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Unterschiedliche Anforderungen in der Implantatprothetik

Niemals ohne Zähne

Im zweiten Teil stellt ZTM Petra Streifeneder-Mengele ein weiteres Beispiel einer festsitzenden Komplettversorgung auf Implantaten vor. Statt zementiert wurden in diesem Fall die Restauration nun verschraubt: Die Oberkieferbrücke ist klassisch mit Komposit verblendet.

giorgiomtb/AdobeStock
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Fall 3: Gemeinsame Team-Planung vor der Extraktion der Zähne – unabdingbare Voraussetzung bei schwierigen Situationen

Ausgangslage

  • 66-jährige Frau, berufstätig als Lehrkraft, steht kurz vor dem Ruhestand
  • vollbezahnter Oberkiefer mit einer nicht erhaltungswürdigen Kronen- und Brückenversorgung aufgrund einer Paradontitis
  • ungünstiges Knochenangebot im Frontzahnbereich
  • kein sichtbares Zahnfleisch beim Lachen
  • Der Unterkiefer ist protrudiert. Als Ausgleich der Bisssituation erfolgte eine Stellungskorrektur der oberen Frontzahnkronen auf Kopfbiss.
  • Im Gegenkiefer sind alle natürlichen Zähne noch vorhanden und erhaltungswürdig. Allerdings bestehen durch die Kronenversorgung im Seitenzahngebiet und die Schachtelstellung in der Front ebenfalls ungünstige Gegebenheiten.
  • Die Patientin hat große Bedenken, ob die aktuelle Situation ohne Einschränkungen von Funktion, Sprache und Zunge wiederherzustellen ist.

Der Patientin war bewusst, dass eine komplette Entzahnung des Oberkiefers nicht zu vermeiden war. Sie wollte allerdings unter keinen Umständen eine Vollprothese tragen und war deshalb bereit, in eine Implantatlösung zu investieren. Sie wünschte sich eine festsitzende Brücke oder zumindest eine herausnehmbare gaumenfreie Lösung. Soweit möglich sollten Zahnstellung und -form der vorhandenen Situation weitestgehend übernommen werden.

Da sie zu diesem Zeitpunkt noch berufstätig war, scheute Sie sich davor, die Behandlung anzufangen. Sie hatte große Bedenken, dass das Provisorium nicht gut sitzt und sie beim Sprechen einschränken könnte. Deshalb wollte sie den Zeitpunkt der Extraktion so weit wie möglich nach hinten schieben.

Aufgrund der schwierigen Ausgangslage bezüglich Stellung, Knochenangebot und parodontaler Situation (Abb. 1–3) kam nur eine bedingt abnehmbare Brücke in Frage. Würde man eine Teleskopversorgung wählen, würden Implantate im Frontzahnbereich aufgrund des Knochenangebots zu weit palatinal und zu steil stehen und könnten nicht optimal versorgt werden. Allerdings ist eine Abstützung in der Front aufgrund der Kopfbissstellung unabdingbar, um eine Kippung zu verhindern. Auch Locatoren kamen nur eingeschränkt in Frage. Daher entschieden wir uns trotz der parodontalen Situation zusammen mit der Patientin für eine bedingt abnehmbare Brücke und gegen eine teleskopierende Lösung. Damit auch die Möglichkeit zur Nacharbeit im Falle einer Gingivarezession besteht, fiel die Wahl auf eine Versorgung, die mit Komposit verblendet werden sollte.

Streifeneder-Mengele
Abb. 1: Situationsmodelle der schwierigen Ausgangssituation.
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Abb. 2: Situationsmodelle der schwierigen Ausgangssituation.
Streifeneder-Mengele
Abb. 3: Situationsmodelle der schwierigen Ausgangssituation.

Um die Ausgangslage nicht weiter zu verschlechtern, sollte der Beginn der Behandlung nicht noch weiter verzögert werden. Daher verständigten wir uns darauf, vorerst die beiden Weisheitszähne als Abstützung für das Provisorium stehen zu lassen. Damit konnte gewährleistet werden, dass die Patientin ein gut fixiertes Provisorium während der Übergangszeit erhält. Nach Eingliederung der definitiven Brücke sollten diese dann ebenfalls extrahiert werden.

Finanzierung

Die Patientin ist gesetzlich versichert und verfügt über ausreichend Ersparnisse. Trotzdem sollte ein gewisser Kostenrahmen nach Möglichkeit eingehalten werden.

Materialwahl

Die Wahl des Implantatsystems fiel auf Astra EV Implantate (Dentsply Sirona). Die Herstellung des Brückengerüstes sollte CAD/CAM-gestützt bei Atlantis (Dentsply Sirona) erfolgen.
Für die Komplettierung in Komposit war die Verblendschalen-Technik von Bredent vorgesehen. Vorteil hierfür ist eine sichere und effiziente Vorgehensweise, die es ermöglicht, vorhersehbar und kostensparend zu arbeiten.

Die Aufstellung für das Provisorium mit neo.lign Vollzähnen (Bredent) kann später mit den novo. lign Verblendschalen (Bredent) exakt auf das Gerüst übertragen werden, da die Zahnformen der Systeme identisch sind. Außerdem ermöglichen diese Schalen ein schnelles Cutback für die Gerüstherstellung, da diese bereits eine optimale Schichtstärke aufweisen.

Übrigens gelingt es mit dieser Technik auch weniger geübten Zahntechnikern oder Zahntechnikerinnen mit Hilfe der Schalentechnik zu einem sehr guten Ergebnis zu kommen, da Vollverblendungen in Komposit mit der Schichttechnik viel Übung und Können erfordern.

Herausforderungen

Durch die Frontzahnstellung und das eingeschränkte Knochenangebot war bereits im Vorfeld klar, dass die Implantate prothetisch nicht optimal gesetzt werden können. Weitere vorgeschlagene chirurgische Maßnahmen zur Verbesserung der Situation lehnte die Patientin ab.

Nachdem Zahnform und -stellung der ursprünglichen Situation entsprechen mussten, war es deshalb sehr wichtig, dass die Lage der Implantate sich nicht auf den Zungenraum und die Sprache der Patientin auswirkten. Zudem sollten die Schraubenzugänge optimal liegen, um die Funktion wenig zu beeinträchtigen. Da aber zu erwarten war, dass der Neigungswinkel der Implantate divergent ausfallen würde, kamen angulierte Schrauben zum Einsatz. Außerdem sollten die Verblendungen aus einem reparaturfähigen Material (Komposit) ästhetisch ansprechend hergestellt werden – unter Berücksichtigung des vorgegebenen Kostenrahmens.

Vorgehensweise und Umsetzung

Da bereits vor der Extraktion der Zähne alle wichtigen Informationen zum Gebiss gesichert wurden, konnte ich gleich loslegen und effizient arbeiten. Eine angenehme Ausnahme, denn leider wird in der Praxis nicht so oft daran gedacht, bereits in diesem Stadium das Labor mit ins Boot zu holen. Vor der Herstellung des Provisoriums wurde ein Silikon-Vorwall über die noch vorhandenen Zähne platziert, die ursprüngliche Situation damit „eingefroren“ und übertragbar gemacht.

Danach konnten auf dem Modell alle Gipszähne außer 18 und 28 mit einer Fräse entfernt und neu aufgestellt werden (Abb. 4 und 5). Natürlich kann dieser Schritt auch digital erfolgen – je nach Gusto und Möglichkeit. Wichtig dabei ist, die Ursprungssituation zu konservieren. Auch das Provisorium wurde in Wachs reproduziert (Abb. 6–8).

Streifeneder-Mengele
Abb. 4: Die Aufstellung des Provisoriums entspricht der ursprünglichen Situation mit Optimierungen.
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Abb. 5: Die Aufstellung des Provisoriums entspricht der ursprünglichen Situation mit Optimierungen.
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Abb. 6: Von dem fertiggestellten Provisorium wird ebenfalls eine Silikonform angefertigt und mit Hilfe eines Wax-Injektors reproduziert.
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Abb. 7: Von dem fertiggestellten Provisorium wird ebenfalls eine Silikonform angefertigt und mit Hilfe eines Wax-Injektors reproduziert.
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Abb. 8: Von dem fertiggestellten Provisorium wird ebenfalls eine Silikonform angefertigt und mit Hilfe eines Wax-Injektors reproduziert.

Nachdem das Provisorium bereits vor der Extraktion hergestellt wurde, verließ die Patientin wie von ihr gewünscht die Praxis mit Zähnen. Allerdings war es erforderlich, nach einer kurzer Zeitspanne (ca. zwei Wochen später) die Basis zu unterfüttern, um weiterhin eine gute Passung zu gewährleisten.
Die Patientin kam gut zurecht und fand das ästhetische Erscheinungsbild auch sehr gelungen. Somit waren ihre Befürchtungen hinsichtlich der provisorischen Phase hinfällig, was ihr Vertrauen in die weitere Behandlung stärkte.

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Dazu noch ein Hinweis: Manche Behandler argumentieren – vor allem bei der Frage nach den Kosten –, dass es sich doch „nur“ um eine provisorische Prothese handele und unterschätzen dabei deren wichtige Bedeutung. Für mich stellt ein Provisorium immer ein therapeutisches Hilfmittel dar und muss dementsprechend sorgfältig angefertigt werden. Es dient zur Vertrauensbildung und stellt ein wichtiges Probestück für die definitive Versorgung dar. Selbstverständlich muss der Aufwand hierfür entsprechend honoriert werden. Das angefertigte Provisorium dient schließlich auch als Grundlage für eine Bohrschablone und so konnten nach einer Abheilphase von etwa sechs Wochen sechs Implantate in Regio 16,15,12,22,25,26 inseriert werden.

Während der Einheilphase wurde die Basis des Provisoriums nochmals direkt im Mund mit einem weichbleibenden Material unterfüttert, um die Implantate zu entlasten und einen komfortablen Sitz zu gewährleisten. Nachdem alles komplikationslos eingeheilt war, freute sich die Patientin fünf Monate später auf den Beginn der definitiven Versorgung. Diese erfolgte nach dem Standardprozedere: Zuerst erfolgten ein Vorabdruck mit Abdruckpfosten für eine geschlossene Abformung (Abb. 9–11) sowie eine Vor-Bissnahme aus Silikon.

Auf diesem Vorabmodell wurden die Abformpfosten für die offene Abformung für eine Verblockung vorbereitet und ein passgenauer individueller Abformlöffel dazu angefertigt (Abb. 12–15). Zudem erfolgte die Anfertigung einer Bissschablone mit Frontzahnaufstellung und Wachswällen im Seitenzahngebiet (Abb. 16). Leider gibt es beim Astra EV-System keine Bissnahmepfosten, so dass ich mir etwas einfallen lassen musste, um die Bissschablone im Mund sicher fixieren zu können. In diesem Fall habe ich vier Abformpfosten für die geschlossene Abformung verwendet und in der Kunststoffbasis befestigt.

Streifeneder-Mengele
Abb. 9: Vorabdruck mit Modell und Pfosten für eine geschlossene Abformung. Hier erkennt man bereits die Divergenz der Implantate.
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Abb. 10: Vorabdruck mit Modell und Pfosten für eine geschlossene Abformung. Hier erkennt man bereits die Divergenz der Implantate.
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Abb. 11: Vorabdruck mit Modell und Pfosten für eine geschlossene Abformung. Hier erkennt man bereits die Divergenz der Implantate.
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Abb. 12: Vorbereitende Maßnahmen für die definitive Abformung und Bissübertragung.
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Abb. 13: Vorbereitende Maßnahmen für die definitive Abformung und Bissübertragung.
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Abb. 14: Vorbereitende Maßnahmen für die definitive Abformung und Bissübertragung.
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Abb. 15: Vorbereitende Maßnahmen für die definitive Abformung und Bissübertragung.
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Abb. 16: Vorbereitende Maßnahmen für die definitive Abformung und Bissübertragung.

Aufgrund der Vorarbeiten konnten die Verblendschalen einfach übertragen werden (Abb.17 und 18). Nachdem nur eine kleine Bisskorrektur nötig war, konnte ich mit dem Gerüst beginnen. Als Vorgabe für das Fräszentrum habe ich ein Wax-up erstellt. Die optimale Reduzierung erfolgte mit Hilfe eines Silikonschlüssels und der Verblendschalen (Abb. 19 und 21). Das so vorbereitete Wachsgerüst wird nun zu Atlantis (Dentsply Sirona) geschickt, die eine exakte Kopie im Lasermelting-Verfahren mit nachgefrästen Interface-Anschlüssen herstellten (Abb. 20 und 22). Dieses spannungsfreie Gerüst mit abgewinkelten Schraubenkanälen muss nicht nachgearbeitet werden, passt exakt und besitzt den Vorteil einer retentiven Oberflächenstruktur. Die Verblendschalen mussten dann nur noch mit Hilfe des Vorwalles auf das Gerüst umgesetzt und mit Wachs ergänzt werden (Abb. 23 und 24).

Ein schnelles und sicheres Verfahren! Mit der Schalentechnik konnten Form und Stellung von Anfang an exakt reproduziert werden (Abb. 25–28). So vermied ich Überraschungen, und alle Beteiligten hatten bereits das Endergebnis vor Augen. Die Fertigstellung der Brücke war dann Routine und entsprach dem vorhergesagten Ergebnis (Abb. 29 und 30).

Streifeneder-Mengele
Abb. 17: Vorbereitende Maßnahmen für die definitive Abformung und Bissübertragung.
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Abb. 18: Vorbereitende Maßnahmen für die definitive Abformung und Bissübertragung.
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Abb. 19: Um ein optimales Gerüst zu erhalten, wurde ein Wax-up erstellt und mit Hilfe eines Silikonschlüssels reduziert. Das spannungsfreie Gerüst muss nicht nachgearbeitet werden.
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Abb. 20: Um ein optimales Gerüst zu erhalten, wurde ein Wax-up erstellt und mit Hilfe eines Silikonschlüssels reduziert. Das spannungsfreie Gerüst muss nicht nachgearbeitet werden.
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Abb. 21: Um ein optimales Gerüst zu erhalten, wurde ein Wax-up erstellt und mit Hilfe eines Silikonschlüssels reduziert. Das spannungsfreie Gerüst muss nicht nachgearbeitet werden.
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Abb. 22: Um ein optimales Gerüst zu erhalten, wurde ein Wax-up erstellt und mit Hilfe eines Silikonschlüssels reduziert. Das spannungsfreie Gerüst muss nicht nachgearbeitet werden.
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Abb. 23: Umsetzung der bereits verwendeten Verblendschalen auf das Gerüst.
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Abb. 24: Umsetzung der bereits verwendeten Verblendschalen auf das Gerüst.
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Abb. 25: Fertig vorbereitetes Gerüst für die Wachseinprobe.
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Abb. 26: Fertig vorbereitetes Gerüst für die Wachseinprobe.
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Abb. 27: Fertig vorbereitetes Gerüst für die Wachseinprobe.
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Abb. 28: Fertig vorbereitetes Gerüst für die Wachseinprobe.
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Abb. 29: Die Fertigstellung der Brücke ist dann Routine.
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Abb. 30: Die Fertigstellung der Brücke ist dann Routine.

Die heutigen Verblendkomposite stehen meiner Meinung nach ästhetisch gegenüber den Keramiken in nichts nach. Ganz im Gegenteil, in manchen Fällen kann es sogar vorteilhafter sein. Die Qualität der Materialien ist sehr hochwertig, die Versorgungen besitzen eine lange Lebensdauer und sind zudem reparaturfähig.

Es gilt dabei zu beachten, dass alles sehr sorgfältig verarbeitet wird, damit sich im Laufe der Zeit bei den Übergängen keine Risse und Verfärbungen bilden. Um Kosten einzusparen, verwendete ich in diesem Fall Kompositschalen und ergänzte sie mit dem passenden Flow-Material (Abb. 31–33). Alternativ kann man die Verblendschalen nur als Mock-up verwenden und mit Hilfe der Küvettentechnik alles aus Komposit pressen. Auf Basis der Daten eines Oralscans entstand zudem eine Schutzschiene für die Nacht: Auf einem gedruckten Modell habe ich eine einfache Tiefziehschiene angefertigt (Abb. 34). Die beiden Weisheitszähne wurden nach Abschluss der Behandlung extrahiert.

Streifeneder-Mengele
Abb. 31: Die Qualität von Verblendkompositen ist heute sehr hochwertig. Um Kosten einzusparen, verwendete ich in diesem Fall Kompositschalen und ergänzte diese mit dem passenden Flow-Material.
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Abb. 32: Die Qualität von Verblendkompositen ist heute sehr hochwertig. Um Kosten einzusparen, verwendete ich in diesem Fall Kompositschalen und ergänzte diese mit dem passenden Flow-Material.
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Abb. 33: Die Qualität von Verblendkompositen ist heute sehr hochwertig. Um Kosten einzusparen, verwendete ich in diesem Fall Kompositschalen und ergänzte diese mit dem passenden Flow-Material.
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Abb. 34: Ein Muss zum Schluss: die Schutzschiene für die Nacht.

Fazit:

Die Patientin war während der gesamten Behandlungsdauer immer gut versorgt und konnte damit den Totalverlust aller Zähne auch während der Übergangsphase gut bewältigen. Trotz der weit palatinal stehenden Implantate bestand keine Störung bei der Lautbildung und im Zungenbereich. Die angulierten Schrauben glichen zudem weitere Mängel bei der Implantatstellung aus, so dass trotz ungünstiger Ausgangslage ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden konnte. Da ich vor Behandlungsbeginn als Labor mit einbezogen wurde, konnte ich diesen schwierigen Fall sicher und kostengünstig lösen.

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