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Zünftig abgerechnet?

Dentallabore sind Unternehmen, ihre Inhaber/-innen und Geschäftsführer/-innen sollten entsprechend unternehmerisch denken. Geschäftstüchtig verschenken sie Reparaturen, die dann die zahnärztliche Kundschaft als Eigenleistung verrechnet. Warum macht man so etwas?

MStock/Adobe Stock
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Viele mögen denken: „Warum soll ich Zeit aufwenden für die Diskussion über Rechnungen für Arbeiten, die mir ohnehin nur Verluste einbringen?“ Wirtschaftliches Arbeiten mit Reparaturen scheint wohl nur noch in größeren Städten mit kurzen Entfernungen zu funktionieren und bei entsprechenden Synergien. Das ist ein Grund, warum man auch bei den BEL-II-Höchstpreisen mal genau hinsehen sollte.

Die „jungen wilden Dentalhelden“ sind kaum in den Innungen anzutreffen, das Geplänkel um die BEL II ist ihnen nicht selten fremd. Für sogenannte Boutique-Labore scheinen Kassenpreise bedeutungslos zu sein. Allerdings gibt es in einigen wirtschaftlich eher schwächeren Regionen auch bei Patienten, Behandelnden sowie Frauen und Männern der Zahntechnikerzunft, die reich an Berufsjahren sind, Spezialisten, was den Umgang mit Reparaturen, aber auch althergebrachten Strukturen betrifft. Denn über viele Jahrzehnte gewachsene Strukturen und zum Teil über Generationen bestehende Kundenbeziehungen lassen sich nur schwer ändern – eher noch zerschlagen.

Doch will man das wirklich? Wäre es denn nicht doch zu bewerkstelligen, beispielsweise zehn Sprungreparaturen in fünf Stunden zu erledigen? Zehn Modelle auf einmal ausgießen, lediglich die Bruchstelle mit Sandpapier anschleifen, alle Modelle auf einmal in den Drucktopf, ausarbeiten, polieren, kein Abdampfen … Die Zähne sind dann vielleicht nicht mehr schön, aber die Funktionsfähigkeit ist wiederhergestellt und das ist doch nach dem Sozialgesetzbuch eine ausreichende Leistung – oder? Dann wird ein Fahrer geschickt, der hin und zurück insgesamt etwa drei Stunden braucht. Mit der Kalkulation der Raum- und Fahrzeugkosten kommen wir grob gerechnet auf 400 Euro. Auf eine Arbeitszeit von acht Stunden heruntergebrochen landen wir bei einem Stundenlohn von 50 Euro – allerdings berücksichtigen wir dabei nicht das Material und die Bürokraft. Gar nicht mal so schlecht, könnte man meinen.

Wie ich in der vorherigen Ausgabe bereits geschrieben habe, soll die Mischkalkulation Konsens sein. Denn es gibt ja die Vollverblendung, mit der das „Reparaturlabor“ die Verluste der Kunststoffprothetik ausgleichen soll. Vorausgesetzt natürlich, es arbeitet überhaupt mit Keramik. Aber wer hat schon jeden Tag zehn Sprünge in der Arbeitsschale liegen? Tatsächlich würde es mich sehr langweilen, wenn ich jeden Tag nur Reparaturen machen müsste. Aber ebenso die Vorstellung, ich würde mich auf das virtuelle Designen der Prothetik für Zahnarztpraxen beschränken.

Mein Handwerk lebt von Vielfalt! Unsere tägliche Arbeit ist nicht nur handwerklich, sondern hat auch zahlreiche medizintechnische und soziale Aspekte. Und diese Vielfalt spiegelt sich bei den für das Labor leider allzu oft anonymen Patientinnen und Patienten und deren Bedürfnissen wider. Somit gleicht auch kein Meisterbetrieb dem anderen. Die totgesagten deutschen Großlabore gibt es noch und sie haben Zahnärzte und Zahnärztinnen, die noch so arbeiten wie früher: wirtschaftlich und schnell. Da weiß man sich zu helfen und erfüllt seinen Versorgungsauftrag.

Außendarstellung des zahntechnischen Handwerks

Wenn wir als Produzenten des Zahnersatzes in diesem undurchsichtigen Sumpf mitmachen, ist es kein Wunder, dass die Allgemeinheit Zahnersatz für teuer hält. Keiner kennt uns, keiner kann sich vorstellen, wie wir arbeiten, und wir tun auch nichts, um diese diffizile, zeitintensive Arbeit zu präsentieren. Unsere Leidenschaft und unser Geschick zeigen wir meist nur unter Unseresgleichen. Das wäre so, als ob BMW nur bei Mercedes und VW Werbung machen würde. Die Vorteile und die Einzigartigkeit unserer Werkstücke müssen den Patientinnen und Patienten verdeutlicht werden. Stattdessen reden wir von Gleichartigkeit. Wir zeigen uns gerne digital und vermitteln den Eindruck, dass 100-€-Scheine quasi per Mausklick generiert werden.

Gina Sanders/Adobe Stock
Die BEL II schränkt die Abrechnung der Arbeiten stark ein.

Eigentlich ist es eine Schande, was aus dem Zahntechnikerhandwerk geworden ist. Früher war es bei uns selbstverständlich und in vielen Ländern ist es das immer noch: Da sind die Zahntechniker als Hersteller des Zahnersatzes nicht den Zahnärzten untergeordnet. Es sind einfach zwei verschiedene Berufe. Wir reden zwar vom Teamgedanken und der Zusammenarbeit, aber wir stellen unser Licht permanent unter den Scheffel. Wir Zahntechniker sind Brückenbauer – Pontifex auch zwischen Patienten und Zahnärzten.
Die Politikerinnen und Politiker kümmern sich jedoch nicht wirklich um uns. Wir, die Zahntechnikerzunft, haben die Verantwortung für uns selbst. Es ziemt sich eben nicht, zahntechnische Leistungen unter den Herstellungskosten zu verhökern. Deswegen ist es wichtig, auch die BEL-II-Preise auf ein zeitgerechtes Niveau zu heben, statt das Defizit mit überteuerten BEB-Preisen bei anderen Patientinnen und Patienten auszugleichen.

Individuelle Kalkulation

Dabei muss man, wie gesagt, die Vielfalt und das individuelle Detail betrachten. Ein Beispiel: Ein Speziallabor hat einen Kunden, der 150 km oder ein bisschen weiter entfernt ist. Nun erscheint der Patient nicht und schon ist der erste Tag futsch. Beim zweiten Anlauf hat es geklappt, die Arbeit ist im Drucktopf. Allerdings ist es nicht wie am Telefon angekündigt eine Kunststoffprothese, sondern es gibt da auch noch einen bereits mehrmals reparierten Modellguss aus Titan, der nicht erwähnt wurde. In dem Speziallabor für Keramik ist man auf das Lasern allerdings nicht eingestellt. So fährt der Dentalkünstler zum Kollegen im benachbarten Bundesland, denn der um die Ecke hat auch keinen Laser oder keine „Kapazitäten“. Der zweite Tag ist vorbei. Am dritten Tag ist die Arbeit fertig, 450 km sind verfahren und das Hochglanzatelier mit Kunststoffspänen bestäubt. Drei Tage – 40 € Umsatz, denn der Preis war natürlich telefonisch besprochen.

Bei diesem zugegebenermaßen extremen Beispiel hilft nicht einmal die Deckungsbeitragsrechnung. Vielmehr läuft es als eine Art „Kundenbindungsmaßnahme“. Diese Diskrepanz lässt sich mit einer BEL II natürlich nicht abdecken. Dennoch, die Preise müssen angehoben werden, wenn wir unsere fleißigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gerecht bezahlen wollen. Die Gesetze der freien Marktwirtschaft regulieren in allen freien Branchen die unterschiedlichen Interessen. Unglücklich für uns, dass die Gesundheit politisch so ein heißes Eisen ist.

Möglichkeiten der Innungen

Meiner Meinung nach sollten alle Betriebe der Innung beitreten. Kaum jemand weiß, wie wir arbeiten, und viele wissen gar nicht, dass es uns gibt. Warum also sollte sich irgendjemand für uns interessieren? Die Lösung könnte in dem abgedroschenen Spruch liegen: „Gemeinsam sind wir stark!“ Innungen haben die Möglichkeit, durch Lobbyarbeit in den Ländern und in Berlin Einfluss darauf zu nehmen, dass die Kassenpreise adäquat angehoben werden und dass unser Handwerk wieder mehr Bedeutung erhält.
Zu meinen, die BEL II betrifft einen nicht, ist zu kurz gedacht. Auch eine Regelversorgung muss so vergütet werden, dass derjenige, der die Arbeit macht, davon leben kann. Und zu verlangen, dass man diese defizitären Arbeiten durch verteuerte Preise bei unbeteiligten dritten Patientinnen und Patienten bzw. deren Leistungserbringern ausgleichen soll, empfinde ich geradezu als das Gegenteil von sozial. Wenn eine staatliche Institution wie die Sozialversicherung ihrer Verpflichtung zum Risikoausgleich nicht mehr nachkommen kann, dann weiß ich auch nicht, was man dazu noch sagen soll.

Matthias Schenk
Wer Reparaturen verschenkt, verschenkt bares Geld.

Leider informieren sich Patientinnen und Patienten beim Zahnersatz nicht so ausgiebig wie vor einem Kauf eines Elektronikartikels. Oder sie stellen einfach den falschen Menschen die falschen Fragen. Es fehlt ihnen am Grundverständnis für zahntechnisches Arbeiten. Zahnärzte und Zahnärztinnen sind nicht unsere Verkäufer, sie sind Ärzte. Und oft fehlt ihnen das zahntechnische Grundwissen, da dies kein Lehrstoff mehr im Studium ist.

Zähne zeigen

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Zahntechniker, die aktiv wurden und ihre Arbeit auf regionalen Messen präsentierten, berichteten einstimmig von sehr großem Interesse potenzieller Patientinnen und Patienten für unsere Arbeit. Warum zeigen wir Zahntechniker unseren Patienten nicht einfach mehr schöne Zähne, einschließlich der Raffinesse und deren Vorzüge? Wenn nicht wir, wer dann? Denn es ist nicht die Aufgabe der Zahnärztinnen und Zahnärzte, dies für uns zu erledigen. Auf der anderen Seite werden von Patientinnen und Patienten Termine nicht eingehalten und die Zahlungsmoral lässt stark zu wünschen übrig. Was ich hier beschreibe, ist die Spirale der fehlenden gegenseitigen Wertschätzung, die uns alle nach unten zieht.
Es wäre doch schön, wenn es uns gelingen würde, gemeinsam für die Zahnmedizin eine Lanze zu brechen. Unser schönes Handwerk eignet sich besonders, da die vielseitigen Arbeitsschritte nicht nur faszinierend sind, sondern eben auch das Bewusstsein für den Zeitaufwand in der Bevölkerung wecken. Gemeinsam mit den Behandelnden könnten wir an unserem Image arbeiten, um die Brücke zu den Patientinnen und Patienten zu schlagen.

Fazit

Meine Wünsche sind, die Innungen zu stärken und Kassenrechnungen auf ein zeitgemäßes individuelles System umzustellen, das zu einer gerechten Vergütung führt und die Zukunft unseres Berufes sichert. Denn die profitorientierten privaten Versicherer haben sich mit der Einführung der Sachkostenlisten und ihren intransparenten Tarifen auch nicht als ein Segen erwiesen. Die freie Marktwirtschaft sollte in der zahntechnischen Abrechnung eingeführt werden. Es ist die Aufgabe einer Sozialversicherung, soziale Unterschiede auszugleichen, und nicht die des Handwerks. Starke Innungen können hier einiges bewegen. Mein Apell: Werden Sie in Ihrer Innung aktiv!

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