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Sind Compliance-Managementsysteme in Zeiten von Bürokratieabbau für Dentallabore (noch) zeitgemäß?

Compliance versus Entbürokratisierung

Die Forderung nach einem Abbau überbordender Bürokratie wird zunehmend lauter – auch und gerade im Gesundheitswesen. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist dem Bürokratieabbau im Gesundheitsbereich sogar ein eigener Abschnitt gewidmet. Geplant ist u.a. eine deutliche Reduzierung von Dokumentationspflichten und des Kontrollaufwands [1]. Parallel dazu wird seit Jahren über die Notwendigkeit und den Nutzen von Compliance-Managementsystemen (CMS) in Unternehmen diskutiert.

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Ziel eines CMS ist die Sicherstellung der Regelkonformität im Unternehmen. Es umfasst sowohl die systematische Dokumentation von getroffenen Maßnahmen als auch interne Kontrollmechanismen. Vor diesem Hintergrund stellt sich für Dentallabore die berechtigte Frage: Ist ein CMS angesichts des erklärten Ziels einer Entbürokratisierung noch zeitgemäß?

Bürokratieabbau und CMS – ein Widerspruch?

Während Compliance auf die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und interner Richtlinien abzielt, bedeutet Entbürokratisierung die Vereinfachung administrativer Abläufe – oft durch den Abbau unnötiger Vorschriften. Auf den ersten Blick mögen sich diese Ziele widersprechen.

Bei genauer Betrachtung ergibt sich jedoch ein ergänzendes Verhältnis: Je mehr Regelungen bestehen, desto mehr muss auf deren Einhaltung geachtet werden. Werden unnötige Regelungsbereiche jedoch abgebaut, hat auch ein CMS weniger zu tun. Es besteht also kein Widerspruch zwischen der Notwendigkeit eines CMS und dem Ziel des Bürokratieabbaus.

Ein CMS ist kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug zur Risikominimierung. Es schützt Unternehmen vor Rechtsverstößen, finanziellen Sanktionen und Reputationsverlust. Zudem kann ein gut implementiertes CMS die betriebliche Effizienz fördern – etwa durch standardisierte Abläufe und klar definierte Verantwortlichkeiten. Damit wird das CMS zu einem strategischen Instrument für zukunftsorientierte Unternehmensführung – auch im Dentallabor.

Strategischer Vorteil

Für Dentallabore besteht keine gesetzliche Pflicht zur Einführung eines CMS. Dennoch ist die Implementierung empfehlenswert – gerade in einem so hochregulierten und haftungssensiblen Umfeld wie dem Gesundheitswesen. Ein CMS dient nicht nur der rechtlichen Absicherung, sondern kann auch helfen, interne Abläufe zu optimieren und nachhaltig zu professionalisieren.

Ein Beispiel für branchenspezifische Compliance-Unterstützung ist die Compliance-Leitlinie der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) aus dem Jahr 2015. Sie bietet Vertragszahnärztinnen und -zahnärzten Orientierung hinsichtlich ihrer rechtlichen Pflichten – ohne jedoch deren konkrete Umsetzung vorzugeben. Solche Leitlinien können auch Dentallaboren Anhaltspunkte liefern, die ihnen helfen, das Thema Compliance richtig anzugehen.

Umsetzung mit Augenmaß

Gerade kleine und mittelständische Dentallabore sollten beim Aufbau eines CMS auf Augenmaß setzen. Ein CMS muss dem Unternehmensalltag dienen und soll ihn nicht zusätzlich belasten. Daher sind hier nicht die gleichen Strukturen notwendig wie beispielsweise bei einem international agierenden Konzern. Ein zu bürokratisches System kann sogar einen gegenteiligen Effekt erzielen und Umgehungsstrategien fördern [2].

Compliance-Vorgaben sollten praxisnah, verständlich und verhältnismäßig sein – orientiert an den realen Risiken und Anforderungen des konkreten Dentallabors. Als Maßstab empfiehlt sich hier: so viel wie nötig, so wenig wie möglich.

Compliance-Themen im Dentallabor

Ein CMS verfolgt das Ziel, Regelverstöße frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. Insbesondere dann, wenn Risiken im Tagesgeschäft nicht unmittelbar erkennbar sind, kann ein CMS helfen, kritische Konstellationen sichtbar zu machen. Im Folgenden werden einige Compliance-Themen dargestellt, die für Dentallabore relevant sind.

– Organisation des Labors

Zuerst muss grundlegend sichergestellt werden, dass im Dentallabor sämtliche allgemeinen Unternehmenspflichten eingehalten werden – etwa im Arbeitsrecht (z.B. Arbeitsschutz, Mindestlohn) oder im Bereich der steuerlichen Compliance („Tax-Compliance“). Auch dem Datenschutz kommt im Laborbetrieb besondere Bedeutung zu – nicht zuletzt, weil mit sensiblen Gesundheitsdaten gearbeitet wird. So sollten beispielsweise personenbezogene Patientendaten nicht unverschlüsselt per E-Mail oder (soweit noch vorhanden) per Fax übermittelt werden. Ebenso ist auf die Einhaltung von Löschfristen nach Ablauf gesetzlicher Aufbewahrungsfristen zu achten.

Ein aktuelles Beispiel für die praktische Relevanz von Compliance ist die Einführung der E-Rechnung [3]. Zwar bedeutet ihre Umsetzung zunächst organisatorischen Mehraufwand, langfristig lassen sich aber Abläufe effizienter gestalten, Fehler reduzieren und Ressourcen einsparen.

Wichtig: Auch wenn Dentallabore derzeit nicht verpflichtet sind, E-Rechnungen zu versenden, müssen sie in der Lage sein, diese zu empfangen. Ist dies technisch nicht möglich, gilt die Rechnung dennoch als gestellt, Zahlungsverzug tritt ein und Reputationsschäden können drohen.

Nicht zuletzt unterliegt auch der eigentliche Tätigkeitsbereich – die Herstellung von Medizinprodukten – strengen regulatorischen Anforderungen. Die Medizinprodukteverordnung verpflichtet Labore unter anderem zur Einführung eines Qualitätsmanagementsystems, zur Produktklassifizierung sowie zur Ausstellung von Konformitätserklärungen. Hier bestehen klare Anforderungen an Dokumentation, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit.

Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern

Ein weiterer zentraler Aspekt der Compliance betrifft die Geschäftsbeziehungen – bei einem Dentallabor insbesondere die zur Zahnarztpraxis. Für deren Bewertung sind vier Prinzipien von besonderer Bedeutung:

  • Nach dem Trennungsprinzip dürfen Zuwendungen nicht mit Beschaffungsentscheidungen verknüpft werden.
  • Das Transparenzprinzip fordert, alle Zuwendungen und Vergütungen offen zu legen.
  • Aus dem Äquivalenzprinzip folgt, dass Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen sollen. Ein Ungleichgewicht kann darauf hindeuten, dass mit der entsprechenden Leistung (auch) etwas anderes verfolgt wird.
  • Alle Leistungen sollten schriftlich fixiert werden (Dokumentationsprinzip).

Bei der Zusammenarbeit zwischen Dentallaboren und Zahnarztpraxen ist vor allem ein Bereich unter Compliance-Gesichtspunkten interessant: die Preisgestaltung. Denn Zahnarztpraxen unterliegen hier Vorgaben zur Abrechnung gegenüber Patientinnen und Patienten. In der Vergangenheit wurde jedoch immer wieder versucht, diese zu umgehen. Zwar könnte sich ein Dentallabor auf den Standpunkt stellen, dass es ihm egal sein könnte, wie die Zahnarztpraxis ihre Rechnungen stellt. Wer so denkt übersieht jedoch, dass sich Rechtsverstöße des Geschäftspartners in bestimmten Konstellationen auch für einen selbst nachteilig auswirken können. Führt ein Verstoß etwa zur Nichtigkeit des getroffenen Vertragsabschlusses, kann ggf. der eigene Honoraranspruch hierauf nicht mehr gestützt werden. Und auch eine strafrechtliche Verantwortung der Geschäftspartner kann sich auf die weiteren Beteiligten erstrecken (zum Beispiel als Beihilfe).

Zahnarztpraxen dürfen nach § 9 Abs. 1 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) nur die tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten der zahntechnischen Leistungen berechnen. Rabatte dürfen daher nicht zur eigenen Gewinnerzielung einbehalten, sondern müssen weitergegeben werden. Das bedeutet auch, dass eine Zahnarztpraxis von einem eingeräumten Rabatt ggf. gar nicht selbst profitiert. Lediglich übliche Skonti (2–3 % bei Zahlungsziel bis 14 Tage) sind zulässig.

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Eine Vertragsvereinbarung, die dies zu unterlaufen versucht, ist rechtlich unzulässig. Dem Transparenzprinzip folgend sollten Rabatte klar ausgewiesen werden. Denn dann können diese auch den rechtlichen Vorgaben entsprechend weitergegeben werden. Wird ein solcher Rabatt „versteckt“, kann dies als ein erster Hinweis darauf verstanden werden, dass eine Rabattweitergabe zugunsten des Vertragspartners umgangen werden soll – mit den oben geschilderten Konsequenzen. Nur dort, wo Materialkosten pauschaliert in den zahnärztlichen Gebührenziffern schon mitberücksichtigt werden, wie beispielsweise bei Brackets, verbleibt der Rabatt rechtlich zulässig in der Zahnarztpraxis.

Beispiel: Partner-Factoring

Ein anschauliches Beispiel für einen potenziellen Compliance-Verstoß stellt das sogenannte Partner-Factoring dar. Dieses ist zwischenzeitlich weitestgehend vom Markt verschwunden – und das nicht ohne Grund; an den dargestellten Compliance-Prinzipien lässt sich erkennen, warum. Bei dem Partner-Factoring beteiligt sich das Dentallabor an den Kosten, die einer Zahnarztpraxis für die Abtretung ihrer Forderung gegenüber einer Patientin bzw. einem Patienten entstehen – und zwar bezogen auf den Forderungsteil für die zahntechnischen Leistungen.

Allerdings ist das Labor kein Vertragspartner der Patientin bzw. des Patienten, sondern nur der Zahnarztpraxis. Deshalb erhält es von der Zahnarztpraxis die vereinbarte Vergütung auch dann, wenn die Rechnung von Patientenseite nicht beglichen wird. Das Labor profitiert also selbst nicht von dem Factoring, eine Beteiligung an den Kosten stellt sich deshalb als eine Bezuschussung der Zahnarztpraxis dar. Das Trennungsprinzip wird hier verletzt, da die Zahnarztpraxis durch die finanzielle Unterstützung in ihrer Beschaffungsentscheidung beeinflusst werden soll. Mangels angemessener Gegenleistung liegt zudem ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vor. Häufig fehlte auch die Offenlegung der Leistung (Verstoß gegen das Transparenzprinzip).

Die genannten Compliance-Prinzipien führen somit zu einer Bewertung dieser Kooperation als kritisch. Das rechtliche Problem, das hier dahintersteckt, ist folgendes: Da die Zahnarztpraxis nur die tatsächlich entstandenen Kosten weiterberechnen darf (s. o.), und die Bezuschussung für das Factoring die tatsächlichen Kosten der Praxis mindert, muss dieser Betrag weitergegeben werden. Ansonsten ist die zahnärztliche Rechnungsstellung unrichtig. Wenn dieser Zusammenhang auch Gegenstand der Absprache war bzw. das Dentallabor von Verstößen hiergegen wusste, kann sogar eine Korruption nach § 299a f. StGB (Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen) in Betracht kommen.

Beispiel: Rückvergütung einer Dentalhandelsgesellschaft

Ein weiteres Beispiel aus der Praxis ist das Geschäftsmodell einer Dentalhandelsgesellschaft, die zahntechnische Leistungen günstig im Ausland einkaufte und zu inländischen Preisen mit entsprechendem Gewinn an Zahnarztpraxen verkaufte. Letztere stellten die hierbei entstandenen Kosten Patientinnen und Patienten bzw. Kostenträgern in Rechnung. Im Nachhinein erhielten die Zahnarztpraxen jedoch einen Teil des Gewinns als „Kick-back“ wieder ausgezahlt. Dieser wurde dann weder an Versicherte noch Krankenkassen weitergegeben.

Da Zahnarztpraxen bei der Zahntechnik nur die tatsächlich entstandenen Kosten berechnen dürfen, wäre die Rückvergütung zu berücksichtigen gewesen. Diese hatte zum Ziel, die Kundschaft langfristig in das System einzubinden, also die Beschaffungsentscheidungen zu beeinflussen. Damit wurde das Trennungsprinzip nicht eingehalten. Das Transparenzprinzip wurde missachtet, weil die Rückvergütungen nicht offengelegt wurden, und das Dokumentationsprinzip, weil die Rückvergütung nicht schriftlich festgehalten, sondern nur mündlich vereinbart wurde. Auch die Einhaltung des Äquivalenzprinzips erscheint fraglich, denn eine (zulässige) Gegenleistung für die Rückvergütung wurde nicht vereinbart. Mehrere Beteiligte wurden strafrechtlich wegen Betrugs verurteilt; nach aktueller Rechtslage käme zusätzlich eine Korruptionsstrafbarkeit gemäß § 299a StGB in Betracht.

Fazit

Auch in Zeiten des Bürokratieabbaus bleibt ein CMS für Dentallabore ein sinnvolles Instrument. Es schafft Klarheit, reduziert rechtliche Risiken und unterstützt effiziente Abläufe. Ein CMS hilft, Risiken zu erkennen und regelkonforme Lösungen zu etablieren. Damit wird es zu einem wichtigen Baustein für rechtssicheres und zukunftsfähiges Wirtschaften im Dentallabor.

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