Getting your Trinity Audio player ready...
|
Die grundsätzlichen Fragen zur Methode der intraligamentären Anästhesie sind seit Beginn der 1980er Jahre beantwortet und publiziert worden. Der Ausbreitungsweg des Anästhetikums nach intraligamentaler Injektion ist bekannt, die histologischen und systemischen Aspekte sind aufgeklärt und international publiziert. Heute sind es die Praktiker/-innen, die wesentliche Beiträge zur sicheren Anwendung dieser minimalinvasiven Lokalanästhesiemethode leisten.
Indikationen und Risiken der ILA
Die intraligamentäre Anästhesie ist für fast alle in der zahnärztlichen Praxis vorkommenden Behandlungen indiziert:
- bei restaurativen Maßnahmen an einzelnen Zähnen, Kavitäten- und Kronenpräparationen,
- bei endodontischen Behandlungen,
- bei erforderlichen Nachinjektionen unter Kofferdam,
- zur Differential-Diagnose unklarer pulpitischer Beschwerden,
- bei Einzelzahnextraktionen im Milch- und im Dauergebiss,
- bei lokalisierten PAR-Eingriffe, z.B. Exzisionen kleineren Umfangs und Parodontitisbehandlungen (geschlossenes Vorgehen) sowie
- zur Komplettierung partieller Anästhesieversager bei Leitungsanästhesien.
Prioritär angewandt werden sollte die intraligamentäre Anästhesie
- bei Risikopatienten/-innen nach Herzinfarkten, kardialen Bypässen u.a. Leiden sowie kreislauflabilen Patienten/-innen,
- bei Patienten/-innen mit hämorrhagischer Diathese und Marcumarmedizierten,
- zur Vorbeugung postoperativer Verletzungen, z.B. bei Kindern und Behinderten.
Die Risiken und unerwünschten Effekte bei der örtlichen Betäubung mittels der üblicherweise in der zahnärztlichen Praxis angewandten Leitungs- und Infiltrationsanästhesie sind dem/der praktizierenden Zahnarzt/-ärztin hinlänglich bekannt. Die Effekte der intraligamentären Anästhesie unterscheiden sich davon signifikant (Tab. 1). Aus Gründen der Behandlungssicherheit ist – nach Erhebung der Anamnese und vor Behandlungsbeginn – der/die Patient/-in über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten der Schmerzausschaltung, die Risiken und unerwünschten Effekte der in Betracht kommenden Lokalanästhesiemethoden aufzuklären.
Risikoabwägung | Anästhesie des N. alveolaris inferior | Terminal- oder Infiltrations-anästhesie | Intraligamentäre Anästhesie (ILA) |
Injektion unter Sichtkontrolle | nein | ja | ja |
durchschnittliche Injektionsmenge [4] | 2,4 ml | 2,6 ml | 0,3 ml |
direkte intravasale Injektionen | 11–20% | möglich | nicht möglich |
Taubheit von Lippe, Wange und Zunge | 3 Stunden und länger | 2,5 Stunden und länger | keine |
partielle Anästhesieversager | bis 20% | bis 25% | ca. 2% [7] |
Belastung des H/K-Systems | signifikant | signifikant | gering |
ggf. erforderliche Nachinjektion | hohe Belastung | hohe Belastung | geringe Belastung |
Nervläsionen | N. alveolaris inferior N. lingualis | nein | nein |
Weichteilhämatome bei z. B. Marcumarmedizierten | hohes Risiko | nicht auszuschließen | nein |
Injektionslatenzzeit | 3 Minuten und länger | 2,5 Minuten und länger | kurz, 30 Sek. |
psychische Beeinträchtigung der Patienten/-innen | beträchtlich | beträchtlich | gering |
Injektionsschmerz | gering | deutlich | sehr gering |
Vorübergehender Druckschmerz, Elongationsgefühl | nicht relevant | nicht relevant | weitgehend iatrogen |
Auftreten einer Bakteriämie | kaum | kaum | häufiger |
Tab. 1: ILA im Vergleich mit der Infiltrations- bzw. Leitungsanästhesie in Bezug auf Risiken und unerwünschte Effekte [3]. |
Eine erfolgreich angewandte intraligamentäre Anästhesie, d.h.
- für die Patienten/-innen kein Injektionsschmerz,
- unverzügliche Schmerzausschaltung ohne Latenz,
- tiefe, auf einen engen Bereich – i.d.R. auf einen Zahn – begrenzte Kurzzeit-Anästhesie sowie
- keine unerwünschten Nebeneffekte nach Abklingen der Anästhesie setzt ihre Beherrschung voraus. Manuelle Fertigkeiten, das trifft auch auf die ILA zu, sind erlernbar – wenn nicht während des Studiums, dann in Eigeninitiative oder auf Fortbildungsseminaren. Die sichere Beherrschung der Methode und adäquate Materialien – Spritzen, Kanülen und Anästhetika – sind Voraussetzung für eine erfolgreiche intraligamentäre Anästhesie.
Wissenstransfer von Praktiker zu Praktiker/-innen
Seit mehreren Jahren praktiziert Walter ZUGAL die ILA; die Anwendung entspricht dem veröffentlichten Stand der Wissenschaft und Klinik [2,1,3]. Zum Zwecke des Wissenstransfers wurden von ihm in einem definierten Zeitraum die Daten der Lokalanästhesie dokumentiert, auch um zu zeigen, dass die guten Anästhesieerfolge bei der intraligamentären Anästhesie sicher reproduzierbar sind [7]. Für die Anwendung wurde neben den handelsüblichen CITOJECT-Spritzen die Dosierrad-Spritze verwendet. Das Injektionssystem wurde durch systemadaptierte ILA-Injektionsnadeln mit einem Durchmesser von 0,3 mm, kurzer Länge von 13 mm mit kurzem Anschliff komplettiert (Abb. 1). Der Faktor Injektionszeit hat einen wesentlichen Einfluss auf den aufzubauenden Injektionsdruck zur Überwindung des Gewebewiderstands [6]. Mit zunehmender Injektionszeit vermindert sich der zu überwindende Gegendruck. Offensichtlich wird das injizierte Volumen Anästhetikum vom Gewebe langsam resorbiert, sodass mit verlängerter Injektionszeit der Injektionswiderstand (Gegendruck) abnimmt [8].

Als Anästhetikum wurde, wegen der gewünschten gefäßverengenden Wirkung, Articain mit Adrenalin 1:200.000 (z.B. Ultracain D-S oder Ubistesin) verwendet, was auch üblicherweise für Leitungs- und Terminalanästhesien appliziert wird. Die für die klinische Bewertung erforderliche Zahl der durchzuführenden Einzelzahnanästhesien wurde mit 200 festgelegt. Für jeden Zahn wurde ein Erfassungsbogen angelegt, um evtl. erforderliche Zusatzanästhesien einzelnen Zähnen zuordnen zu können. Entsprechend dem Stand der Wissenschaft wurden pro Zahnwurzel 0,2 ml Anästhetikum in mindestens 20 Sekunden injiziert.
Bei zwei- bzw. dreiwurzeligen Zähnen erfolgte je eine distale, eine mesiale und ggf. eine Injektion in die Furkation. Die Injektionszeit für die zweite Injektion war in der Tendenz länger (> 20 Sek.); bei erforderlichen dritten Injektionen – z.B. bei dreiwurzeligen Zähnen – muss die Injektionszeit deutlich verlängert werden (≥ 25 Sek.). Dadurch kann minimalen Bewegungen des Zahnes im Zahnfach vorgebeugt werden, da das injizierte Anästhetikum nur langsam in das zahnumgebende Gewebe diffundiert. Wird zu schnell injiziert – und damit mit zu hohem Druck – kann es zu einer Auslenkung des Zahnes im Alveolarfach kommen.
Während der Injektion wird ein Flüssigkeitsvolumen in einen Raum gepresst, der bereits vollständig ausgefüllt ist. Da Flüssigkeiten inkompressibel sind, kann es bei zu schneller Injektion zu einer Dehnung des Alveolarfaches oder einer Verlagerung des parodontalen Flüssigkeitspolsters nach Art eines hydraulischen Druckausgleichs kommen [5]. Die in der Literatur beschriebenen – reversiblen – unerwünschten Effekte wie Elongationsgefühl, Druckschmerz oder Vorkontakte nach Abklingen der intraligamentären Anästhesie können die Folgen zu schneller Injektionen sein. Da bei der ILA jegliche Latenzzeit entfällt, kann die Behandlung sofort nach Ende der Injektion beginnen. In der Regel ist die Anästhesie nach ca. 30 Sekunden – also sofort nach Ende der Injektion – bereits tief und vollständig ausgeprägt.

Die Injektionspunkte für intraligamentale Injektionen liegen dicht am Zahnhals. Eine gefühlvolle, auf die Anatomie der Patienten/-innen abgestimmte Insertion der Kanülenspitze in den Sulkus ist zur Erreichung einer ausgeprägten Anästhesie von wesentlicher Bedeutung. Die Kanülenspitze wird in einem Winkel von ca. 30° entlang des Zahnhalses etwa 1 bis 2, max. 3 mm in den Sulkus eingeführt, bis sie Knochenkontakt hat (Abb. 2). Wenn die Kanüle einen festen Halt gefunden hat, erfolgt die Injektion. Dabei ist behutsam, durch langsame – gefühlvolle – Injektion, der Gegendruck des Parodontalgewebes zu überwinden. Das angediente Anästhetikum wird vom Gewebe resorbiert und breitet sich intraossär aus. Bei der Injektion muss während der gesamten Dauer ein leichter Gegendruck spürbar sein, der durch eigenen, gefühlvollen Injektionsdruck zu überwinden ist. Der vom Behandler/-in aufzubauende Druck ist umso geringer, je länger die Injektionszeit ist; er ist von Zahn zu Zahn unterschiedlich. Der Anästhesieerfolg tritt unverzüglich – ohne Latenz – ein. Mit Abschluss der Injektion ist die intraligamentäre Anästhesie meistens schon tief ausgeprägt, sodass die Behandlung sich sofort anschließen kann.
Eine Gewöhnung an die „neue“ Methode der Lokalanästhesie, ILA, und eine Einübung der Einzelzahnanästhesie – das Einführen der Kanülenspitze entlang des Zahnhalses in den Sulkus – kann am frischen Schweinekiefer leicht und sicher eingeübt werden.
Keine Kommentare.