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Eine echte Mischkalkulation würde jedoch vorliegen, wenn wir Einfluss darauf hätten, welche Arbeit im Praxislabor und welche im Meisterlabor gefertigt wird. Lukrative Arbeiten verlassen in der Regel jedoch nicht das Praxislabor. Offenbar soll es nach Willen der Politik in Ordnung sein, für ein Implantat ein wenig mehr als notwendig zu verlangen, um dann die Modellgussreparatur zu subventionieren. Geht’s noch? Wenn wir ins Restaurant gehen, ist das unsere Entscheidung. Normalerweise bestellen wir auch ein Getränk zum Essen. Die Mischkalkulation des Wirts oder der Wirtin geht damit auf – selbst wenn es vereinzelt Gäste gibt, die nur speisen. Aber in der Zahntechnik gelten andere Regeln.
Nehmen und geben?
Auch während einer Innungsversammlung fiel schon mal die Floskel von „sozialer Verantwortung“. Tatsächlich habe ich mal ein paar meiner Privatpatienten und -patientinnen gefragt, ob sie nicht freiwillig 10–20% mehr zahlen wollen, damit ich eine Art Fonds für Patientinnen und Patienten mit kleineren Defekten anlegen könnte. Das Unverständnis war ihnen ins Gesicht geschrieben und die Antwort eindeutig: Nein! Umgekehrt ernte ich von Regelversorgungspatienten/-innen ein Achselzucken, wenn ich versuche zu erklären, dass ich die Arbeit für einen Stundenumsatz von 20 € nicht machen möchte. Manch andere Labore betreiben tatsächlich Mischkalkulation und bitten damit unbeteiligte Dritte zur Kasse. Sollen Zahnschaffende denn nicht vielleicht doch die gute Fee spielen? Verkaufen wir allerdings etwas unter den Herstellungskosten, sind das Dumpingpreise. Für die Patientinnen und Patienten mit den kostspieligeren Arbeiten ist das wiederum Wucher.
Laut internationalen Regeln einer Rechnungsstellung sollte diese wahrheitsgemäß erfolgen. Die gesetzliche Kasse zahlt halt nun einmal keine Vollverblendungen. Wenn wir eine machen, wo keine hingehört, und diese nicht privat verrechnen, dann ist das doch eigentlich Sozialversicherungsbetrug, oder? Wir verschenken eine Leistung, die dem/der Empfänger/-in nicht zusteht.
Ohne das Geschenk wäre die Krone demzufolge günstiger und die Versichertengemeinschaft weniger belastet. Nachdem die Realität allerdings eine andere ist, scheint die Wahrheit im Gesundheitswesen wohl keine große Rolle zu spielen.
Wir sind gesetzlich gebunden. Dabei haben wir uns die BEL-Höchstpreisliste und die Benennungsliste nicht allein ausgedacht. Privatversicherer können mit ihren politisch gedeckten Sachkostenlisten wesentlich freier agieren. Wenn sich die Teilnehmenden der 66. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages so einig waren, wie wäre es dann mit einer Mischkalkulation à la Robin Hood? Zähne für Politiker/-innen zum hundertfachen Preis – ob sie das dann auch noch gut fänden?
Beitragsentwicklung der GKV |
1970 – maximaler monatlicher GKV-Beitrag: 98,40 DM (1970: 50,31 €; inflationsbereinigt: 218,51 €) 2025 – 1.130,06 € maximaler monatlicher Beitrag GKV und PPV Das Plus von 2.146,19% in 55 Jahren entspricht einem Zuwachs im arithmetischen Mittel von 39,02% pro Jahr. Wobei es sich hierbei um ein exponentielles Wachstum handelt und die Steigerung der oberen Einkommensgrenze für den Austritt aus der GKV ebenfalls Einfluss hat. |
Preis-Leistungs-Entwicklung
1979 wurde für ein Modell aus Hartgips 7,30 DM (3,73 €) abgerechnet, das wären inflationsbereinigt 10,76 €. 2024 gibt es für das Gleiche 7,73 € (exklusive Mehrwertsteuer). Das ist ein Zuwachs von 107,24% in 45 Jahren, was eine mittlere Steigerung von 2,38% pro Jahr bedeutet. Berücksichtigt man allerdings die Inflation, ergibt sich ein dickes Minus von 28,16%.
1979 betrug der maximale Monatsbeitrag in der GKV 399 DM (173,33 €), 2025 wird der maximale monatliche Beitrag für GKV und PPV (Private Pflegeversicherung) bei 1.130,06 € liegen. Ein Plus von 956,73 € im gleichen Zeitraum, was einer Steigerung von 551,97% entspricht und eine durchschnittliche Zunahme von 12% pro Jahr bedeutet. Bedenkt man zudem, dass die Leistungen für die Versicherten im gleichen Zeitraum rapide abgenommen haben, sieht das noch dramatischer aus.
Weil das Zahntechnikerhandwerk von 1970 bis 1978 noch wie jedes andere Unternehmen frei kalkulieren bzw. die Preise selbstständig mit den Kunden aushandeln durfte und an keine BEL-Höchstpreise gebunden war, setzt die Rechnung erst mit Einführung der BEL 1979 ein. Da meine gewerbliche Tätigkeit – wie die vieler Leser auch – erst später begann, hier das Beispiel nochmal mit den Zahlen aus dem Jahr 2001: Für das Modell aus Hartgips wurden im Jahr 2001 11,20 DM bzw. 5,73 € berechnet, jeweils exklusive Mehrwertsteuer.
Betrachtet man die Zahlen von 2024, ist eine Steigerung von 34,9% in 23 Jahren zu erkennen, was eine mittlere Steigerung von 1,52% pro Jahr bedeutet. Wiederum ergibt das unter Berücksichtigung der Inflation ein deutliches Minus. Hier handelt es sich ebenfalls um einen arithmetischen Mittelwert, die reale Steigerung pro Jahr ist noch niedriger. Gleichzeitig ist auch zu bedenken, dass Gips eine der größten Kostenpositionen im Dentallabor darstellt.
Im Jahr 2001 betrug der maximale Monatsbeitrag der GKV und PPV 507,07 €. 2025 liegt dieser Betrag bei 1.130,06 €, was ein Plus von 622,99 € darstellt und damit einem Zuwachs von 122,86% entspricht; auf das einzelne Jahr heruntergebrochen sind das 5,34% mehr. Annehmbar, wenn man die Inflation betrachtet? Weniger, wenn man berücksichtigt, dass gleichzeitig die Leistungen für die Versicherten rapide abgenommen haben. Ganz zu schweigen von den Klinikschließungen und den langen Wartezeiten für einen Termin beim Facharzt.
BEL und Sachkostenliste
In den 1980er-Jahren hatte die AOK unter anderem in Augsburg und Hamburg sogenannte Eigenbetriebe. Laut Innung soll auch ein Dentallabor dabei gewesen sein, das in eine süddeutsche Universität integriert war. Diese Labore konnten mit den reinen BEL-Preisen auch nicht wirtschaftlich arbeiten und verschwanden deswegen heimlich, still und leise von der Bildfläche. In unseren Dentallaboren praktizierten wir früh eine Mischkalkulation. Bis 1988 machte doch keiner einen Unterschied, ob es sich um Privat- oder Kassenpatienten/-innen handelte. Meist fehlte die Information vonseiten der Praxis sogar und für uns waren alle Menschen gleich – „keine Zweiklassenmedizin“ schrieben wir uns ehrenvoll auf die Fahnen. So lange, bis Privatversicherer 1989 eine Sachkostenliste einführten, mit der sie festlegen, was und mit welchem Betrag etwas erstattet wird. Diese Listen sind allerdings nur im Kleingedruckten des Kleingedruckten erwähnt.
Wie lange wollen wir als Hersteller von hochwertigen Arbeiten diese Ungerechtigkeiten zwischen gezahltem Beitrag und erhaltener Leistung noch ermöglichen? Ist denn nicht jeder Mensch gleich viel wert und sollte die gleiche Leistung erhalten?
Darüber entscheiden allerdings andere. Wir machen Zähne!
„Wir leben in einem Land mit einem sehr hoch entwickelten Gesundheitssystem – manche sagen, es zähle zu den besten der Welt. Es ist allerdings auch eines der teuersten der Welt und man muss sich fragen, inwieweit die Patientinnen und Patienten von der modernen Medizin in einem durchökonomisierten Gesundheitswesen auch profitieren. …“, erklärt Dr. med. Bernd Hanswille, Vorsitzender des Arbeitskreises Ethik-Rat der Ärztekammer Westfalen-Lippe, im Vorfeld des Ethik-Forums der Kammer am 18. September 2024 in Münster*. |
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