In 36 Jahren in der Zahntechnik habe ich verschiedenste Veränderungen und den digitalen Wandel im Dentalbereich hautnah miterlebt. Aus meinen Erfahrungen heraus habe ich zu einem Konzept gefunden, das sich auf drei Säulen gründet und Zahntechniker erfolgreich zu einer gesunden Work-Life-Balance führen kann.
Die guten Vorsätze der Deutschen
Der Begriff Work-Life-Balance steht für einen Zustand, in dem Arbeits- und Privatleben miteinander in Einklang stehen. Und wenn man sich anschaut, was sich die Bundesbürger diesbezüglich wünschen, stehen Stressreduzierung, mehr Zeit für Familie und Freizeit sowie mehr Sport und gesündere Ernährung an erster Stelle [1]. Entsprechend geht das hier vorgestellte 3-Schritte-Konzept auf die Themen Denken, Bewegung und Ernährung ein.
Die Realität im Alltag
VDEK, GKV Leitfaden, Prävention 2014
Unausgewogene Work-Life-Balance im Zahntechnikeralltag
Neben verschiedenen beruflichen Herausforderungen im Zahntechnikeralltag, in dem fachliche, zeitliche und handwerkliche Fertigkeiten eine große Rolle spielen, bilden nicht selten auch private Aufgaben und das Familienleben mögliche Stressfaktoren. Es entsteht Disbalance. Diese macht sich schwerstwiegend bemerkbar, wenn die Gesundheit leidet. Zu hohe und dauerhafte physische und psychische Belastungen lassen den Zahntechniker irgendwann zum Arzt und (Physio- oder Psycho-)Therapeuten gehen.
Als eine der stärksten Ursachen für überhöhten Stress wird von Zahntechnikern meist die hohe Arbeitsbelastung im Labor durch viele Aufträge und enge Termine genannt. Dann folgen der Erfolgsdruck für hochästhetischen Zahnersatz und vorbildliche Präzision sowie die zu tragende Verantwortung für geleistete und zu leistende Arbeit. Als Chef muss man zusätzlich für eine gute Auftragslage und die teils sehr herausfordernde Kommunikation mit dem Zahnarzt Sorge tragen. Des Weiteren wird von Zahntechnikern die steigende fachliche Anforderung und Überforderung (auch angesichts der Digitalisierung) genannt. In den vergangenen Jahren ist als neuer Stress-Macher die ständige Erreichbarkeit hinzugekommen. Und nicht zuletzt: Immer häufiger wird aktuell der digitale Augenstress genannt.
Auswirkungen
KBV, Stand 2015
Der erste Schritt hin zu einer guten Balance: das richtige Denken!
Die gerade gewählte Überschrift klingt auf den ersten Blick recht banal … sie hat aber ihre Bewandtnis und Berechtigung. Es geht nicht um das Planen und allgemeine Durchdenken der Arbeitsabläufe, sondern um die Qualität des Denkens im Alltag. Da man durch Auswertung von Studien [2] weiß, dass man das Gehirn des Menschen wie einen Muskel trainieren kann, gibt es dazu verschiedene Ansätze. Meine eigene Anregung dazu lautet, sich der täglichen Entscheidungen für oder gegen etwas bewusster zu werden und z. B., anstatt täglich im Labor nur die „Dental- Hygiene“ im Kopf zu haben, auch die „Mental-Hygiene“ gezielt zu pflegen. Dazu eignen sich u. a.
- Gehirnjogging-Techniken,
- IQ-Übungen,
- Autogenes Training und
- Meditation.
Dies alles kann man, wenn man will – und dies ist zielführend –, in Workshops mit anderen Teilnehmern gemeinsam vollbringen. Es ist dabei wichtig, dies genauso regelmäßig und selbstverständlich auszuüben, wie man zahntechnische Magazine liest, Fortbildungen besucht oder sich mit Kollegen fachlich austauscht. Dazu gehört u. a. auch, dass die überwiegend negativen Nachrichten und Probleme des Tages aktiv durch positive Informationen und positive Gedanken ausgeglichen werden.
Der zweite Schritt: die Bewegung!
Der digitale Wandel in der Dentalbranche hat u. a. dazu geführt, dass sich Zahntechniker noch weniger bewegen als zuvor und noch mehr sitzen, z. B. am PC und am Scanner. Die bisher notwendigen Gänge, etwa zum Vorwärmofen im Keller, zum Gießgerät im Gussraum oder zum Sandstrahler im Ausbettraum, entfallen mehr und mehr. Die zahntechnischen Arbeiten werden zunehmend im Sitzen geplant, designt und fertiggestellt. Auch Abformungen werden inzwischen immer häufiger digital erstellt und vom Zahnarzt wie eine E-Mail versendet, anstatt dass der Zahntechniker sie persönlich in der Praxis abholt und schon Dinge im persönlichen Dialog bespricht.
Ergotopia, Januar 2019
Sogenannte aerobe Sportarten wie Laufen, Radfahren, Schwimmen und Nordic Walking sind gut geeignet, um dem vielen Sitzen entgegenzuwirken. Gleichzeitig gelten sie als besonders effektiv, um psychischen Erkrankungen wie z. B. Burnout präventiv zu begegnen. Fahrstühle und Rolltreppen müssen, sooft es irgend geht, gemieden werden, denn jeder Schritt macht fit! Genauso ist es ideal, wenn auch Bewegungsübungen (stehend oder sitzend) in täglich selbstverständlicher Routine – im Labor, gruppendynamisch und gemeinschaftlich oder einzeln, – ausgeübt werden. Am Anfang kommt es einem immer etwas befremdlich vor, so mit den Kollegen und Mitarbeitern zu trainieren, aber auf lange Sicht zahlt es sich gesundheitlich aus. Und vergessen wir nicht: Es gibt auch ein Leben nach der Zahntechniker-Arbeit.
Der dritte Schritt: die Ernährung!
Nicht selten im Leben eines Zahntechnikers finden das Essen und Trinken, auch aus Bequemlichkeit oder aus Zeitnot, direkt am „Feilkloben“ oder vor dem Rechner statt, anstatt immer im Pausenraum oder im Lokal und Imbiss um die Ecke … mit ein paar Schritten Weg dorthin. Noch wichtiger als zu fragen, wo man seine Mittagspause macht, sich zu vergegenwärtigen, wie man etwas isst und natürlich was man isst (Abb. 4a u. b). So hat es sich bewährt, sich stets Zeit zum Essen zu nehmen und Fastfood wie z. B. Salami- und Schinken-Pausenbrote, Pizza, Nudeln, Burger und Pommes Frites nur sehr selten zu verspeisen. OLA Mishchenko/unsplash.com
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Wegen der überwiegend sitzenden zahntechnischen Arbeit empfehle ich, Fleisch nur nach Feierabend oder nur am Wochenende zu konsumieren, um tagsüber eine leichtere und schnellere Verdauung zu begünstigen, die nebenbei bemerkt auch nachmittags nicht so müde macht. Um eines vorweg zu nehmen, ich bin kein Vegetarier und erst recht kein Veganer. Nichtsdestotrotz ist der Fleischverzehr der Deutschen mit rund 60 kg pro Kopf viel zu hoch und ergibt sich u. a. durch täglichen Verzehr von Wurstaufschnitt wie Schinken und Salami beim Abendbrot eher als durch das gelegentliche Schnitzel zum Mittag. Stattdessen sorgen u. a. viel Gemüse, Salate, Obst und z. B. Quarkspeisen sowie das Trinken von viel Wasser und Tee statt Cola und Limonade für eine ausgewogenere Ernährung. Für den Hunger zwischendurch sind Snacks wie Beeren, Obstsalat sowie jegliche Art von Nüssen stets dem Müsliriegel und Schokoriegel vorzuziehen und ideal für ein gesundes und leichteres Wohlbefinden. Und anstelle einer kohlenhydrat- und fettlastigen Ernährung mit Pizza, Wurst oder Nudelgerichten, die einem „Iron Man“ zu Gesicht stehen können, gelangen somit viele Vitamine, Mineralien und Aminosäuren in den Zahntechniker-Magen – hier hat sich der Bedarf des modernen Menschen nicht reduziert.
Fazit
Das qualitative Denken ist für das Erreichen einer guten Work-Life-Balance entscheidend. Hier wird gesteuert, ob ich überhaupt etwas mache und wann ich was und wie ich es mache. Gehe ich jetzt Joggen oder setze ich mich lieber wieder vor den PC? Mache ich noch diese Arbeit heute oder verschiebe ich sie auf morgen? Trinke ich eine Cola oder lieber einen Tee? Nehme ich den Fahrstuhl oder gehe ich zu Fuß die Treppe hinauf?
Also erstens: Aktiv Entscheidungen zu treffen, wie man arbeitet, dann zweitens: täglich umfangreiche Bewegung zur Routine zu machen und drittens: eine gesunde Ernährung selbstverständlich zu integrieren – dies alles wird entsprechend durch das eigene Denken bestimmt und nach der Umsetzung mit einem leisen „Danke“ von Körper und Geist belohnt. So sinkt z. B. der Stresslevel spürbar, wenn zum Ausgleich von hohen privaten und arbeitsbedingten Anforderungen die zuvor genannten aeroben Sportarten und Meditationen mehrmals pro Woche aktiv ausgeübt und regelrecht gelebt werden. Wichtig ist hierbei auch die bewusste Pause vom vielen Sitzen und der Nutzung digitaler Geräte (PC-Monitor, Smartphone, Scanner). Gleichzeitig wird man durch diese ausgleichenden Aktivitäten physisch und psychisch belastungsfähiger und resistenter gegen Stressfaktoren. Nicht das viele anstrengende Arbeiten führt primär bei den Zahntechnikern zu einer Schieflage der Work-Life-Balance, vielmehr ist es die zu geringe Regeneration nach einer Belastung. Sprich: Die Erholung, das „Sich-wieder- Aufladen“, ist ein entscheidender Faktor, um sein Gleichgewicht stets zurückzuerlangen oder zu halten.
Quellenangaben:
[1] www.dak.de/dak/download/gesundheitsreport-2018-pdf-2073702.pdf
[2] Mnemonic Training Reshapes Brain Networks to Support Superior Memory, 03/17 NL https://de.sott.net/article/28612-Studie-zeigt-Gehirn-als-Muskel
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