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Fachleute diagnostizieren „globale Jugendpsychokrise"

Weltweiter Anstieg von Essstörungen bei jungen Frauen und Männern

Essstörungen wie Magersucht und Bulimie können zu ausgeprägten Schäden an den Zähnen führen. Die Ursache: Durch häufiges Erbrechen ist der pH-Wert in der Mundhöhle über einen längeren Zeitraum hinweg sauer, wodurch die Zähne nach und nach ihre Mineralien verlieren. Dabei können sich Verfärbungen und Vertiefungen bilden, die Zähne können empfindlicher werden. Bei dauerhaftem Säureangriff auf die Zahnhartsubstanz verändert sich unter Umständen die Form des Zahns – mögliche Folgen sind Schmerzen und Karies.

freepik/freepik.com

Internationale Daten belegen, dass Essstörungen in Europa, Nordamerika, Asien und Australien seit der Covid-19-Pandemie bei Heranwachsenden stark zugenommen haben. Laut aktuellen Studien sind global bis zu 8,4 Prozent der Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren und bis zu 2,2 Prozent der Männer im selben Alter an einer Essstörung erkrankt – auch in Deutschland wächst die Zahl der Betroffenen. Allerdings stiegen Essstörungen schon vor der Pandemie an, und dieser Trend setzt sich auch nach deren Ende fort. Im Rahmen des ICPM Weltkongresses für Psychosomatik, der vom 19. bis 21. September 2024 in Tübingen ausgerichtet wird, diskutieren internationale Expertinnen und Experten unter dem Motto „Advancing Psychosomatic Medicine in a Challenging World” neueste Erkenntnisse zu diesem und weiteren psychosomatischen Themen.

Seit etwa 20 Jahren nehmen weltweit psychische Erkrankungen bei jungen Menschen zu, vor allem in Industrienationen. Auf der Suche nach den Ursachen führen Patrick McGorry, einer der weltweit führenden Kinder- und Jugendpsychiater aus Melbourne/Australien, und weitere internationale AutorInnen in ihrem kürzlich veröffentlichten Beitrag „The Lancet Psychiatry Commission on youth mental health“* globale Megatrends an: Dazu zählen unter anderem langanhaltende gesellschaftliche Veränderungen wie steigende intergenerationelle Ungleichheit oder unregulierte soziale Medien, aber auch Kriege oder der Klimawandel. „Diese Entwicklungen führen zu steigendem Disstress, zu Entfremdung und vermehrter Einsamkeit“, sagt Professor Dr. med. Stephan Zipfel, Ärztlicher Direktor der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen und Kongresspräsident des 27. Weltkongresses für Psychosomatik. So wurde ein Anstieg von Essstörungen insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen bereits vor der Covid-19-Pandemie beobachtet. „Wie der Global Burden of Disease Report belegt, lebten bereits vorher weltweit nahezu 42 Millionen Menschen mit einer Essstörung“, berichtet Zipfel.

Deutlicher Anstieg von Essstörungen in der Covid-19-Pandemie

Vermutlich hat die Pandemie die Zunahme von Essstörungen jedoch stark befördert. Darauf lassen jedenfalls Zahlen schließen: Für Deutschland belegen Daten der Krankenkasse AOK, dass 2021, im ersten Jahr nach Beginn der Pandemie, 10 Prozent mehr Menschen mit einer Essstörung im Krankenhaus behandelt wurden als im Jahr davor. „Eine weitere groß angelegte Studie in Deutschland konnte einen Anstieg der Krankenhauseinweisungen von jungen Patientinnen speziell mit Magersucht um 40 Prozent im ersten Jahr nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie nachweisen“, stellt Stephan Zipfel heraus. Aus den USA lägen ähnliche Zahlen über einen massiven Anstieg von Essstörungen um sogar 15,3 Prozent während der Pandemie vor. „Besonders heranwachsende Mädchen sind betroffen – Anorexia nervosa, also Magersucht, kommt bei ihnen besonders häufig vor“, erklärt der Psychosomatik-Experte.

Pandemiebedinge Isolation und fehlende Unterstützung

Den Grund für den sprunghaften Anstieg von Essstörungen während der Pandemie sieht Zipfel in der starken Einschränkung sozialer Kontakte. „Die räumliche und soziale Isolation innerhalb der Kernfamilien förderte Konflikte und Stress, was für vulnerable Gruppen besonders belastend war“, sagt der Psychosomatik-Experte. Gleichzeitig konnten Schulen ihrer sozialen Funktion nicht ausreichend nachkommen. „Ein persönlicher Kontakt mit außerfamiliären Vertrauenspersonen wie sozialpädagogischem oder Lehrpersonal fehlte. Auch Beratungs- und Behandlungsangebote fielen aus, die psychische Probleme hätten frühzeitig adressieren können“, erläutert der Tübinger Mediziner. Eine ganze Generation sei von diesem Ausnahmezustand betroffen gewesen.

Essstörungen mittlerweile so häufig wie Suchterkrankungen

Dass Essstörungen massiv weiter ansteigen, beobachtet Zipfel am Kompetenzzentrum für Essstörungen (KOMET) am Universitätsklinikum Tübingen auch nach Abklingen der Pandemie. „Wir nehmen eine kontinuierliche Zunahme von Patientinnen und Patienten mit komplexen und schwerwiegenderen Formen von Essstörungen wahr – übrigens nicht nur in der Hauptbetroffenengruppe junger Mädchen, sondern in allen Altersklassen.“ Neueste Zahlen lassen den Schluss zu, dass Essstörungen insgesamt eine viermal höhere Prävalenz aufweisen als ursprünglich angenommen. „Somit sind Essstörungen mittlerweile genauso häufig wie Suchterkrankungen. Unter jungen Frauen sind sie inzwischen ein häufiges Erkrankungsbild“, resümiert Zipfel, der außerdem Direktor des Kompetenzzentrums für Essstörungen (KOMET) ist und als Co-Sprecher des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG) fungiert.

Beim 27. ICPM Weltkongress für Psychosomatik, der vom 19. bis 21. September 2024 an der Universität Tübingen unter dem Motto „Advancing Psychosomatic Medicine in a Challenging World“ stattfindet, wird Professor Patrick McGorry aus Melbourne/Australien in einem KeyNote-Vortrag neueste Erkenntnisse dazu vorstellen. Außerdem wird die diesjährige Preisträgerin des Hilde Bruch Lecture Award, Professor Nadia Micali, eine internationale Essstörungs-Expertin aus Kopenhagen, einen Vortrag zu neuen Formen der Essstörungen halten. Darüber hinaus werden neue und innovative Therapien, wie etwa der Einsatz von Virtueller Realität zur Behandlung der Köperbildstörung, in Workshops und Symposien vermittelt und diskutiert. Weitere Expertinnen und Experten aus 5 Kontinenten erörtern circa 400 Beiträge aus der Psychosomatik. Mehr Informationen zum Kongress finden Interessierte auf der Homepage.

Checkliste für mögliche Anzeigen einer vorliegenden Essstörung:

(Bitte beachten: Die Kennzeichen einer Essstörung wie Magersucht sind vielschichtig und nicht bei allen Betroffenen in gleicher Weise ausgeprägt.)

Betroffene mit einer Magersucht z.B.:
– verlieren in kurzer extrem viel Gewicht,
– haben den Gewichtsverlust selbst herbeigeführt,
– fühlen sich zu dick und unförmig, auch wenn sie deutlich untergewichtig sind,
– machen ihr Selbstwertgefühl abhängig von Körpergewicht, Figur und der Kontrolle darüber,
– kontrollieren ihr Essen sehr streng und schränken die Nahrungsaufnahme sehr ein,
– sind in der Regel perfektionistisch und ziehen sich sozial zurück,
– treiben trotz Untergewicht oftmals übermäßig Sport und können auch Erbrechen herbeiführen.

Tipps für Familienangehörige und außenstehende Vertrauenspersonen wie Freund/-innen, Vertrauenslehrer/-innen oder Schulsozialarbeiter/-innen:

Gerade zum Schulbeginn ist es gut, wenn Außenstehende Ihre Sorge über die Gesundheit der Betroffenen äußern – dabei sind „Ich-Botschaften“ wichtig wie beispielsweise:
– „Mir fällt auf dass Du unterdessen sehr dünn geworden bist“,
– „Ich mache mir Sorgen und mir fällt auch auf, dass du deine Ernährung sehr eingeschränkt hast“,
– „Auf mich wirkst Du traurig – kann ich dir helfen?“,
– „Es gibt Experten bei der Beratungsstelle X , soll ich dich dorthin (nachdem du mit deinen Eltern gesprochen hast) begleiten?“

Auch Zahnärzte können auf Anzeichen achten und reagieren.

Quelle:
K.I.T. Group GmbH Dresden

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Autor

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Redaktion Dentalwelt

Sources

*McGorry PD, et al. The Lancet Psychiatry Commission on youth mental health. Lancet Psychiatry. 2024 Sep;11(9):731-774.

Sideli L, Lo Coco G, Bonfanti RC, Borsarini B, Fortunato L, Sechi C, Micali N. Effects of COVID-19 lockdown on eating disorders and obesity: A systematic review and meta-analysis. Eur Eat Disord Rev. 2021 Nov;29(6):826-841.

Zipfel S, Schmidt U, Giel KE. The hidden burden of eating disorders during the COVID-19 pandemic. Lancet Psychiatry. 2022 Jan;9(1):9-11

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