ sowie „Endodontie im Milch- und Wechselgebiss“ in spannenden Vorträgen und Workshops praxisnah und interaktiv beleuchtet.

Informationen unter: https://dgkiz-jahrestagung2025.de

Autor

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Redaktion Dentalwelt

Sources

1 Paris S, Meyer-Lückel H: Paradigmenwechsel. In: Meyer-Lückel, Hendrik; Paris, Sebastian; Ekstrand, Kim R. (Hrsg.) Karies – Wissenschaft und Klinische Praxis. Thieme, Stuttgart 2012, S. 70-75.

2 Dorri M, Dunne SM, Walsh T, Schwendicke F. Micro-invasive interventions for managing proximal dental decay in primary and permanent teeth. Cochrane Database Syst Rev. 2015;2015(11):CD010431. Published 2015 Nov 5. doi:10.1002/14651858.CD010431.pub2

3 S3-Leitlinie Fissuren- und Grübchenversiegelung 2024. AWMF-Registernummer 083-002. Update für 2017; https://www.dgzmk.de/

4 National Institut of Health, 1984

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