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Abrechnung

Digital Total(-Prothetik)

Sehr viele Arbeitsabläufe lassen sich in der Zahntechnik bereits über einen digitalen Weg erbringen. Eine der innovativsten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ist die Integration von CAD/CAM-Technologie (Computer-Aided Design/Computer-Aided Manufacturing) in die zahnmedizinische Praxis und das Dentallabor. Diese fortschrittliche Technik hat nicht nur die Effizienz und Präzision in der Herstellung von Zahnersatz erhöht, sondern auch die Patientenerfahrung verbessert und neue Möglichkeiten für personalisierte zahnärztliche und zahntechnische Lösungen eröffnet.

detailblick-foto/Adobe Stock

Die stetige Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten hat auch Einfluss auf die abrechenbaren Leistungen. Dabei dürfen aber nicht nur die Endprodukte betrachtet werden, es müssen auch die individuellen Herstellungsprozesse berücksichtigt werden. Wer hat was gemacht und wie wird es abgerechnet? Bei dieser Kernfrage sind (je nach Herstellungsprozess) immer wieder unterschiedliche Antworten möglich. Daher gilt es, folgende Fragen bereits im Vorfeld zu beantworten:

  • Wie werden Totalprothesen mittels CAD/CAM-Technologie angefertigt?
  • Welches Verfahren wird angewendet?
  • Welche Leistungen werden in der Zahnarztpraxis erbracht?
  • Welche Leistungen werden im Dentallabor erbracht?
  • Werden externe Dienstleister hinzugezogen?
  • Werden Leistungen im BEL II erbracht und berechnet?
  • Handelt es sich um eine gleich- oder andersartige Versorgung?
  • Wie sind die Bestimmungen der jeweiligen KZV?

Jede dieser Antworten hat direkte Auswirkungen auf die spätere Abrechnung der erbrachten Leistungen.

Arbeitsschritte bei digitalen Leistungen

Grundsätzlich teilen sich digitale Leistungen in diese Arbeitsschritte auf:

Sander

Gerade im Bereich der Totalprothetik ergeben sich viele unterschiedliche Herstellungsvarianten, die je nach Situation (oder technischen Möglichkeiten) sehr unterschiedliche Abrechnungen erzeugen können. Allein die Auswahl des Herstellungsprozesses hat bereits erhebliche Auswirkungen auf die spätere Abrechnung.

  • Wie werden die Abformungen erbracht?
  • Gibt es individuelle (digital hergestellte) Löffel?
  • Erfolgte eine Bissnahme?
  • Wird die Basis gedruckt oder gefräst?
  • Werden konfektionierte Zähne „eingeklebt“?
  • Sind konfektionierte Zähne bereits in der Basis enthalten?
  • Werden die Zähne aus der Basis herausgefräst?
  • Gibt es eine Aufstellung auf einer Wachsbasis?
  • Kam es zu einer Anprobe?
  • Gibt es eine Try-in-Prothese?

Das Risiko besteht ab jetzt in einer eher pauschalisierten Abrechnung. Haben wir für die jeweiligen Arbeitsschritte die passenden Abrechnungsleistungen?

Herstellung digitaler Totalprothesen

Die Herstellung digitaler Totalprothesen erfolgt in mehreren Schritten, die den Einsatz von CAD/CAM-Technologie und hochpräzisen digitalen Werkzeugen umfassen. Hier ist eine denkbare Vorgehensweise:

• Patientenbewertung und Datenerfassung

Der Prozess beginnt mit einer umfassenden Untersuchung des/der Patienten/-in, um die individuellen anatomischen Gegebenheiten und Bedürfnisse zu erfassen. Dies kann die Abformung des Mundes, die Analyse des Bisses und die Aufzeichnung der Gesichtsmerkmale beinhalten. Die Datenerfassung kann mithilfe von Intraoralscannern, Gesichtsscannern und anderen digitalen Erfassungsgeräten erfolgen.

• Digitale Modellierung

Die erfassten Daten werden dann in digitale Modelle umgewandelt, die als Grundlage für das Design der Totalprothese dienen. Dieser Schritt wird oft mithilfe von CAD-Software durchgeführt, die es dem/der Zahntechniker/- in ermöglicht, die genaue Form und Position der Zähne sowie die Ästhetik der Prothese zu planen.

• Virtuelle Anpassung und Optimierung

Nachdem das digitale Modell erstellt wurde, wird es virtuell an die individuellen Bedürfnisse des/der Patienten/-in angepasst und optimiert. Dies kann die Feinabstimmung der Zahnpositionen, die Änderung der Zahngröße und -form sowie die Anpassung der Prothesenbasis umfassen, um eine perfekte Passform und Ästhetik zu gewährleisten.

• CAM-Verarbeitung

Sobald das digitale Modell finalisiert ist, wird es in CAM-Software überführt, die die Daten in Anweisungen für CNC-Fräsmaschinen oder 3D-Drucker übersetzt. Diese Maschinen verwenden hochpräzise Werkzeuge und Materialien, um die Totalprothese physisch zu fertigen.

• Nachbearbeitung und Veredelung

Nachdem die Totalprothese hergestellt wurde, erfolgt eine sorgfältige Nachbearbeitung und Veredelung, um sicherzustellen, dass sie den höchsten Qualitätsstandards entspricht. Dies kann das Entfernen von überschüssigem Material, das Polieren der Oberflächen und die Anpassung der Prothese an den individuellen Biss des/der Patienten/-in umfassen.

• Anpassung und Abschluss

Schließlich wird die digitale Totalprothese dem/der Patienten/-in angepasst und eingefügt. Eventuelle Feinanpassungen werden vorgenommen, um sicherzustellen, dass die Prothese bequem sitzt und eine optimale Funktion bietet. Der/die Patient/-in wird über die richtige Pflege und Wartung der neuen Totalprothese informiert, bevor der Prozess abgeschlossen ist.

Praxis- vs. Laborleistungen

Die Aufteilung der (möglichen) Arbeitsschritte in „Praxisleistungen“ und „Laborleistungen“ soll anhand eines Beispiels veranschaulicht werden. Der Auftrag umfasst dabei folgende Arbeiten und/oder Leistungen: digitale Totalprothese OK/UK mit konventioneller Abformung und als Herstellungsverfahren gefräste Basis mit bereits eingearbeiteten, konfektionierten Zähnen (z.B. Baltic Denture System®).

Stefan Sander
Stefan Sander
Stefan Sander

Wie würde sich der Herstellungsprozess verändern, wenn in der Zahnarztpraxis mit der alten Prothese eine Abformung genommen werden würde? Wer würde diese Abformung einscannen? Der/die Zahnarzt/-ärztin oder das Dentallabor? Oder würden konventionelle Abformungen und Modelle angefertigt werden für eine manuelle Bissnahme auf einer Kunststoffbasis?

Abrechnung von CAD/CAM-Leistungen

In dem Moment, in dem verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen (Teil-)Prozessen entstehen können, ist eine prozessorientierte Planung zwingend notwendig. Hinzu kommt, dass aufgrund der unterschiedlichen Arbeitsschritte die möglichen Kostenvoranschläge sehr unterschiedlich ausfallen würden. Eine abrechnungstechnische Konzentration auf das Endprodukt ist hier nicht zielführend. Es kommt erschwerend hinzu, dass in der Abrechnung in der Regel die BEB 97 für die privaten Leistungen angewendet wird. In dieser BEB 97 sind aber keine CAD/CAM-Leistungen enthalten. Diese Leistungen können und müssen individuell angelegt werden. Eine pauschale Abrechnungsposition wie z.B. 6xxx „CAD/CAM Prothese“ ist wenig transparent und gibt auch nicht die Möglichkeit, auf unterschiedliche Anforderungen mit individuellen Abrechnungspositionen zu reagieren.

Leistungen und Prozessschritte, die in der BEB nicht vorhanden sind, können individuell angelegt und kalkuliert werden.

Folgende Tipps helfen dabei:

  • Sortieren Sie die neuen Leistungen in die richtige Hauptgruppe ein oder ergänzen Sie bestehende Leistungen um eine digitale Komponente (z.B.: 6001 „Aufstellen Grundeinheit“ wird 6001 „Aufstellen Grundeinheit – auch digital“).
  • Bestimmen Sie eigene Planzeiten zu den neuen Leistungen.
  • Kalkulieren Sie diese Planzeiten mit Ihrem eigenen Kosten-/Stundensatz.
  • Konzentrieren Sie sich auf die Prozesse – nicht auf das Endprodukt.

Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft die Gestaltung bzw. Anlage individueller CAD/CAM-Leistungen für die Abrechnung digitaler Verfahren.

Stefan Sander

Neben diesen (möglichen) zahntechnischen Leistungen können selbstverständlich weitere unterschiedliche Leistungen angelegt werden. Ebenfalls muss berücksichtigt werden, ob sich einige Leistungen in den Chairside-Bereich verschieben. Diese Chairside-Leistungen würden dann innerhalb der Zahnarztpraxis über deren BEB berechnet werden können. Unabhängig von der Positionsfindung ist eine genaue Kostenkalkulation der jeweiligen Leistung notwendig. Das bedeutet, dass für die neuen Leistungen auch ein entsprechender zeitlicher Aufwand (Planzeit) ermittelt werden muss.

Fazit

Die digitalen Möglichkeiten lassen mittlerweile nahezu jede konventionelle Leistung auch in einem digitalen Verfahren zu. Für die Abrechnung ist es jedoch empfehlenswert, genau diese unterschiedlichen Verfahren in einzelne (abrechenbare) Teilleistungen zu zerlegen. Erst dann ergibt sich die Möglichkeit für alle Beteiligten, individuell und nicht pauschal abzurechnen.

Dieser Artikel wurde nach bestem Wissen und Gewissen erstellt, kann aber aufgrund der Neuheit des Gesetzes und mangelnder Erfahrung in der Praxis und fehlender Rechtsprechung nur erste Einblicke liefern. Der Autor kann keine Haftung für Vollständigkeit und Richtigkeit übernehmen.

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