Es gibt inzwischen zwei Varianten vom SOS-System: Die klassische mit dem gefrästen Steg und MK 1 Riegel (Abb. 1) und das „SOS-click“ mit Rundsteg und zwei Servo-Kunststoffreitern (Abb. 2). Dr. Sliwowski
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Step I: Untersuchung und Vorbereitung der Prothese
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Die meisten zahnlosen Patienten sind zwar mit einer totalen Prothese versorgt, es muss aber dennoch vor der Behandlung kontrolliert werden, ob die vorhandene Prothese keine Metallteile beinhaltet und ausreichende Funktionalität aufweist. Sollte dies nicht der Fall sein, muss im ersten Schritt eine neue Kunststoffprothese angefertigt werden. Für die Handhabung der Instrumente sollte noch geprüft werden, ob bei geöffnetem Mund vertikal ausreichend Platz von mindestens 30 mm vorhanden ist.
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, kann mit der Vorbereitung der Prothese begonnen werden. Die Planung kann mit einem auf dem Markt erhältlichen 3D-Planungsprogramm erfolgen (z.B. SimPlant oder Magellan). Programmbedingt müssen verschiedene radiologische Marker in die Prothese bzw. Röntgenschablone eingearbeitet bzw. angebracht werden.
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Step II: DVT- bzw. CT-Aufnahmen
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Da die Tomografie (DVT oder CT) in einem zugebissenen Zustand durchgeführt wird, ist die stabile und reproduzierbare Lage der Prothese zwingend notwendig. In einigen Fällen, besonders bei Unsicherheiten, ist ein Bissregistrat indiziert.
Die Planung kann sowohl von dem Behandler, als auch von dem Magellan-Team bei Medentis Medical durchgeführt werden. Bei der zweiten Alternative werden beide Aufnahmen als Datei an Magellan geschickt und die fertige Planung muss anschließend „nur“ noch vom Behandler akzeptiert werden.
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Bei dem „SOS“-Verfahren werden die Implantatparameter standardmäßig schon bei der Planung festgelegt. Es werden in den meisten Fällen 15 mm lange ICX Active Implantate mit 3,75mm Durchmesser inseriert, die eine sehr gute Primärstabilität bieten. Bei Bedarf können ebenfalls schmalere (mindestens 3,5 mm) oder kürzere Implantate (mindestens 12 mm) inseriert werden.
Da die „SOS”-Schablone schleimhautgetragen ist, muss eine stabile Befestigung am Kiefer sichergestellt werden. Für die Befestigung werden drei horizontale Pins regio 34, 31-41 und 44 vestibulär in der Schablone geplant. Die Achsen der Pins dürfen nicht mit den Implantatachsen kollidieren und sollten einen Mindestabstand von 3 mm zu den foramina mentalia halten.
Nach der Abschlusskontrolle aller Elemente wird in das „Kommentar“-Fenster: „Sliwowski Overdenture System“ bzw. „SOS-Schablone mit Magellan-Hülsen“ eingetragen und online bei der Zentrale von Medentis Medical bestellt. Dort wird anhand der Daten die geplante Schablone hergestellt und die Magellan-Hülsen sowie die drei horizontalen Hülsen integriert.
Step III: Implantation und Abformung
Die „SOS“-Schablone (Abb. 8) wird normalerweise innerhalb von 5 bis 10 Tagen durch den Paketdienst geliefert. Für die Implantation wird außer der Schablone, noch das Magellan-Instrumentarium benötigt. In dem Instrumentarium sind die notwendigen Bohrhülsen, Pins, Bohrer sowie Hand- und Maschineninstrumente integriert (Abb. 9). Vor der Implantation sollte die Schablone auf Passung und Stabilität in situ geprüft werden. Dr. Sliwowski
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Für den Eingriff wird der Unterkiefer fakultativ durch die beidseitige Leitungs- und/oder Infiltrationsanästhesie regio 35-45 anästhesiert. Es muss dabei bedacht werden, dass eine Nachbetäubung mit der montierten Schablone schwierig ist. Nach der Infiltrationsanästhesie sollte die Schablone für einige Minuten, mit dem Bissregistrat falls vorhanden, im Mund platziert werden und dem Patienten empfohlen werden fest zuzubeißen, um der Verdickung der Gingiva nach den Injektionen entgegenzuwirken.
Nach dieser Zeit sollte der Patient nur leicht zugebissen halten, damit die Schablone, in gleicher Position wie bei der Röntgenaufnahme, stabil auf dem Kiefer ruht. In dieser Lage werden die horizontalen Bohrungen durch die Hülsen mit dem 1,5 mm Spiralbohrer durchgeführt. In die gebohrten Kanäle werden drei Ankerpins bis zum Anschlag eingesteckt.
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Die erste Präparation erfolgt durch die Bohrhülse mit der Gingivastanze gelb, für eine straffe Gingivamanschette (Abb. 11) und danach mit dem roten Stop-Bohrer bis zum Anschlag. Weitere Bohrungen werden der Reihe nach mit den Bohrern rot für Knochen D4 (8, 10, 12 und 15 mm lang) in gleicher Weise durchgeführt (Abb. 12). Die letzte Bohrung für den mittelharten Knochen erfolgt mit dem Bohrer rot 15 mm D2-D3 und für den harten Knochen mit dem Bohrer rot 15 mm D1 (Abb. 12). Dr. Sliwowski
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Es handelt sich hier um speziell für dieses System entwickelte dezentrische „EBF“-Abutments (Eccentric Bar Fixation), mit einer Abweichung von 0,3 mm von der Mitte gemessen, die durch einen Schlitz gekennzeichnet ist (Abb. 17). Die Schlitze in beiden „EBF“-Abutments werden zuerst auf Null-Position nach vestibulär gerichtet, damit der Steg ebenfalls maximal nach vestibulär platziert wird (Abb. 18). Dr. Sliwowski
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Mit den dezentrischen Abutments ist es problemlos möglich, eventuelle Abstands-Abweichungen bei der Implantatinsertion von bis zu 0,6 mm auszugleichen. Falls eine Ungenauigkeit festgestellt wird, kann diese jetzt durch die Drehung eines oder beider Abutments korrigiert werden. Wichtig bei der Tiefenkontrolle der Implantate ist, dass sich beide in der Endposition möglichst auf gleicher Höhe befinden.
Wenn die Implantate zu hoch inseriert worden sind, sodass der Steg zu weit absteht oder zu tief, wenn der Steg auf das Zahnfleisch drückt, muss die Position beider Implantate jeweils um die gleiche Umdrehungszahl korrigiert werden. Für die Befestigung des Steges stehen spezielle Schrauben zur Verfügung. Diese fixieren den Steg durch die Abutments auf den Implantaten und werden mit einem Drehmoment von 30N/cm festgezogen und normalerweise nicht mehr demontiert (Abb. 19 und 20). Dr. Sliwowski
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Die Abformung wird mit der Prothese und einem formstabilen Abdruckmaterial (z. B. Impregum) bei leicht geschlossenem Mund genommen (Abb. 22). Ein zu starkes Zubeißen führt zu späteren Druckstellen. Die Abformung wird kontrolliert und ins Labor geschickt (Abb. 23). Dr. Sliwowski
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Im Labor wird ein Meistermodell angefertigt indem ein weiterer, gleicher Steg (rund oder gefräst) in die Abformung reponiert wird. Auf dem Modell wird das Steggehäuse in die Prothese eingearbeitet. Dafür wird die Prothese in einem Unterfütterungsgerät fixiert.
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Alternativ, z. B. bei kürzeren Implantaten oder weichem Knochen, kann die Prothese mit einem weichbleibenden Material unterfüttert und das Einarbeiten des Gehäuses erst nach 2-3 Monaten, wenn die Implantate schon osseointegriert sind, durchgeführt werden. Diese Alternative wird besonders bei den ersten „SOS“-Behandlungsfällen empfohlen.
Step IV: Eingliederung des Zahnersatzes
Einige Stunden später bzw. am nächsten Tag kann die Prothese wieder eingegliedert werden. Normalerweise hat zu diesem Zeitpunkt die Betäubung schon nachgelassen und es blutet nicht mehr (Abb. 25). Die Prothese wird eingesetzt und der Riegel zuerst vom Zahnarzt geschlossen (Abb. 26). Dr. Sliwowski
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Mit einem speziellen MK 1 Schlüssel kann der Riegel durch Druck in Richtung lingual geöffnet werden (Abb. 27 und 28). Nach dem Einsetzen durch den Zahnarzt wird der Patient über die Riegeltechnik aufgeklärt. Er sollte den Riegelmechanismus zuerst außerhalb des Mundes einmal mit dem Schlüssel öffnen und mit dem Finger wieder verschließen, um ein Gefühl für die Gängigkeit des Riegels zu bekommen und um beurteilen zu können, wann der Riegel komplett geöffnet bzw. geschlossen ist. Dr. Sliwowski
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Diskussion
Die vorgestellte Methode zeichnet sich durch zahlreiche Vorteile aus: Die Implantation ist ein minimalinvasiver chirurgischer Eingriff von ca. 15-20 Minuten mit kaum Schwellung und postoperativen Schmerzen. Der ganze Behandlungsablauf ist an einem Tag möglich. Die präfabrizierten Teile bieten eine hohe Qualität und präzise Passung, die in der traditionellen Prothetik kaum zu erreichen sind.
Im Vergleich zu konventionellen Verfahren ist die gesamte Behandlung deutlich günstiger. Die Verriegelung der Prothese auf dem Steg garantiert einen hohen Tragekomfort und bietet Absicherung gegen einen unerwünschten Stabilitätsverlust. In dem Beobachtungszeitraum von 15 Jahren bei über 800 Patienten, die von dem Autor behandelt worden sind, sind nur wenige mechanische oder biologische Komplikationen zu beobachten.
Wie bei jeder anderen Methode, gibt es auch bei SOS bestimmte Voraussetzungen, die berücksichtigt werden sollten. Der Kieferkamm muss interforaminär ausreichend breit und hoch sein. Es sind zwei Tomografien für die Herstellung der chirurgischen Schablone notwendig: Zuerst die Prothese alleine und dann der Patient mit Prothese.
Der Patient muss manuell in der Lage sein, den Riegel zu bedienen und die Konstruktion hygienisch zu pflegen. Dies war im Übrigen einer der Hauptgründe für die Entwicklung des „SOS-click“. Hier ist die Handhabung auch bei eingeschränkten manuellen Fähigkeiten leichter.
Für eine Augmentation oder Osteoplastik sowie für die Rekonstruktion der Zone der befestigten Gingiva ist eine Eröffnung des Operationsgebietes notwendig. In diesen Fällen kann statt einer individuellen chirurgischen Schablone auch eine universelle SOS-Schablone angewendet werden.
Näheres zu den Autoren des Fachbeitrages: Dr. med. dent. Christoph T. Sliwowski, Dr. med. dent. Dominika Sliwowska, DDSBildquellen sofern nicht anders deklariert: Unternehmen, Quelle oder Autor/-in des Artikels
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