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Professionelles Biofilmmanagement bei Kindern

Prophylaxe im Kinder- und Jugendgebiss – Hokuspokus oder wie verschwinden Plaque & Co?

Kinder haben wie Erwachsene einen gesetzlichen Anspruch auf die sogenannte Individualprophylaxe in der zahnärztlichen Praxis. Neben der auf das Alter und den Befund angepassten Aufklärung der Kinder und Eltern über die Mundgesundheit, wie es bereits in den vorgeschalteten zahnmedizinisch-individualprophylaktischen Präventionsleistungen (die sogenannten zahnärztlichen Frühuntersuchungen (FUs)) für Kleinkinder ab dem sechsten Lebensmonat etabliert ist, können auch regelmäßig Maßnahmen zur professionellen mechanischen Plaquereduktion (PMPR) stattfinden. Ziel dieser Maßnahmen ist es, orale Erkrankungen wie Karies oder Gingivitis erst gar nicht entstehen zu lassen beziehungsweise frühzeitig zu erkennen und einer Verschlimmerung entgegenzuwirken. Hierfür steht eine Vielzahl von Methoden zur Instrumentierung der Zahnoberfläche von Milch- und bleibender Dentition zur Verfügung. Bei der Instrumentenauswahl sollte unabhängig davon, ob es manuelle oder maschinelle Instrumente sind, immer grundsätzlich zwischen Nutzen und potenziellen Nebenwirkungen abgewogen werden, um eine bestmögliche Nutzen-Effektivität-Relation zu erreichen.

Autoren
Acht Jahre alter Patient mit angefärbter Plaque an allen Milch- und bleibenden Zähnen.
Acht Jahre alter Patient mit angefärbter Plaque an allen Milch- und bleibenden Zähnen.
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Eine der wichtigsten Prophylaxe-Strategien in der Prävention der Gingivitis und Karies ist die regelmäßige und vollständige Entfernung des dentalen Biofilms [1]. Im häuslichen Umfeld wird dies durch mechanische Mundhygienemaßnahmen gerade bei bzw. von Kindern und Jugendlichen häufig nicht in einem erforderlichen Niveau erreicht, welches mit „Gesundheit“ der oralen Gewebe vereinbar ist. Der dentale Biofilm stellt jedoch die Grundvoraussetzung für beide multifaktoriellen Entzündungserkrankungen dar, woraus folgt, dass die PMPR eine entscheidende und unabdingbare Ergänzung zu der häuslichen Mundhygiene auch in dieser Altersgruppe darstellt.

Nur so können beide Krankheitsbilder im besten Falle vermieden oder zumindest adäquat therapiert werden [2,3]. Gleichzeitig bietet die PMPR, insbesondere für jüngere Kinder, die Möglichkeit der Desensibilisierung für kommende zahnärztliche Behandlungen. Eine richtig durchgeführte PMPR ist dafür besonders gut geeignet, da diese auch häufig von den Eltern mit einem positiven, prophylaktischen, schmerzfreien Setting assoziiert ist. Eingebettet in die klassischen Inhalte einer PMPR, wie das Anfärben der Plaque zur Evaluation der häuslichen Mundhygiene als Ausgangspunkt für eine Schulung der Kinder/Jugendlichen und ggf. deren Eltern und der abschließenden befundabhängigen Fluoridierung, können die Maßnahmen des professionellen mechanischen Biofilmmanagements erfolgen. Hierfür stehen diverse Instrumente zur Verfügung, welche im Folgenden vorgestellt werden; dabei wird auf mögliche Besonderheiten im Kinder- und Jugendgebiss eingegangen.

Manuelle Instrumente

In diese Gruppe fallen Scaler und Küretten. Scaler besitzen einen dreieckigen Querschnitt mit zwei lateralen Schneidekanten, die ein spitzes Ende formen (Abb. 1). Aufgrund des spitzen Arbeitsendes sollten Scaler ausschließlich supragingival eingesetzt werden. Aus dem Portfolio der Küretten sind die Universalkürette zu nennen; sie kennzeichnet sich durch zwei Schneiden, einen halbrunden Querschnitt und ein abgerundetes Arbeitsende (Abb. 2). Sie kann daher sowohl supra- als auch subgingival eingesetzt werden.

Sowohl Universalscaler als auch -küretten eignen sich dazu, mineralisierte und nichtmineralisierte Auflagerungen zu entfernen, müssen jedoch für ein effektives Instrumentieren nicht nur systematisch in Bahnen bewegt, sondern auch mit einem korrekten Winkel von 70–80° zur zu bearbeitenden Oberfläche ausgerichtet werden [4]. Dafür ist eine sichere Abstützung unverzichtbar.

Trotz dieses Arbeitsaufwandes bei der Anwendung haben manuelle Instrumente in der Kinder- und Jugendzahnmedizin diverse Vorteile – sie sind ohne Wasserkühlung anwendbar, weshalb die zusätzliche Nutzung eines mitunter lauten und unangenehm empfunden Saugers zur Aerosol-/Kühlwasserkontrolle entfällt. Auch das fast geräuschlose Instrumentieren kann eine höhere Akzeptanz und Compliance bei Kindern mit wenig oder keiner Zahnarzterfahrung ermöglichen. Küretten können besonders bei lückig stehenden Zähnen des Milch- bzw. Wechselgebisses genutzt werden. Scaler bieten hingegen Vorteile bei engstehenden Zähnen wie in der Unterkieferfront oder auch zur Entfernung von Zahnstein in Bereichen von festsitzenden Retainern. Gerade bei sehr jungen Patienten sollte nach dem Prinzip des „Tell – Show – Do“ vorgegangen werden, was bedeutet, dass alle Instrumente vor der oralen Anwendung demonstriert werden sollten. Es bietet sich beispielsweise an, mit der Kürette oder dem Scaler vorsichtig auf dem Fingernagel des Patienten entlangzustreichen, um so dem Kind zu demonstrieren, was gleich im Mund passieren wird.

Maschinelle Instrumente

Ultraschallscaler

Hierunter fallen prinzipiell alle weiteren Instrumente, die auch in der Erwachsenen-Prophylaxe Anwendung finden, wobei insbesondere die Ultraschallscaler* für die PMPR bei Kinder- und Jugendlichen vorteilhaft erscheinen. Denn zum einen kann die Belagsentfernung sehr schonend und atraumatisch erfolgen, da sich die Schwingungsübertragung auf die Arbeitsspitze einstellen lässt und somit sowohl harte als auch weiche Biofilme entfernt werden, zum anderen auch das Arbeiten mit maschinellen Scalern etwas zeitsparender und ergonomischer für den Anwender erfolgen als mit Handinstrumenten [7].

Angesichts der noch relativ geringen kindlichen Aufmerksamkeitsspanne ist es in der Behandlung wichtig, die Zeit optimal zu nutzen, weshalb Ultraschallscaler eine sehr gute Alternative zu den oben beschriebenen Handinstrumenten darstellen. Dennoch sollte bedacht werden, dass die zwingend erforderliche Kühlmittelzufuhr von rund 20–25ml pro Minute wiederum die Nutzung eines intraoralen Absaugsystems bedingt. Sowohl Ultraschallscaler als auch Absaugsystem verursachen eine deutliche Geräuschentwicklung und müssen intraoral in der kleinen Mundhöhle gehandhabt werden, was von einigen Kindern nicht ohne weiteres toleriert wird. Auch kann durch die Geräuschkulisse die Kommunikation zwischen Behandler/-in und Patient/-in bzw. Patient/-in und Assistenz beeinträchtigt sein. Anderseits bietet bei stark entzündeten gingivalen Verhältnissen die Spülfunktion, die sich aus der Kühlwasserzufuhr ergibt, Vorteile, da sowohl Beläge als auch Blut weggespült werden und so zu einer besseren Übersicht im Behandlungsfeld führen.

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Auch bieten etliche Ultraschallscaler die Möglichkeit, antibakterielle Spülmittel (z.B. Chlorhexidin) als Kühlmedium zu nutzen; deren zusätzlicher Effekt ergänzend zur mechanischen Reinigung ist jedoch wissenschaftlich bisher nicht bewiesen [8]. Wirklich vorteilhaft anzumerken ist, dass bei der Arbeit mit Ultraschallscalern keinerlei Kraftaufwand nötig ist. Die Arbeitsspitze sollte mit maximal 0,5N und idealerweise mit den Seitenflächen parallel (0°-Winkel) [9], aber niemals direkt mit der Spitze in Winkeln >45° zur zu reinigenden Zahnoberfläche gehalten werden [10]. Dennoch muss beachtet werden, dass es gerade bei diesen hochfrequenten Schwingungen bis zu 40kHz zu einer starken Erhitzung des Metalls der Ultraschallansätze kommen kann. Studien haben gezeigt, dass diese Hitzeentwicklung aber auch die Schwingungsübertragung auf den (Milch-)Zahn zu Mikrorissen in der Zahnhartsubstanz führen kann [11]. Gerade der anatomische Aufbau der Milchzähne mit einer großen Pulpakammer sollte in diesem Kontext bedacht werden.

Polierbürste/-kelch und Pulver-Wasserstrahl-Geräte

Zur Entfernung von weichen Belägen bieten sich neben den seit Langem etablierten rotierenden Bürsten, Gumminapf/-kelch (Abb. 3a) in Kombination mit Reinigungspasten verschiedener Abrasionsgrade auch die Pulver-Wasserstrahl-Geräte (PWS) in Kombination mit niedrigabrasiven Pulvern an (Abb. 3b). Die Nutzung von rotierenden Polierinstrumenten ist eine gute Möglichkeit, Kinder an rotierende Instrumente in der zahnärztlichen Behandlung zu gewöhnen; primär können sie ohne Wasserzufuhr genutzt werden, ein zusätzlicher Sauger ist oftmals auch nicht nötig. Durch die zur Verfügung stehenden verschiedenen Polierpasten mit Geschmackssorten von Erdbeere bis Cola wird zudem eine Möglichkeit gegeben, die Kinder aktiv in die Auswahl der Behandlungsmittel einzubeziehen.

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Abb. 3: a) Rotierender Poliernapf in einem Winkelstück;
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Abb. 3 b) supragingivaler Ansatz eines Pulver-Wasser- Strahlgerätes mit niedrigabrasivem Pulver.

Überdies sind zu Beginn einer vertrauensbildenden Maßnahme auch Zahnpasten zur Reinigung geeignet. Überall da, wo eine Biofilmentfernung mit rotierenden Instrumenten nur unzureichend möglich ist, wie in Fissuren, Approximalräumen oder um festsitzenden KFO-Apparaturen herum, hat sich die PWS-Technologie als effiziente Alternative etabliert [12] (Abb. 4). Hierfür sollten aber unbedingt niedrigabrasive Pulver wie Glycin-, Erythritol-, Tagatose- und Trehalosepulver mit Korngröße von ≤50μm genutzt werden, um so atraumatisch wie möglich mit Hart- und Weichgeweben umzugehen, während die nichtmineralisierten Biofilme entfernt werden. Zum Schutz der Augen vor möglichen Pulverpartikeln können den Kindern Sonnenbrillen in verschiedenen Designs angeboten werden. Dies fördert zudem die Akzeptanz der Anwendung.

Die PWS-Technik bietet besonders bei der symptomatischen Behandlung der Melanodontie, umgangssprachlich auch als „Black Stain“ bekannt (Abb. 5), eine gute Möglichkeit, die häufig wiederkehrenden schwarzen Verfärbungen im marginalen Bereich der (Milch-)Zähne schonend zu entfernen.

Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Unterschiede der Verfahren des professionellen Biofilmmanagements im Kindes- versus Erwachsenenalters eher marginal sind, hingegen aber immer die systemimmanenten Vor- und Nachteile bei der Auswahl der Methode zwingend berücksichtigt werden sollten. Vordergründig ist vor allem eine gute sowie kindgerechte Erklärung und Heranführung an das Vorgehen, um eine gute Compliance zu erreichen.

Das heißt, wie beim Erwachsenen sollten neben diesen verfahrensspezifischen Aspekten unbedingt auch die patientenindividuellen Gegebenheiten und vor allem die Wünsche/Ängste der betreuten kleinen Patienten respektiert werden, um eine langfristige Adhärenz an die präventiven und prophylaktischen Maßnahmen in der Zahnarztpraxis zu gewährleisten.

Häufig kann mittels Instrumentenkombination ein individuelles Optimum im Sinne einer patientenzentrierten Betreuung erzielt werden [13], wobei die Autoren anregen, dass auch Kompromisse hinsichtlich der maximalen Effektivität der Reinigungsverfahren, aber niemals hinsichtlich möglicher Schäden erwogen werden sollten. Letztendlich ermöglichen die aufgezeigten professionellen Interventionen, dass Kinder und Jugendliche Schritt für Schritt an die zahnärztliche Behandlung gewöhnt und gleichzeitig eine gewisse Selbstverständlichkeit gegenüber der PMPR entwickeln.

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