Getting your Trinity Audio player ready...
|
Vermutlich gibt es keinen Zahntechniker bzw. keine Zahntechnikerin, der oder die nicht schon einmal auf dem Boden kriechend eine „weggeflogene“ oder heruntergefallene Krone gesucht hat. Mein Mann behauptet immer, dass Zahntechniker/-innen an sich ihre Knieschmerzen nicht vom Sitzen, sondern vom „Herumrobben“ auf dem Boden bekommen. Ich muss zugeben, dass auch ich schon etliche Minuten auf dem schmutzigen Boden nach Kronen, Inlays, Schrauben oder Abutments gesucht habe. Auch so mancher „Striptease“ gehörte dazu, wenn man vermutete, dass sich diese kleinen Teile im Halsausschnitt, Hosenaufschlag oder in den Außentaschen befinden. Dazu wäre es doch mal sehr interessant, eine Datenerhebung zu erstellen, wie viele Stunden seines bzw. ihres Berufslebens ein Zahntechniker oder eine Zahntechnikerin mit Suchen verbracht hat. Da kommt bestimmt einiges zusammen! Solange man dann fündig wird, ist ja wieder alles in Ordnung. Aber wehe, wenn nicht! Als Trost für alle Kollegen/-innen, die dies noch nicht erlebt haben: Keine Krone löst sich in Luft auf und es taucht alles wieder auf. Die Frage ist nur: wann?
Das schlimmste Erlebnis diesbezüglich war für mich ein Primärteleskop, welches beim Polieren durch die Luft flog und nicht mehr auffindbar war. Tatsächlich tauchte es erst viele Jahre später bei einer Laborrenovierung – zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich übrigens schon lange nicht mehr dort – hinter einem Schrank versteckt in einer Spinnwebe hängend wieder auf. Das war einer der Gründe, warum ich bei der Einrichtung meines Labors darauf geachtet hatte, „Schlupflöcher“, an die man später nicht mehr hinkam, zu vermeiden.
Suchen in drei Phasen
Trotzdem ereilte mich auch 2024 wieder ein kurioses Erlebnis in meinem Laboralltag, das schon detektivische Fähigkeiten abverlangte: Es war bereits später Nachmittag, als ich eine Versorgung mit zwei verschraubten Implantatkronen nur noch mit der Titanbasis verkleben musste, um diese fertigstellen zu können. Bevor ich eine monolithische Zirkonkrone mit einer Titanbasis verklebe, muss die Klebefläche abgestrahlt werden. Dazu ummantele ich die Krone zum Schutz mit einem milchig-durchsichtigen Silikon. Nachdem im Labor die Raumtemperatur schon über 23 Grad lag, entschloss ich mich dazu, eine Krone nach der anderen, statt beide gleichzeitig zu verkleben. Also bereitete ich alle Teile vor und begann damit, die erste auf die Basis zu kleben. Während der Aushärtephase wollte ich nun mit der zweiten Krone beginnen, fand diese aber nicht mehr auf meinem Arbeitsplatz vor. Etwas ratlos fing ich also an zu suchen. Ohne Erfolg. Da bekanntermaßen vier Augen mehr sehen als zwei, holte ich nach geraumer Zeit meinen Mann dazu. Auch er rutsche auf dem Boden herum und suchte mit. Nichts zu finden.
Dann begann die zweite Such-Phase: Ich entledigte mich zum Teil meiner Kleidung, schüttelte alles durch und sah in den Kitteltaschen, Hosensäumen und auch in den Schuhen nach, ob sich die vermisste Krone darin befand. Wieder nichts. Die dritte Phase nach über einer Stunde enthielt eine „Rekonstruktion“. Dazu packte ich eine Schaukrone ebenfalls in das Silikon und testete, wohin diese fallen könnte. Durch das Silikon entstand zwar ein gewisser „Gummiball-Effekt“, allerdings war die verwendete Schaukrone trotzdem gut auffindbar. Um die Sache nun etwas abzukürzen: Am nächsten Morgen rief ich frühzeitig die Behandlerin an und teilte ihr – mittlerweile wirklich verzweifelt – mit, dass ich nur 50% der Arbeit liefern könne, da eine von den beiden Kronen „irgendwie“ verschwunden sei.
Grundreinigung als Suchhilfe
Danach begannen wir, das Labor vollkommen auf den Kopf zu stellen: Jede Ecke wurde gereinigt, jede Schublade überprüft und alle Schränke oben und unten samt Innenleben kontrolliert. Einzig positiver Nebeneffekt: Das Labor wurde dadurch gründlich gereinigt. Aber die Krone tauchte trotzdem nicht mehr auf. Es war wie verhext! Nach einer Woche intensivster Suche, nächtlichen Grübelns und mit großem Unverständnis fertigte ich schließlich die Krone nochmal neu an, damit der Patient nun endlich fertig versorgt war.
Endlich gefunden!
Mehr als zwei Monate später – ich hatte die verschwundene Krone schon fast vergessen – fand ich bei meinen präfabrizierten Wachskronen, die ich als Wax-up-Vorlage für die Implantatversorgungen benutze, ein komisches „Gebilde“ und fragte mich, was das wohl sein könnte. Diesen bunten Haufen von Wachskronen schütte ich immer bei Bedarf auf der Arbeitsfläche aus (Abb. 1) und räume ihn anschließend in ein Körbchen zurück.

Bei näherem Hinsehen entpuppte sich dieser komische Zahn als die mit Silikon eingepackte Zirkonkrone, die sich damals auf meinem Arbeitsplatz einfach in diesen Haufen von Wachszähnen „geschmuggelt“ hatte und dadurch unsichtbar wurde (Abb. 2 und 3). Wie gesagt: Es geht nichts verloren, man muss nur sehen und suchen lernen. Die wiedergefundene Krone habe ich dann zur Schauarbeit umfunktioniert. Gleichzeitig dient sie mir heute ebenfalls als eine Art „Mahnmal“, meinen Arbeitsplatz immer in Ordnung und auch das Unmögliche für möglich zu halten.


Anekdote, die – eine kurze, oft geistreiche oder witzige Schilderung einer bemerkenswerten oder charakteristischen Begebenheit, meist im Leben einer Person. Bestimmt hatten auch Sie das ein oder andere bemerkenswerte, lustige oder gar kuriose Erlebnis bei Ihrer Arbeit im Labor. Teilen Sie dieses doch gerne mit uns und schicken Sie einfach eine Mail an: ramona.dreher@spitta.de. |
Keine Kommentare.