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Herr Kruchen, der VDZI ist bestrebt, mit dem Bundesministerium für Gesundheit und den Parlamentarischen Staatssekretären im Gespräch zu bleiben. Wie empfanden Sie die ersten 100 Tage der neuen Regierung? Hat sich für Sie und den VDZI etwas geändert?
Schon während der Regierungssondierungen hatte sich der VDZI an ausgewählte Abgeordnete gewandt. Die neuen Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung – vor allem im Bundesgesundheitsministerium und im Ausschuss für Gesundheit des Bundestages – haben wir persönlich adressiert, die politischen Gespräche in Berlin laufen an.

Thematisch hat sich durch den Regierungswechsel nichts geändert. Mit vielen politischen Gesprächspartnern standen und stehen wir im Kontakt. Das Thema der zahntechnischen Vergütung bleibt weiter auf der berufspolitischen Agenda des VDZI. Zudem braucht es einen Entbürokratisierungsschub, bei dem auf überflüssige Dokumentationsanforderungen verzichtet wird. Dies gilt im Zahntechnikerhandwerk insbesondere für die sogenannten Klinischen Bewertungen für Sonderanfertigungen aus der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR).
Mit Blick auf die wachsende Zahl an investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren im Gesundheitswesen, gerade im davon überproportional betroffenen zahnmedizinischen Bereich (iZ-MVZ), sind gesetzliche Regelungen wichtig, die faire Wettbewerbsbedingungen schaffen.
Der Vorgängerregierung wurde teilweise ein taktierendes Verhalten bei der Bewältigung von großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen nachgesagt. Wie ist Ihr erster Eindruck von der neuen Regierung?
Das Ende der Vorgängerregierung hat deutlich gemacht, dass viele Themen keinen Aufschub mehr dulden. Hier sind sich Wirtschaftsverbände und das Handwerk einig. Es wird erwartet, dass Maßnahmen der Entlastung oder auch der Entbürokratisierung schnell umgesetzt werden. Entsprechend ist die neue Regierung durchaus mit Tempo gestartet. Allgemein ist unsere Wahrnehmung, dass die relevanten Themen ernst genommen werden, auch wenn die Lösungen keine einfachen sind. Neue Schulden lösen nicht zwangsläufig die strukturellen Probleme.
Unter genauer Beobachtung stehen einige Punkte aus dem Koalitionsvertrag, von denen die Regierung wieder abgerückt ist. So soll es keine Stromsteuersenkungen geben für Handwerksbetriebe, die nicht zum produzierenden Gewerbe gehören.

Für den Bereich der Gesundheit, der auch für das Zahntechnikerhandwerk relevant ist, steht derzeit das Thema der Finanzen in der gesetzlichen Krankenversicherung an erster Stelle. Gesundheitsministerin Nina Warken hat zu Beginn ihrer Amtszeit nochmals klar gemacht, dass den Krankenkassen Milliarden von Einnahmen fehlten, den Bürgerinnen und Bürgern die Beiträge über den Kopf wüchsen und immer mehr Krankenhäuser pleitegingen.
Bundeskanzler Friedrich Merz unterstrich in seinem Sommerinterview, dass es eine „ziemlich intensive Diskussion“ über die Reformen in der GKV und der sozialen Pflegeversicherung geben werde. Diese gilt es aus Sicht des Zahntechnikerhandwerks genau zu beobachten, um unsere Vorschläge für die zukünftige Versorgung der Bevölkerung mit Zahnersatz einzubringen.
Der VDZI wünschte sich, dass der Dialog mit den Leistungserbringern – und damit auch mit dem Zahntechnikerhandwerk – bei sozialpolitischen Entscheidungen nicht unter den Tisch fällt. Hat sich aus Ihrer Sicht seit Amtsantritt der Gesundheitsministerin etwas geändert?
Aus den gesundheitspolitischen Kreisen wurden die Gesundheitshandwerke zuletzt immer wieder für ihre Rolle in der Patientenversorgung mit gesundheitshandwerklichen Sonderanfertigungen, darunter auch Zahnersatz, gelobt. Dies dürfen keine Lippenbekenntnisse bleiben. Hier werden wir besonders für die Zahntechnik unsere zentralen Argumente für eine qualitätsgesicherte zahntechnische Versorgung vortragen und unseren Dialog mit dem Bundesgesundheitsministerium unter der Ministerin Warken fortsetzen.
Für den VDZI sind Gesundheitsleistungen Zukunfts- und Flächeninvestitionen, auf die nicht nur die Bevölkerung baut, sondern auch der Standort Deutschland für die Gesundheitswirtschaft und ihre Wertschöpfungskette. Hierfür braucht es auch starke Betriebe in den Gesundheitshandwerken wie der Zahntechnik. Für die zahnmedizinische Behandlung mit Zahnersatz ist gerade die Aufrechterhaltung der wohnortnahen Versorgung durch die gewerblichen zahntechnischen Labore wichtig, nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land. Grundlage hierfür ist eine hochwertige und auskömmliche Versorgungsleistung der Krankenkassen.
Die berufsrechtliche Trennlinie zwischen zahnärztlicher und zahntechnischer Tätigkeit in iZ-MVZ sowie die Flexibilisierung des Vertragsrechts der GKV für Zahnersatz für auskömmliche Kassenversorgungen hat der VDZI als zentrale Themen für das Zahntechnikerhandwerk definiert. Haben Sie den Eindruck, dass diese Themen Ihren politischen Gesprächspartnern bewusst sind und Berücksichtigung finden?
Bereits seit Jahren weisen die Zahntechniker-Innungen und der VDZI darauf hin, dass die wirtschaftliche Regelung der Bindung an den § 71 SGB V zu einer fortgesetzten Erosion der Löhne für hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und damit zur Schwächung des Zahntechnikerhandwerks im Fachkräftewettbewerb beiträgt. Hierzu hat das Zahntechnikerhandwerk in den vergangenen Jahren mit vielen politischen Initiativen und Vorschlägen den Versuch unternommen, zu einem fairen Interessenausgleich und einer verantwortungsvollen Lösung zu kommen. Bisher signalisiert die Politik allerdings nur Verständnis, ohne Änderungen in Aussicht zu stellen.
Der VDZI fordert für die jährlichen Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband, die gesetzliche Obergrenze der Veränderungsrate nach § 71 SGB V für die Preisvereinbarungen ganz aufzuheben oder um Kriterien zu ergänzen, die Preisveränderungen auch oberhalb der Veränderungsrate des § 71 auf dem Verhandlungsweg oder durch das Bundesschiedsamt ermöglichen.
Wir begrüßen insbesondere die geplante Einführung eines Regulierungsgesetzes für investorenbetriebene Medizinische Versorgungszentren (iMVZ). Das Zahntechnikerhandwerk fordert bereits länger eine klare berufsrechtliche Trennlinie zwischen zahnärztlicher und zahntechnischer Tätigkeit in iMVZ. Dass die zukünftige Bundesregierung allerdings das Thema der zunehmenden Ausweitung sogenannter „Praxislabore“ in investorengetragenen zahnmedizinischen Versorgungszentren (iZ-MVZ) ausspart, ist ein Versäumnis – hier ist angesichts der Zunahme von iZMVZ eine rechtliche Nachschärfung notwendig. Mit Blick auf die wachsende Zahl an iMVZ im Gesundheitswesen, gerade auf die davon überproportional betroffenen iZMVZ, sind gesetzliche Regelungen wichtig, die faire Wettbewerbsbedingungen herstellen.
Ein Problem, das (auch) das zahntechnische Handwerk trifft, ist der allseits gegenwärtige Fachkräftemangel. Welche politischen Pläne oder Absichten können helfen, die Situation mittel- und langfristig zu entspannen?
Mit der neuen Ausbildungsverordnung aus dem Jahr 2022 und der neuen Zahntechnikermeisterverordnung, die am 1. August in Kraft trat, wurde die zahntechnische Aus- und Weiterbildung an den dynamischen technischen Fortschritt und die Anforderungen einer fachlich und kommunikativ vernetzten und digitalisierten Arbeitswelt angepasst. Der breite Einsatz digitaler Fertigungsmethoden und immer komplexerer Materialien hat das Berufsbild bedeutend ergänzt und erweitert. Die fachlich ebenso anspruchsvolle wie breite Ausbildung macht junge Menschen damit fit für eine sichere Beschäftigung und bietet ihnen eine Karrierechance.
Natürlich ist die auskömmliche Entlohnung eine wichtige Perspektive für nachkommende Fachkräfte. Daneben brauchen Ausbildungsbetriebe und die Auszubildenden im Handwerk Entlastungen auf der Kostenseite. Finanziell geht es dabei darum, die Gleichwertigkeit der beruflichen und akademischen Bildung herzustellen.
Die qualifizierte Ausbildung junger Menschen durch ausbildungsstarke Handwerksbetriebe ist unverzichtbar. Das Handwerk kann die Karriere- und Einkommensvorteile der kapitalintensiven Industrieverhältnisse aus eigener Kraft nicht vollständig ausgleichen. Hier ist die Politik daher gefordert, ausbildungswillige Handwerksbetriebe durch Kostenentlastungen stärker zu fördern, wo immer dies möglich ist. Beispielsweise sollte die Finanzierung der Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisungen (ÜLU) durch eine tatsächliche Drittelung der Kosten durch den Bund, das Land und den Ausbildungsbetrieb erfolgen.
Dabei sollten geeignete Regelungen geschaffen werden, damit man alle Betriebe, die nicht ausbilden, an den gewerkspezifischen betrieblichen Ausbildungskosten beteiligen kann.
Darüber hinaus braucht die duale Ausbildung wettbewerbsfähige attraktivere Rahmenbedingungen für Auszubildende. Auch die Begabtenförderung in der beruflichen Bildung ist vom Fördervolumen her auszubauen und eine mit den akademischen Stiftungen gleichwertige Förderinfrastruktur zu errichten, um leistungsstarke Fachkräfte im Handwerk zu fördern.
Wenn Sie einen Wunsch an Nina Warken hätten, wie würde dieser lauten?
Wie bereits gesagt: Aufhebung der gesetzlichen Obergrenze der Veränderungsrate nach § 71 SGB V für die Preisvereinbarungen.
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