Entgegen prospektiven klinischen Studien von Universitäten, in denen die Patienten regelmäßig organisiert zu Nachkontrolluntersuchungen einbestellt werden, sind die Wiedervorstellungen in der Praxis eher zufälliger Natur. Auch bei den Stammpatienten vergisst man nach ein paar Jahren, wann man welche Restauration wie gemacht hat; nicht immer hat man auch die Zeit und die Muße, die Karteikarte Jahre nach oben zu scrollen. Umso schöner, wenn einen die Patienten selbst auf die Versorgungen vergangener Jahre ansprechen und sich hochzufrieden äußern.
Aus klinischen Studien zu direkten Frontzahnrestaurationen mit Komposit sind das breite Spektrum der Behandlungsoptionen und die sehr guten ästhetischen Ergebnisse hierzu hinlänglich bekannt [1,2,20,22]. Ästhetische Frontzahnversorgungen in direkter Technik mit Komposit stellen für die Patienten somit eine verlässliche Versorgungsoption mit im Vergleich zu indirekten Restaurationen noch überschaubaren Kosten dar. Individuelle Vorschläge zur standardisierten Herangehensweise runden das wissenschaftliche Publikationsangebot praxisrelevant ab und erlauben eine strukturierte Herangehensweise mit vorhersehbaren ästhetischen Ergebnissen [6,7,23,25].
Im Gegensatz zu den strukturierten Recall-Untersuchungen klinischer Studien zeigen Beispiele aus der Praxis jedoch in der Regel nur initiale Baseline-Ergebnisse [8–16], die zwar das ästhetische und restaurative Potenzial einer Versorgungsvariante zeigen können, nicht aber mittel- und langfristige Performance-Einschätzungen erlauben. Dementsprechend selten sind in Fallberichten Nachuntersuchungsbilder nach mehr als 10 Jahren zu finden [3].
Interessanterweise zeigen dann diese Fälle in der Regel genau die guten Langzeitergebnisse, wie man sie aus Kurzzeitergebnissen erwartet. Ebenso interessant ist, dass die in sie gesetzten guten Erwartungen nach einer Kurzzeitevaluation von z.B. 2 Jahren [17] in der Langzeitbetrachtung nur für wenige Materialien bislang revidiert werden mussten [18].
Im Folgenden werden 2 Versorgungsfälle aus ästhetischen Behandlungsindikationen vorgestellt und abschließend anhand von Kontrollaufnahmen nach 4 bzw. 5 Jahren reevaluiert werden. Beide Fälle wurden mit ihren Ausgangsergebnissen bereits in der ZMK veröffentlicht [6,7].
Fall 1: Frontzahnumformung unter Verwendung einer einzelnen Universalfarbe
Dr. C.-P. Ernst
Die Details ihrer Wunschvorstellungen sind ausführlich in der Erstpublikation zu dem Fall beschrieben [7]. Nach einer ausführlichen Beratung konnte dann ein Behandlungskonzept für die Patientin entwickelt werden, das ihren Ansprüchen entsprach.
Die vorhandenen diskreten, aber nicht mehr farblich passenden, mesialen Approximalanbauten an den beiden mittleren Schneidezähnen wurden zunächst entfernt, die Zähne gereinigt und nach einer Oberflächenbehandlung der Klebeflächen mit einer EVAFeile (Proxoshape Flexible, Intensiv) die Kofferdamisolierung des Arbeitsfeldes vorgenommen (Abb. 2). Nach Phosphorsäurekonditionierung der Klebeflächen (Conditioner 36, Dentsply Sirona) und Applikation eines Universaladhäsivs (Prime&Bond active, Dentsply Sirona) erfolgte zunächst der Aufbau der mesialen Approximalfläche von Zahn 21 mit Hilfe einer modifizierten Verschalungstechnik über eine vertikal inserierte Teilmatrize [4,5,9,13,14]. Die Teilmatrize wurde mit Hilfe eines lichthärtenden Provisorium-Materials (Clip Flow, VOCO) mesial an Zahn 21 fixiert (Abb. 3). Dr. C.-P. Ernst
Dr. C.-P. Ernst
Vor Applikation des pastösen Füllungsmaterials wurde mit einer sehr feinen Ätzgelkanüle ein Flowkomposit approximal-zervikal eingespritzt und mit einer Explorersonde im zervikalen Randbereich ausgestrichen. Nur so kann der spitz auslaufende Bereich mit Restaurationsmaterial blasenfrei und dicht adaptierend aufgefüllt werden.
Da der erforderliche Substanzauftrag nur ein minimales Volumen hatte und keinerlei zusätzliche Abblockung eines Durchscheinens der dunklen Mundhöhle erforderlich war, ist nur die Versorgung mit einem Monomaterial wirklich sinnvoll: Für alle Schichtkonzepte war hier approximal zu wenig Platz. Da die Manipulation von Komposit in derart kleinen Dimensionen in einer Verschalung äußerst schwierig ist, kommt neben den ästhetischen Anforderungen auch den Handlingseigenschaften des Materials ein bedeutsamer Stellenwert zu: Das Material muss gut modellierbar sein, darf nicht zu stark am Instrument kleben und muss gleichzeitig eine ausreichende Standfestigkeit aufweisen, um nicht wieder unkontrolliert aus der Verschalung herauszufließen.
Die Wahl fiel aus diesem Grund auf ceram.x universal. Das Material ist identisch mit dem jetzt vermarkteten Ceram.x Spectra ST HV. Als Farbe kam aufgrund der sehr hellen Zähne der jungen Patientin die A1 zur Anwendung. Im nächsten Schritt erfolgte nach Entfernung der Verschalung die Komplettierung des mesialen Anbaus an 21 durch eine Politur (Soflex Pop On XT orange und gelb, 3M).
Dr. C.-P. Ernst
Im nächsten Schritt erfolgte der Aufbau der mesialen Fläche des Zahnes 11 analog zu Zahn 21. Nach Fertigstellung der beiden mesialen Anbauten an den mittleren Schneidezähnen erfolgte die inzisale Verbreiterung derselben Zähne nach distal. Hier kam das gleiche Füllungsmaterial (ceram.x universal A1) zur Anwendung: Als Präparation fungierte lediglich ein Abrunden der distalen Schneidekanten mit Hilfe einer roten Soflex Pop-On XTScheibe (3M).
Als Adhäsiv fungierte Prime&Bond active (Dentsply Sirona) nach vorangegangener Schmelzätzung. Zur Formgebung kam ein BlueView VariStrip-Streifen zum Einsatz (Garrison).
Dem Wunsch der Patientin nach mehr abgerundeten Schneidekanten der seitlichen Schneidezähne wurde durch ein einfaches „Tooth Shaping“ [19] entsprochen: Durch Konturieren mit unterschiedlich groben Soflex Pop-On XT-Schleifscheiben konnte die harmonischere runde Gestalt der Ecken erzielt werden. Eine abschließende Fluoridierung (elmex fluid, GABA) „reparierte“ die Oberflächenschäden. Durch die vorgenommenen restaurativen Maßnahmen konnte dem Wunsch der Patientin nach Verbreiterung der beiden mittleren Schneidekanten im inzisalen Bereich entsprochen werden.
Dr. C.-P. Ernst
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Im ersten Blick irritiert die etwas gelbere Grundfarbe des Zahnes 21. Eine Sensibilitätsprobe ergab identische Reaktionen wie an den anderen Frontzähnen 12, 11 und 22. Anamnestisch war kein Frontzahntrauma in den vorangegangenen Jahren zu erheben.
Da sich die Patientin nicht an der etwas dunkleren Grundfarbe des Zahnes störte und auch keinerlei Beschwerden angab, wurde von weiteren diagnostischen Maßnahmen abgesehen. Die Patientin betonte mehrfach, wie zufrieden sie mit der Entscheidung der Umformung ihrer Schneidezähne und auch mit der behandlungstechnischen Umsetzung war.
Fall 2: Reduktion schwarzer Dreiecke und mehrschichtiger Füllungsaustausch
Die 54-jährige Patientin äußerte seinerzeit nach einer Parodontalbehandlung den Wunsch nach Elimination des zervikalen schwarzen Dreiecks zwischen den Zähnen 11 und 21. Ferner wünschte sie auch eine Erneuerung der unterkonturierten und mit einer diskreten zervikalen Randkaries vergesellschafteten Füllung an Zahn 22 (Abb. 10 und 11). Zunächst wurde das schwarze Dreieck zervikal der beiden mittleren Schneidezähne versorgt. Hier kam eine EVA-Feile zur Oberflächenbearbeitung zum Einsatz. Dr. C.-P. Ernst
Dr. C.-P. Ernst
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Durch das Einpressen des pastösen Materials auf das Flowable wird dieses ähnlich einem „Schneepflug“ vor sich hergeschoben und erlaubt so eine blasenfreie Adaptation zwischen den beiden Materialien und der Zahnhartsubstanz (Abb. 13). Gerade in schwer zu kontrollierenden Kavitätenbereichen wie der hier vorliegenden ist diese Technik eine nicht zu unterschätzende Erleichterung. Nach der gestalteten Versorgung der zervikalen Approximalfläche von Zahn 21 und dem Ausarbeiten und Polieren dieses Anbaus wurde ein neues Teilmatrizenstück an den Zahn 11 angesetzt und die Versorgung identisch zu Zahn 21 vorgenommen (Abb. 14–16). Dr. C.-P. Ernst
Dr. C.-P. Ernst
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Für solche approximal-zervikalen Anbauten eignet sich die Universalfarbe bestens – weder eine opake Dentinfarbe noch eine transluzente Schmelzmasse sind hier erforderlich. Das hohe Chroma des Flowables ergibt ein sehr schönes ästhetisches Ergebnis, ohne ein Risiko einzugehen, dass aufgrund einer zu hohen Transluzenz der meisten sonstigen Flowables ein graues Erscheinungsbild dominiert.
Im Anschluss stand noch der Austausch der Klasse-IV-Füllung an Zahn 22 an (Abb. 11). Nach Entfernung der vorhandenen Füllung und vollständiger Exkavation erwies sich der entstandene Defekt doch größer als erwartet (Abb. 16). Zur Ausformung der Approximalfläche kam diesmal eine bleitote beschichtete Teilmatrizenfolie zum Einsatz (Garrison SXR100). Dr. C.-P. Ernst
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In der Abbildung 18 ist zu erkennen, dass die Labialfläche noch nicht komplett mit der Universalfarbe A2 aufgebaut ist. Dies geschah deswegen, um Platz für etwas Malfarbe zu generieren. Abbildung 19 zeigt die etwas irregulär aufgebrachte weiße Malfarbe zur Auflösung der Form. Dr. C.-P. Ernst
Dr. C.-P. Ernst
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Auch diese Patientin war mit der vorgenommenen direkten Kompositversorgung hochzufrieden. Dieses Ergebnis wurde bereits 2020 publiziert [6].
Die Patientin stellte sich 4 Jahre später zu einer Routine-Kontrolluntersuchung vor. Ebenso wie im zuvor beschriebenen Fall wurde auch hier keine Nachpolitur der Restaurationen vorgenommen: Die Situation wurde so fotografiert, wie die Patientin erschien. Die Abbildungen 26 und 27 zeigen das Ergebnis der Behandlung 4 Jahre nach deren Abschluss: Das Material zeigte sich farb- und formstabil; lediglich ein diskreter Verlust des Oberflächenglanzes war (wie bei allen Kompositmaterialien) zu verzeichnen. Dr. C.-P. Ernst
Dr. C.-P. Ernst
Dr. C.-P. Ernst
Fazit
Auch nach einem mittelfristigen Betrachtungszeitraum von 4 bzw. 5 Jahren zeigte sich Ceram.x Spectra ST ohne jeglichen ästhetischen Einbußen form- und farbstabil. Ein diskreter Verlust des Oberflächenglanzes ist bei allen Kompositmaterialien zu beobachten; die hier beobachtete Zunahme der Oberflächenrauigkeit erscheint im Vergleich zu anderen Materialen jedoch eher unterdurchschnittlich.
Wie bereits in einem früheren Beitrag aufgeführt [8] stellen mehrere Punkte die Grundlage für suffiziente, langlebige und ästhetisch anspruchsvolle Frontzahnrestauration dar. Beim Restaurationsmaterial kommen dem adäquaten Handling, der Politurfähigkeit, dem Erhalt des erzielten Politurergebnisses über die Zeit, der Abrasionsanfälligkeit und vor allem der Biegebruchfestigkeit eine entscheidende Bedeutung zu: Die schönste ästhetische Schichtung verblasst, wenn die Füllung frakturiert oder sich sichtbar abkaut. Moderne Nanohybrid-Komposite können (neben den Klassen I, II und V) alle Anforderungen in der Klasse III und IV sowie für direkte Verblendungen erfüllen [2, 21].
Die Materialauswahl wurde über Jahrzehnte als der primäre Erfolgsfaktor für ästhetische direkte Kompositrestaurationen angesehen. Das Restaurationsmaterial ist zwar entscheidend, bedeutsamer sind jedoch die Gestaltung, die kontaminationsfreie, adhäsive Vorbehandlung, die Formgebung über geeignete Verschalungsmaßnahmen und die Kenntnis über die optischen Wirkungen der zu Verfügung stehenden Schmelz-, Dentin- und Universalfarben. Nicht immer lassen sich mit den komplexesten Systemen die besten Ergebnisse erzielen – weniger ist hier oft mehr.
Gerade hier zeichnet sich im Hinblick auf die Anwenderfreudigkeit das Farbsystem des Ceram.x Spectra ST aus. Neben den bewährten „Universal-Cloud“-Farben stehen noch 2 Dentin- und eine separate, höher transluzente Schmelzmasse zur Verfügung – mehr als ausreichend für 99% der täglichen klinischen Fälle [6]. Vor allem für die kleineren zervikalen und approximalen Anbauten zeigten die Universalfarben, dass sie komplett ohne Dentin- und Schmelzfarben auskommen können und in der Lage sind, den an sie gesetzten hohen ästhetischen Anforderungen gerecht zu werden [12].
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