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Update: Adjuvanzien zur subgingivalen Instrumentierung in der Parodontitistherapie

Kann die subgingivale Instrumentierung, auch als nichtchirurgische Parodontitistherapie bezeichnet, durch adjuvante Maßnahmen wirksam unterstützt werden? Diese Fragestellung wurde durch die europäische Leitlinie zur Therapie der Parodontitis in den Stadien I bis III negativ beantwortet. Der folgende Beitrag erläutert einige der ablehnenden Bewertungen adjuvanter Therapieoptionen und gibt ein Update zu neuesten adjuvanten Therapiemöglichkeiten, die neue Möglichkeiten eröffnen könnten.

freshidea/AdobeStock

Die Parodontitis ist eine inadäquate immunologische, entzündliche Antwort des menschlichen Organismus auf den Biofilm, i.e. dentale Plaque. Die Parodontitis ist eine Volkskrankheit mit in den Ländern und Kontinenten nicht allzu deutlich unterschiedlicher Prävalenz, in manchen Ländern auch mit einem Anstieg der Verbreitung. Ausgehend von dieser Kurzbeschreibung wird zum einen verständlich, dass es sich nicht um einen selbst verschuldeten Zustand handelt. Gleichwohl kann sich das Individuum zweifellos in hohem Maße präventiv verhalten, d.h. optimale bis perfekte Biofilmentfernung betreiben. Ob dadurch stets die Erkrankung lebenslang vermieden werden kann, soll hier allerdings nicht erörtert werden.

Subgingivale Instrumentierung – eine Begriffsklärung

Die subgingivale Instrumentierung ist die kausale Infektions- und Entzündungsbekämpfung im Rahmen der Therapie der Parodontitis wie auch bei höheren Sondierungstiefen bei der Gingivitistherapie. Der Begriff „subgingivale Instrumentierung“ ist im Rahmen der Erstellung der deutschen S3-Leitlinie zur subgingivalen Instrumentierung 2019 [32] entstanden und wenig später 2020 bei der europäischen Leitlinie zur Therapie der Parodontitis in den Stadien I bis III übernommen bzw. beibehalten worden [43]. Diese Leitlinie wurde 2021 für Deutschland adoptiert bzw. wo sinnvoll und notwendig adaptiert [31].

Der Begriff „subgingivale Instrumentierung“ wurde seinerzeit notwendig, da der allgemein in der internationalen Literatur verwendete Terminus „nichtchirurgische Parodontitistherapie“ mit Beschreibungen dieser Therapie in der Gebührenordnung für Zahnärzte kollidiert bzw. zu kollidieren schien. Auch andere Bezeichnungen sind in der Vergangenheit üblich gewesen, jedoch hat z.B. der Terminus „scaling and root planing“ oder in Übersetzung „Scaling und Wurzelglättung“ das Problem, dass eine gute Glättung mit präventiver Wirkung eigentlich nicht erzielt werden kann und bei im Laufe des Lebens des Patienten mehrfach notwendiger Intervention zu nicht vernachlässigbaren Zahnhartsubstanzverlusten mit all ihren Konsequenzen führen würde.

Deshalb ist es heute Konsens, dass die subgingivale Instrumentierung der Entfernung von subgingivalem Biofilm als dem pathogenen Substrat dient, dabei auch subgingivalen Zahnstein entfernt (jedoch nicht um jeden Preis) und die körpereigenen Strukturen maximal schont. Daraus kann man logisch ableiten, dass der Begriff der „Kürettage“ auch nicht greifen kann, da er die Bearbeitung der Weichgewebswand der parodontalen oder ggf. gingivalen Tasche beinhaltet.

Gleiches gilt für die Beschreibung in der Gebührenordnung für Zahnärzte. Daraus geht auch hervor, dass bei der subgingivalen Instrumentierung Spezialküretten mit nur einer Schneidekante zum Einsatz kommen sollten, falls die Kürette das Instrument der Wahl ist. Hier kann für gute Therapieergebnisse auf ein erweitertes Set an Gracey-Küretten für ein optimales Anstellen des Instruments auf der Wurzeloberfläche verwiesen werden. Außerdem sind Größen der Arbeitsenden sowie Schaftlängen und -qualitäten entsprechend den Wünschen der Behandlerin oder des Behandlers wählbar. In der Richtlinie zur systematischen Behandlung von Parodontitis und anderer Parodontalerkrankungen (PAR-Richtlinie) wird der Begriff antiinfektiöse Therapie (AIT) verwendet [42].

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In der bereits erwähnten europäischen S3-Leitlinie zur Behandlung der Parodontitis [43], die die zuvor erstellte deutsche Leitlinie zur subgingivalen Instrumentierung nicht mehr erforderlich macht und somit ersetzt, wird darauf verwiesen, dass für die subgingivale Instrumentierung Handinstrumente, Ultraschall- oder Schallinstrumente jeweils allein oder in Kombination (Handinstrument kombiniert mit Schall- oder Ultraschallinstrument) eingesetzt werden können. Hier können somit Präferenzen von Patientinnen und Patienten und/oder Behandlerinnen und Behandlern berücksichtigt werden. Man kann jedoch sagen, dass eine Kombination von Instrumenten die jeweiligen Nachteile ausgleicht und international vorwiegend üblich ist. Auch gibt es Hinweise darauf, dass Ultraschallinstrumente einen geringeren Substanzabtrag als Schall- oder Handinstrumente aufweisen könnten.

In beiden Leitlinien ist insbesondere auch zu verschiedenen adjuvanten Therapiemöglichkeiten Stellung genommen worden [31,32]. Die jeweilige Stellungnahme beinhaltet entsprechend dem Standard für die Erstellung einer S3-Leitlinie die systematische Aufarbeitung der Literatur, einschließlich statistischer Bearbeitung, Metaanalyse und einer Biasanalyse etc., die Wertung durch Experten mit dem Aussprechen von Empfehlungen, die mit Vertretern von Organisationen, die einen Bezug zum Thema haben, konsentiert werden.

Effektivität adjuvanter Therapiemöglichkeiten – Bemerkungen zur Leitlinie

Wenn im Folgenden auf adjuvante Therapiemöglichkeiten eingegangen wird, soll dies die oben unterstrichene Bedeutung der eigentlichen subgingivalen Instrumentierung weder schmälern noch soll diese ersetzt werden. Zunächst werden einige komplementäre Bemerkungen zu ablehnenden Bewertungen einiger adjuvanter Therapieoptionen in der adoptierten/adaptierten europäischen Leitlinie zur Therapie der Parodontitis [43] den Stand der Evidenz hinsichtlich dieser Adjuvanzien beleuchten.

Omega-3-Fettsäuren

Die adjuvante Gabe von Präparaten, die mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren enthalten, wird im Zusammenhang mit der subgingivalen Instrumentierung durch die Leitlinie abgelehnt (starke Empfehlung „soll nicht“ mit höchstem Evidenzgrad A). In den ergänzenden Bemerkungen wird ausgeführt, dass die aus den beiden Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) entstehenden Resolvine ein entzündungsauflösendes Potenzial haben. Somit wäre eine adjuvante Gabe bei der subgingivalen Instrumentierung denkbar. Die Ablehnung innerhalb der Leitlinie wird mit der geringen Anzahl verfügbarer Studien (3), bei der Adoption/Adaptation fehlenden zusätzlichen Studien sowie mit Heterogenität im Studiendesign begründet. Aufgrund der Heterogenität konnte zudem keine Metaanalyse erfolgen.

Es herrscht im Wesentlichen Konsens darüber, dass die aktuelle westliche Ernährungsweise zu einem Missverhältnis bei der Aufnahme von ungesättigten Fettsäuren führt, namentlich von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Es kommt dabei zu einem Defizit an Omega-3-Fettsäuren mit Konsequenzen für die Entzündungsentstehung und -auflösung im menschlichen Organismus. Es ist plausibel, diesem Zustand eher durch Veränderung der allgemeinen Lebensweise, im engeren Sinne der Ernährung, zu begegnen. Eine Zielsetzung ist dabei, ein Verhältnis von 1:5 zwischen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren zu erreichen, was einer täglichen Aufnahme von etwa 300 mg Omega-3-Fettsäuren entspricht.

Eine Zufuhr über den Minimalbedarf hinaus ist mit zahlreichen gesundheitsfördernden Effekten verbunden. Präventivmedizinisch sind sie in sämtlichen Lebensperioden bedeutsam [2,16,41]. Langkettige Omega-3-Fettsäuren sind mit gewebe- bzw. knochenprotektiven Effekten verbunden und somit bedeutsam für das Parodontium. Es wurde gezeigt, dass der aus EPA gebildete Lipidmediator Resolvin E1 (RvE1) die Knochenerhaltung fördert [9]. In tierexperimentellen Untersuchungen wurde gezeigt, dass auch das aus DHA gebildete Oxylipin Resolvin D2 (RvD2) über verschiedene immunologische Mechanismen dem Alveolarknochenverlust entgegenwirkt [35].

Die Parodontitisleitlinie enthält keine konkreten Empfehlungen zur Optimierung der Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren im Sinne der Verhaltensänderung des Parodontitispatienten. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es bei ohnehin spärlicher Studienlage zum Thema Parodontitis und mehrfach ungesättigte Fettsäuren keine Untersuchungen, die sich dem Thema adjuvante Nutzung entzündungsauflösender Fettsäuren und subgingivale Instrumentierung im Vergleich zur erhöhten Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren über die Verhaltensveränderung/Änderung der Ernährungsweise/adjuvante Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren bei der Ernährung widmen. Insofern sollen an dieser Stelle die Ergebnisse von adjuvanten Gaben von Omega-3-Fettsäuren bei der subgingivalen Instrumentierung erwähnt werden: Um eine mögliche Effektstärke der adjuvanten Gabe von Omega-3-Fettsäuren abschätzen zu können, sollen die Ergebnisse verschiedener Studien bei adjuvanten Gaben von Omega-3-Fettsäuren bei der subgingivalen Instrumentierung dargestellt werden:

  • In der Testgruppe war die mittlere Verbesserung der Sondierungstiefe 0,4 mm und die des Attachmentlevels 0,7 mm höher bei Gabe von 900 mg EPA + DHA mit 81 mg Aspirin als in der Kontrollgruppe [10].
  • In der Testgruppe war die Anzahl von Taschen mit einer Sondierungstiefe < 4 mm deutlich höher (Δ39,1 vs. Δ10,1%, [10]).
  • In der Testgruppe war die mittlere Verbesserung der Sondierungstiefe 0,83 mm und die des Attachmentlevels 1,32 mm höher bei Gabe von 180 mg EPA +120 mg DHA pro Tag für 12 Wochen, außerdem signifikant stärkere Reduktion des Gingival- und Sulkus-Blutungsindexes [6].
  • In der Testgruppe war bei Diabetes mellitus Typ 2 die mittlere Verbesserung der Sondierungstiefe 1,6 mm und die des Attachmentlevels 1,55 mm höher bei Gabe von 3 x 1 g Omega-3-Fettsäuren + 75 mg Aspirin/Tag für 6 Monate als in der Kontrollgruppe [11].
  • In der Testgruppe waren bei Diabetes mellitus Typ 2 die mittlere Verbesserung des Attachmentlevels 0,5/0,3 mm und die BOP-Reduktion signifikant höher bei Gabe von 3 g Fischöl (900 mg Omega-3-Fettsäuren) und 100 mg Aspirin/Tag für 2 Monate [3].

Um die aufgeführten Zahlenwerte in einen Zusammenhang zu stellen und einordnen zu können, sei auf eine Publikation Bezug genommen, die die Veränderungen bei der Sondierungstiefe durch adjuvante Chemotherapeutika in einer Übersichtsarbeit untersucht hat. Hier wurden durch verschiedene lokale Chemotherapeutika zusätzliche Verbesserungen der Sondierungstiefe in Höhe von 0,24 bis 0,64 mm ermittelt [16].

In den Jahren 2022 und 2023 wurden 3 systematische Reviews mit Metaanalysen zur Bedeutung von Omega-3-Fettsäuren (eine davon in Kombination mit niedrig dosiertem Aspirin) bei der parodontologischen Therapie, und zwar speziell bei der subgingivalen Instrumentierung, unter Berücksichtigung der wesentlichen klinischen Variablen Sondierungstiefe, Attachmentlevel und Bluten auf Sondieren publiziert. Alle 3 Übersichtsartikel errechnen signifikant bessere Therapieergebnisse bei Sondierungstiefe und Attachmentlevel sowie einmal auch beim Gingivalindex [4,5,36], sodass heute auch die adjuvante Gabe von Omega-3-Fettsäuren bei der subgingivalen Instrumentierung sinnvoll erscheint. 

Probiotika

Die adjuvante Gabe von Probiotika wird im Zusammenhang mit der subgingivalen Instrumentierung durch die Leitlinie abgelehnt, wenn auch schwächer als die adjuvante Gabe von ungesättigten Fettsäuren (Empfehlung mit Empfehlungsgrad B, „sollte nicht“). In diesem Zusammenhang wird ausgeführt, dass keine Schlussfolgerung bezüglich der Effektivität von Probiotika zusätzlich zur subgingivalen Instrumentierung gezogen werden kann. In den ergänzenden Bemerkungen heißt es, dass die Metaanalyse der 5 eingeschlossenen randomisierten klinischen Studien/RCTs zeigte, dass die Behandlung mit Probiotika im Vergleich zu Placebo nach 6 Monaten zu einer größeren Sondierungstiefenreduktion von 0,38 mm führte und somit nicht von klinischer Relevanz (Unterschied < 0,5 mm) sei. Es wird außerdem darauf verwiesen, dass die 5 Studien Präparate mit Lactobacillus (Präparate mit L. rhamnosus SP1, L. reuteri) oder der Kombination von S. oralis KJ3, S. uberis KJ2 und S. rattus JH145 untersucht haben.

Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die wenn in adäquaten Mengen verabreicht, „dem Wirtsorganismus einen gesundheitlichen Nutzen verschaffen“ [12]. Wesentliche Wirkungen sind dabei Antagonismen gegen (potenziell pathogene) andere Bakterien und insbesondere immunmodulatorische/entzündungshemmende Effekte [47]. Wesentliche Probiotika, die in der Medizin in verschiedenen Fachgebieten umfangreich untersucht worden sind, sind Lactobazillen und Bifidobakterien. Dabei ergibt sich u.a. eine Problematik der Auswertung: Schließt man alle per definitionem verfügbaren Studien ein, also auch weniger effektive probiotische Bakterienstämme, so können diese die Gesamtaussage schwächen. In dem Übersichtsartikel von Martin-Cabezas et al. [33] wurden auf der Grundlage von 4 kontrollierten Studien mit Laktobazillen (L. reuteri) signifikante zusätzliche Verbesserungen beim Attachmentlevel (0,46 mm), beim Bluten auf Sondieren (14,66%) sowie bei den Sondierungstiefen von moderaten und tiefen Taschen gefunden (0,18 bzw. 0,67 mm). Dies führte seinerzeit zu der in dem Artikel formulierten Aussage: „Der Einsatz von Probiotika entspricht dem Gewinn durch andere Adjuvanzien oder Antibiotika.“

Ob dieser Satz auch heute tragen könnte, wurde jüngst erneut in einem Übersichtsartikel betrachtet [38]. Es wurde zunächst festgestellt, dass adjuvante Probiotika bei der subgingivalen Instrumentierung die Sondierungstiefe und den Attachmentlevel signifikant reduzieren können, genauere Zahlenwerte als Zusammenfassung werden nicht angeben. Andererseits wird ausgeführt, dass Antibiotika den Plaque- und Gingivalindex stärker reduzieren – was wohl kaum als Aufgabe von Antibiotika angesehen werden kann – und die Auffassung vertreten, dass die Kombination von Antibiotika und Probiotika gegenüber dem adjuvanten Einsatz von Probiotika oder Antibiotika allein bei der Parodontitistherapie wirksamer sei. Unter dem Aspekt der strengen Indikationsstellung bei Antibiotika ist diese Auffassung zumindest infrage zu stellen und unter der hier zu besprechenden Thematik nicht weiter zu erörtern. Gruner, Paris und Schwendicke [15] bestätigten in ihrer Übersichtsarbeit, dass der adjuvante Probiotikaeinsatz bei der Therapie der Parodontitis zur Reduktion von Sondierungstiefe und Bluten auf Sondieren führt, ohne dass explizit nur die subgingivale Instrumentierung untersucht wurde.

Neuere Übersichtsarbeiten zu Probiotika bestätigen Effektivität in der adjuvanten Parodontitistherapie

Seit der Publikation der europäischen Leitlinie 2020 und deren Adoption/Adaptation in Deutschland im Jahr 2021 sind 3 Übersichtsarbeiten erschienen, die sich dem Thema subgingivale Instrumentierung und adjuvante Probiotikagabe widmen. Mishra et al. [34] kommen zu dem Schluss, dass diese Vorgehensweise zu höheren Veränderungen bei Sondierungstiefe und Attachmentlevel führt. Nach 3, 6 bzw. 12 Monaten war eine zusätzliche Reduktion der Sondierungstiefe durch den adjuvanten Probiotikaeinsatz von 0,29, 0,26 bzw. 0,76 mm festzustellen, beim Attachmentlevel nach 6 Monaten von 0,09 mm Attachmentgewinn. Hu et al. [20] werteten die Ergebnisse nach 3 und 6 Monaten aus.

Nach drei Monaten waren geringe Unterschiede bei den klinischen parodontologischen Variablen zu verzeichnen, nach 6 Monaten jedoch nicht. Auch hier wurde jedoch – wie oben als Manko im Studiendesign identifiziert – keine Beschränkung auf Laktobazillen und Bifidobakterien vorgenommen. Ochôa et al. [37] betrachteten ausschließlich Studien, die Präparate mit Lactobacillus reuteri bei subgingivaler Instrumentierung untersuchten. Hier war bei vorhandener Heterogenität von 9 eingeschlossenen Untersuchungen mit unterschiedlicher Untersuchungsdauer in 6 Studien ein signifikanter Benefit bei den klinischen Variablen festgestellt worden. Aus den erwähnten Gründen konnte keine Metaanalyse für die zusätzliche Verbesserung von Sondierungstiefe, Attachmentlevel und Bluten auf Sondieren berechnet werden.

Eine Übersicht über neuere adjuvante Therapiemöglichkeiten

Neueren Datums sind die in der europäischen Leitlinie nicht erfassten adjuvanten Therapiemöglichkeiten durch Einsatz von Schmelz-Matrix-Proteinen und Natriumhypochlorit und/oder Hyaluronsäure/Hyaluronan. Die Studienlage bezüglich dieser Adjuvanzien wird im Folgenden vorgestellt.

Schmelz-Matrix-Proteine bei subgingivaler Instrumentierung und Reinstrumentierung

Schmelz-Matrix-Proteine werden unter dem Handelsnamen Emdogain (EMD, Fa. Straumann, Basel, Schweiz) seit ca. 25 Jahren mit dem Ziel der Förderung der parodontalen Regeneration bei der chirurgischen Parodontitistherapie eingesetzt. Im Tierversuch und in Fallstudien am Menschen wurden Nachweise über die zusätzliche Regeneration der parodontalen Strukturen erbracht [17,18]. Es gibt eine große Anzahl von Reviews zum Einsatz von Schmelz-Matrix-Proteinen bei Knochentaschen, Furkationsbefall, Rezessionsdeckungsverfahren sowie supraalveolaren parodontalen Defekten, die für den Einsatz von Schmelz-Matrix-Proteinen bei den entsprechenden parodontalchirurgischen Eingriffen sprechen.

Jüngst lebt das Interesse am Einsatz von Schmelz-Matrix-Proteinen bei subgingivaler Instrumentierung auf. Bei ersten Untersuchungen wurden insbesondere ein schnellerer initialer Entzündungsrückgang und damit einhergehend eine ggf. schnellere Wundheilung sowie auch histologisch nachgewiesene Zement- und Knochengewinne beobachtet. Es wurden außerdem teilweise klinisch bessere Ergebnisse erzielt, die meist jedoch ohne signifikanten Unterschied zwischen Test- und Kontrollgruppe waren. Seit der Erstellung der europäischen Leitlinie zur Therapie der Parodontitis in den Stadien I bis III zeigten 2 randomisierte Multicenterstudien ermutigende klinische Ergebnisse für eine adjuvante Applikation von Schmelz-Matrix-Proteinen in den Therapiestufen 2 und 3 [29,44].

Nur wenig zuvor, 2019, verglichen Graziani et al. [14] die Ergebnisse der subgingivalen Instrumentierung mittels Ultraschall-Debridement mit und ohne Schmelz-Matrix-Proteine an 38 Patienten in einer Untersuchung mit einer Dauer von 90 Tagen in tiefen parodontalen Taschen mit einer Sondierungstiefe ≥ 6 mm. Die Verbesserungen waren bei der Verwendung von Schmelz-Matrix-Proteinen wie folgt: 0,19 mm höhere Sondierungstiefenreduktion und 0,21 mm höherer Attachmentlevelgewinn sowie 2% höhere Reduktion des Full-Mouth-Bleeding-Scores insgesamt. Bei Taschen mit einer Sondierungstiefe ≥ 6 mm betrug der Unterschied bei der Sondierungstiefe 1,04 mm und beim Attachmentlevel 0,98 mm. Ein signifikanter Unterschied bestand bei der Verringerung der Anzahl verbleibender Taschen ≥ 6 mm (5,58 vs. 11,47 entsprechend 3,25 vs. 7,09%).

Nach 2020 wurden die Ergebnisse zweier Multicenterstudien vorgestellt. Schallhorn et al. [44] untersuchten adjuvante Schmelz-Matrix-Proteine bei der initialen subgingivalen Instrumentierung (im Rahmen der Therapiestufe 2). Im Split-Mouth-Design in einer Multicenterstudie mit 51 Patienten wurden 2 kontralateral gelegene Taschen mit einer Sondierungstiefe von 5 bis 8 mm vergleichend mit oder ohne Schmelz-Matrix-Proteine subgingival instrumentiert. Der Gewinn an klinischem Attachmentlevel betrug 2,2 ± 1,5 mm für die Testzähne und 2,2 ± 1,3 mm für die Kontrollzähne, war also ohne Unterschied. Hingegen wurden signifikante Unterschiede zugunsten der Testbehandlung in Bezug auf den prozentualen Anteil stabiler Sondierungstiefen von < 5 mm und Taschen, die keiner nachfolgenden chirurgischen Therapie bedürfen, festgestellt: 79,8% vs. 65,9%. Das Bluten auf Sondieren war an den Testzähnen signifikant stärker auf 17,8% reduziert als an den Kontrollzähnen mit 23,1%. Es wurde durch die Autoren geschlussfolgert, dass der adjuvante Einsatz von Schmelz-Matrix-Proteinen zu signifikant größeren Verbesserungen bei der parodontalen Gesundheit mit weniger Blutungsneigung und mehr gesunden Taschen führt.

Ebenfalls 2021 publizierten Jentsch et al. [24] eine Untersuchung, die sich dem potenziellen zusätzlichen Effekt von Schmelz-Matrix-Proteinen beim adjuvanten Einsatz bei der subgingivalen Reinstrumentierung von Resttaschen, die nach den Schritten 1 und 2 der Parodontaltherapie persistierten, widmete. Die klinische Machbarkeitsstudie erfolgte ebenfalls multizentrisch und randomisiert im Split-Mouth-Design. Die Probanden wiesen bei der Reevaluation nach der initialen Parodontaltherapie (Stufe 1 und 2 der Parodontaltherapie) bei generalisierter Parodontitis mindestens 2 Zähne mit residualer Sondierungstiefe ≥ 5 und ≤ 8 mm sowie mit Bluten auf Sondieren auf. Zwei Zähne mit ähnlicher Sondierungstiefe wurden randomisiert, um dann entweder mit oder ohne adjuvanter „flapless“-Verabreichung von Schmelz-Matrix-Proteinen zu reinstrumentieren.

Der primäre Endpunkt war die Veränderung der mittleren Sondierungstiefe nach 6 Monaten. Es zeigte sich ein signifikanter zusätzlicher Nutzen: 0,79 ± 1,3 mm geringere Sondierungstiefe zugunsten der Testgruppe. Nach 12 Monaten war dieser signifikante Unterschied weiterhin vorhanden und betrug 0,85 ± 1,1 mm. Außerdem waren signifikant mehr geschlossene Taschen („closed pocket“, Sondierungstiefe ≤ 4 mm und Fehlen von Bluten auf Sondieren) bei zusätzlicher Verwendung von Schmelz-Matrix-Proteinen zu verzeichnen: 69% nach 6 und 80% nach 12 Monaten bei Verwendung von Schmelz-Matrix-Proteinen, 34 bzw. 42% bei ausschließlicher subgingivaler Reinstrumentierung. Es wurde geschlussfolgert, dass die Ergebnisse dieser Machbarkeitsstudie auf einen Nutzen der adjuvanten Applikation von Schmelz-Matrix-Proteinen als Emdogain-Präparat bei der subgingivalen Reinstrumentierung in der Stufe 3 der Parodontaltherapie von verbliebenen tiefen Taschen hinwiesen.

Natriumhypochlorit und/oder Hyaluronsäure/Hyaluronan

Hyaluronsäure (Salz: Hyaluronan) hat sich vor mehreren Jahren als sinnvolles Medizinprodukt bei der Therapie der Gingivitis gezeigt [25]. Auch bei subgingivaler Instrumentierung führte die adjuvante Therapie mit Hyaluronsäure zu besseren Ergebnissen [8]. Es wurde gezeigt, dass 6 Monate nach subgingivaler Instrumentierung mit adjuvanter Verwendung von Hyaluronsäure die Sondierungstiefe mit 0,25 mm signifikant stärker verbessert wurde, die Anzahl von Taschen ≥ 5 mm signifikant stärker reduziert wurde und die subgingivale Rekolonisation signifikant später einsetzte. Jüngst wird eine Kombinationsbehandlung mit vorheriger Verwendung von Natriumhypochlorit 0,95% in Kombination mit 3 Aminosäuren (Perisolv, Regedent AG, Zürich, Schweiz) favorisiert.

Für den alleinigen subgingivalen Einsatz des Präparates Perisolv bei initialer subgingivaler Instrumentierung liegt bisher eine Publikation vor [21]. Sechs Monate nach Anwendung in der Testgruppe für 30 Sekunden im Rahmen einer klinisch kontrollierten Studie bei initialer subgingivaler Instrumentierung war die Verbesserung bei Sondierungstiefe und Attachmentlevel signifikant höher (ΔPD 2,5 vs. 1,98 mm, ΔAL 2,84 vs. 2,00 mm). Auch die Anzahl von verbleibenden Stellen mit PD ≥ 5 mm und BOP positiv war signifikant geringer (2,2 vs. 7,3%).

Das Produkt wurde auch bei subgingivaler Reinstrumentierung untersucht, hier im Vergleich zu Chlorhexidindigluconat-Gel und Placebo bei subgingivaler Pulverstrahlbehandlung [39]. Die 12-Monats-Studie ergab, dass das Kombinationspräparat aus Natriumhypochlorit und 3 Aminosäuren die Sondierungstiefe signifikant um 0,2 mm stärker verminderte, bei relativ gleichen Ausgangsbedingungen bei 77% der Taschen eine „closed pocket“ erreichte und das Bluten auf Sondieren am stärksten reduzierte.

Für den kombinierten Einsatz von Perisolv und vorwiegend kreuzvernetzter Hyaluronsäure in Form des Präparates Hyadent BG (Regedent AG, Zürich, Schweiz) liegen Ergebnisse sowohl für die initiale subgingivale Instrumentierung als auch für die subgingivale Reinstrumentierung vor. Bei initialer subgingivaler Instrumentierung in einer klinisch kontrollierten Studie waren nach 3 und 6 Monaten die Taschen mit mittlerer und hoher initialer Sondierungstiefe bei adjuvanter Kombinationstherapie signifikant stärker reduziert worden als bei alleiniger subgingivaler Instrumentierung (1,1 bzw. 2,1 mm höhere Sondierungstiefenreduktion).

Das Bluten auf Sondieren war ebenfalls stärker vermindert (um 8,2% bzw. 32%) und der Attachmentgewinn war höher. Bei subgingivaler Reinstrumentierung war die Veränderung durch die adjuvante Kombinationstherapie in der retrospektiven Auswertung von Behandlungsfällen ebenfalls deutlich besser [7]. Die Sondierungstiefe war 6 Monate nach subgingivaler Instrumentierung mit den Adjuvanzien um 2,04 mm und der Attachmentlevel um 2,02 mm verbessert. Verbesserungen traten sowohl bei Stellen mit und ohne Furkationsbefall ein. Deutlich war auch die Veränderung beim Bluten auf Sondieren; nach der Kombinationstherapie war es um 57,5% vermindert.

Fazit

Die europäische Leitlinie zur Therapie der Parodontitis in den Stadien I bis III hat eine hohe Bedeutung als richtungsweisender Entscheidungskorridor. Methodenbedingt kann es zu Ergebnissen und Empfehlungen kommen, die von denen in Einzeluntersuchungen und anderen Übersichtsartikeln mit zum Teil auch nur geringfügig anderen Einschlusskriterien für zu berücksichtigende Studien abweichen. Auch geringe zusätzliche Attachmentgewinne verbessern bei vorhandener Erkrankung des Parodontiums die Überlebenschancen des Zahnes in der Mundhöhle. Im Artikel wurde auf neuere Ergebnisse nach und neben der europäischen Leitlinie Bezug genommen. Diese sollen die Leitlinie nicht infrage stellen, jedoch den Horizont für den durch die Leitlinie skizzierten Entscheidungskorridor bei der individuellen personalisierten Entscheidungsfindung erweitern.

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