Alle aktuellen systematischen klinischen Protokolle zum Ablauf einer Prophylaxesitzung gehen auf die Arbeiten von Axelsson und Lindhe bzw. ihre Recall-Stunde aus den frühen 1970er-Jahren zurück (Abb. 1). Es ist demnach angebracht, das alte System zu hinterfragen und neue moderne Ablaufprotokolle für die Prophylaxesitzung in den Praxisalltag zu integrieren. Diese neuen systematischen Prophylaxeprotokolle müssen die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und den technischen Fortschritt widerspiegeln. Bei der Anpassung der neuen Prophylaxeprotokolle spielen von der wissenschaftlichen Seite her neue Erkenntnisse der Ätiologie der wichtigsten oralen Erkrankungen eine große Rolle. Neue ätiologische Erkenntnisse erfordern neue Ziele. Stand früher die Entfernung der harten Ablagerungen mit Handinstrumenten im Vordergrund, stehen heute das Biofilm- und Zahnsteinmanagement, die Substanzschonung sowie der Patienten- und der Behandlerkomfort im Fokus. Aufgrund des technischen Fortschritts der Hilfsmittel wie Pulver-Wasserstrahl-Geräte (Airflowing®) und Ultraschall (PiezonNoPain/PS®) lassen sich diese Ziele heute sehr gut realisieren.

Rateitschak et al. 2012 [2], die EFP und ORCA 2019 [3], Eickholz 2020 [4], die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) zusammen mit der Bundeszahnärztekammer (BZK), Schwendicke 2021 [5], die Firma EMS, Nyon 2016 [6] und einige Fachgesellschaften wie die EFP-Leitlinien-Unterstützende Implantattherapie (UIT) haben Anforderungen an neue systematische Prophylaxeprotokolle definiert. Die Autoren dieses Artikels haben als Zusammenfassung der oben genannten Protokolle eine Checkliste erstellt, die alle Anforderungen berücksichtigt und als Hilfsmittel zur Überprüfung der zur Anwendung kommenden Protokolle dienen kann.
Checkliste für systematische Prophylaxeprotokolle* |
1. Entspricht das Protokoll dem aktuellen Stand der Wissenschaft? 2. Handelt es sich um ein präventives systematisches Protokoll? 3. Sind alle Teilschritte evidenzbasiert? 4. Basiert das Protokoll auf einer individuellen, risikoorientierten Anamnese, Befunderhebung und Diagnose? 5. Ist die häusliche Mundhygiene individuell hinsichtlich Information, Instruktion und Motivation? 6. Ist das professionelle Biofilm- und Zahnsteinmanagement individuell? 7. Ist das Protokoll modular: Lässt es sich an die Bedürfnisse der Patienten anpassen und nicht umgekehrt? 8. Ist das Protokoll universell anwendbar: Karies, Gingivitis, PAR, periimplantäre Mukositis, Periimplantitis, komplexe Fälle, auch von der Allgemeingesundheit her? 9. Kann das Protokoll in allen Altersgruppen bei neuen und alten Patienten angewendet werden? 10. Ist das Protokoll sowohl für die Prävention als auch für die Therapie geeignet? 11. Kann die Leistung wirtschaftlich erbracht werden und zum Gewinn der Praxis beitragen? 12. Entsprechen die zum Einsatz kommenden Hilfsmittel bei der PMPR dem aktuellen Stand des technischen Fortschritts? Das bedeutet: – Sind die Hilfsmittel universell (supra- und subgingival) zur Entfernung von mineralisierten Belägen und bakteriellem Biofilm einsetzbar? – Sind die Hilfsmittel gewebeschonend und schmerzarm? – Ermöglichen die Hilfsmittel verkürzte Behandlungszeiten (Ökonomie)? – Bieten die Hilfsmittel einen höheren Patientenkomfort? – Bieten die Hilfsmittel einen höheren Behandlerkomfort? – Sind die Hilfsmittel nach angemessener, kurzer Einarbeitungszeit einsetzbar (kurze Lernkurve)? *lt. Strafela-Bastendorf/Bastendorf |
Modernes systematisches Prophylaxeprotokoll: GBT®
Eine diesem neuen systematischen Prophylaxeprotokoll entsprechende Behandlung ist bei der Guided Biofilm Therapy® (GBT®) gegeben. Es handelt sich dabei um ein indikationsorientiertes, systematisches, modulares Präventions- und Therapieprotokoll (Abb.2), das von der Firma EMS in Nyon, der Swiss Dental Akademie (SDA) und Hochschulen in Zusammenarbeit mit Praktikern erarbeitet wurde. Das Ziel der GBT® ist eine effektive Reinigungsleistung mit maximaler Substanzschonung bei höchstem Patienten- und Behandlerkomfort. Die GBT® ist sowohl präventiv als auch bei Patienten in der Erst- und Erhaltungstherapie (Karies, Gingivitis, Parodontitis, periimplantäre Mukositis und Periimplantitis) anwendbar und umfasst acht Schritte bzw. Module.

Die acht Schritte der GBT® |
1. Infektionsschutz, Anamnese und Befunde erheben und dokumentieren 2. Biofilm durch Anfärben sichtbar machen, Plaque-Index erheben und dokumentieren 3. Information, Instruktion und Motivation zur häuslichen Mundhygiene, zur Ernährungslenkung und zu unterstützenden chemischen Mundhygieneprodukten 4. Gezielte Biofilmentfernung mit Airflow®/Plus Pulver supragingival und subgingival bis 4mm (Abb. 3) 5. Gezielte Biofilmentfernung mit Perioflow®/Plus Pulver subgingival ab 4 bis 9 mm 6. Gezielte Entfernung von supra- und subgingivalem Zahnstein mit Piezon/NoPain/PS®-Ultraschall (Abb. 4) 7. Qualitätskontrolle einschließlich einer Abschlussdiagnose durch den Zahnarzt 8. Individuellen, risikoorientierten Recall-Termin vereinbaren |


Die einzelnen Schritte der GBT® sind sowohl von der Technik als auch den Materialien her gut untersucht, und die Wirksamkeit ist für alle Teilschritte evidenzbasiert, einschließlich der Patientenzufriedenheit [7–25]. Die wesentliche Änderungen gegenüber den alten Protokollen sind: Der supragingivale Biofilm wird immer angefärbt. Dann folgt die Entfernung der Ursache der wichtigsten oralen Erkrankungen (Entfernung von supra- und subgingivalem Biofilm und Verfärbungen) mit Airflow®/Plus und/oder Perioflow®/Plus. Anschließend folgt das gezielte Entfernen verbliebener harter Ablagerungen mit Ultraschall (PIEZON NO PAIN/PS®).
Fazit
Die Guided Biofilm Therapy® basiert auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und den technischen Fortschritten. Sie gründet auf einer individuellen Diagnose und Risikobewertung, um gezielt (geführt) optimale Ergebnisse mit einem Höchstmaß an Effizienz, Substanzschonung und Patienten- und Behandlerkomfort zu erreichen. Das klinische Protokoll ist ein indikationsorientiertes, systematisches, modulares Präventions- und Therapieprotokoll, das entsprechend universell in Prävention und Therapie aller biofilminduzierten oralen Erkrankungen einsetzbar ist. Damit erfüllt die GBT® die neuen für moderne systematische Prophylaxeprotokolle gesetzten Ziele in allen Punkten – womit sie derzeit das einzige Protokoll darstellt, dem dieses gelingt.
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