Die Anzahl zahnloser Patienten war in den vergangenen Jahrzehnten in den Niederlanden stark rückläufig. Aber noch immer gibt es ungefähr drei Millionen Totalprothesenträger, bei einer Gesamtbevölkerung von 17 Millionen. Da die Menschen genau wie in Deutschland ein immer höheres Alter erreichen, sind Totalprothesen nach wie vor trotzdem ein wichtiges Thema – es wird erwartet, dass der Bedarf jetzt ungefähr gleich bleibt. Das technische Schritthalten auf diesem Gebiet lohnt sich also.
Vorausschicken möchte ich: Die Gesetzeslage im Gesundheitswesen gestaltet sich in den Niederlanden anders als in Deutschland. Totalprothesen werden hier nicht nur beim „Klinischen Prothesentechniker“ unter der Verantwortung des Zahnarztes hergestellt, sondern Patienten dürfen diese Art der Versorgung auch direkt beim Zahnprothetiker in Auftrag geben, ohne Zahnarztbesuch. Mein Labor, Excent Tandtechniek in Gouda, konstatiert, dass Zahnärzte gegenwärtig fast keine Totalprothesen mehr anfertigen lassen und die Totalprothese langsam aus deren Interessensgebiet verschwindet. Es wird geschätzt, dass nur noch 20 % der niederländischen Zahnärzte die Behandlung mit Totalprothesen übernehmen. Die Kompetenz und das Geschäft liegen damit größtenteils bei uns in den Laboren. Excent Tandtechniek hält sich deshalb technisch auf dem Laufenden und setzt Fortschritte um.
Eine neue Totalprothese ersetzt die alte: die „Referenzprothesen-Methode“ mit digitalen Schritten
Der komplett digitale Weg zur Totalprothese
Im Jahr 2015 wurde das Baltic Denture System von Merz Dental (Lütjenburg) bei Excent Tandtechniek in den Niederlanden eingeführt. Die Anwendung von Computer Aided Engeneering (CAE) und CAD/CAM-Technologie ist bei diesem System weit vorangetrieben, und es wurde ein vollständiger digitaler Prozess zur Herstellung von Totalprothesen möglich – für beide Kiefer, ohne Einzelzahnaufstellung. Das Prinzip: Rohlinge enthalten schon Konfektionszähne, aus diesem Grund müssen nur die Prothesenbasen basal patientenindividuell gefräst werden. Wählt man diese Methode, ist es nicht mehr notwendig, die Zähne zu einem späteren Zeitpunkt adhäsiv zu befestigen, was Ungenauigkeiten und Schwachstellen vermeiden hilft. Das Vorgehen ist straff, für Patienten, Zahnarzt und Labor sehr Zeit sparend. Unter Einbeziehung des Zahnarztes gestaltet sich der Weg wie folgt: Am Anfang steht die Anamnese der Mund- und Kiefersituation, gefolgt von der Abformung mit individuellem Löffel (und, wenn gewollt, Modellherstellung). Ausschlaggebend für das spätere passgenaue Ergebnis sind die Bissnahme, Bissregistrierung und ausführliche Funktionsanalyse. Für den nächsten Schritt steht eine Auswahl an KEYsets zur Anprobe im Patientenmund zur Verfügung (Abb. 3 u. 4). Dies sind basal reduzierte Probeprothesen in verschiedenen Größen für den Oberund Unterkiefer (KEYsets). Für den Patienten wird das jeweils passende Set ausgesucht und mithilfe von Abformmaterial in die funktionell korrekte Stellung gebracht. Dabei dient die vorher bestimmte Kieferrelation als Ausgangspunkt. Das Abformmaterial „friert“ die gefundene lagerichtige und patientenspezifische Situation ein, und das Ergebnis dient im Labor als Grundlage für die weitere Arbeit. Entweder werden die Abformungen selbst oder die hierauf beruhenden Gipsmodelle des Ober- und Unterkiefers eingescannt und die erhaltenen Daten mit dem virtuellen Gegenstück des KEYsets in der vorgegebenen patientengerechten Verzahnung zusammengeführt (Abb. 5 u. 6). Hieraus generiert die Software die basale Form und Höhe der Prothesenbasen, passend zu den (meist atrophierten) Kieferkämmen. Das CAD/CAM-Gerät fräst die industriell vorkonfektionierten Rohlinge nur in diesem Bereich zurecht. Der Zahntechniker braucht sich um die Konfektionszähne nicht zu kümmern – der letzte Schritt im Labor heißt Ausarbeiten und Polieren. Nun steht nur noch eine Patientensitzung beim Zahnarzt an … und der Patient verlässt die Praxis mit seinen eingesetzten neuen Totalprothesen (Abb. 7-10).
Fazit
Das A und O für den Erfolg nach dieser Methode sind präzise Abformungen und eine sorgfältig ausgeführte Bissregistrierung. Nur so kommt man zu perfekt passenden Totalprothesen mit der richtigen Artikulation und Okklusion. Aber dann sind der Zahnarzt, und noch wichtiger der Patient, zufrieden mit der digital erstellten Totalprothetik und vorgegeben Verzahnung.
In dem geschilderten Vorgehen sehen wir mit unserer bisher gemachten Erfahrung viele Vorteile:
- Die Methode ist einfach. Es sind im Grunde keine Gipsmodelle und auch keine Bissschablonen mehr nötig, ebenso entfällt die Einzelzahnaufstellung. Andererseits braucht sich der Zahnarzt kaum umzustellen, da das klinische Standardprozedere die Grundlage bleibt.
- Alle Beteiligten kommen schneller ans Ziel. Es gibt kürzere Stuhl- und Produktionszeiten. Dem Patienten kann mit nur zwei Terminen geholfen werden.
- Das Baltic Denture-Verfahren punktet gegenüber dem bisher bei uns praktizierten mehrfach. Das Material ist von vornherein fast monomerfrei, biohygienisch, dicht mit glatter Oberfläche, und die Prothesenzähne sind industriell verankert. Der digitale Prozess führt zu akkurat gefrästen Ergebnissen.
- Wir profitieren von der Effizienz. Die Produktionszeiten sind kurz. Wir haben ein digitales Back-up der Daten, falls Änderungen oder Neuanfertigungen anstehen. Und: Wir konnten direkt starten – ohne große Investitionen.
Patienten schätzen die Erstellung innerhalb von 2 Terminen. Sie berichten von hohem Tragekomfort und guter Passung. Die Verwendung von bio-hygienischem Material beugt Irritationen und Mundgeruch vor. Die Patienten fühlen sich sicher, weil bei Verlust schnell neue Totalprothesen zu erstellen sind. Manche ordern auch gleich ein Reservepaar.
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