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Die eigene Sicht der Dinge: Gedanken zur neuen Ausbildungsordnung für Zahnmediziner/-innen

Eine neue Studienordnung hat die Ausbildung für Zahnärztinnen und Zahnärzte neu sortiert. Zahntechnische und prothetische Themen wurden im zahnmedizinischen Studium auf ein Minimum reduziert. Dieses Wissen können sich diejenigen, die daran Interesse haben, privat und selbstständig aneignen. Welche negativen Auswirkungen das mit sich bringt, wurde bereits diskutiert. Doch die neue Situation birgt auch Chancen für die gesamte Branche. In diesem Artikel überlegt Matthias Schenk, ob mit der abgespeckten Ausbildungsordnung für Zahnmediziner/-innen vielleicht auch alles besser werden könnte.

Matthias Schenk

Neulich sprach ich mit einem Schreiner über seinen Beruf. Auch hier werden keine Grundlagen der traditionellen Massivholzverarbeitung mehr vermittelt. Auf der anderen Seite wusste der Meister selbst nicht, wie er eine Fehlfunktion an seiner digitalen Kreissäge beheben kann. Wir befinden uns in einer Zeitenwende, in der im Moment zwar immer noch vieles so läuft, wie wir es in den vergangenen Jahrzehnten oder noch länger übermittelt bekommen haben, aber wir erleben auch einen allmählichen Wandel in vielen Bereichen. Wir müssen mit dieser sich verändernden Welt kooperieren. Wandel gehört zum Leben und zeichnet es sogar aus. Nur hinken unsere Wahrnehmung und unsere Komfortzone mitunter etwas hinterher.

Wissen und Erfahrung

Nehmen wir als Beispiel die Dampfmaschine: Jeder Zahntechniker weiß, wie sie funktioniert. Er hat sogar Fähigkeiten, die ihm den Bau einer solchen Maschine theoretisch ermöglichen würden. Hat er aber auch die Erfahrung? Ich bin stolzer Besitzer einer Dampfmaschine, gebaut von einem Zahntechniker aus Hamburg. Mit Druckluft läuft sie einwandfrei, mit Dampf hingegen ist die Schmierung ruckzuck weg.

Der Teufel steckt im Detail, wir Praktiker wissen das. „Erfahrungswerte“ nennen es die Altgesellen mit einer gewissen Genugtuung. Meine persönliche Erfahrung mit den letzten 500 Zahnärztinnen und Zahnärzten hat mir deutlich gemacht, dass sie manches (zahntechnische) Detail oft nicht nachvollziehen können, auch wenn sie während der Ausbildung einmal einen ähnlichen Fall selbst ausgeführt haben. Sicher könnte mit der Ausbildung ein Verständnis geweckt werden, an welchen Stellen im Prozess der prothetischen Anfertigung möglicherweise Schwierigkeiten auftauchen. Aber das ist aufgrund der mangelnden Praxis oft nicht der Fall.

Fallstricke der Ausbildung

Meiner Erfahrung nach waren es gerade die unsichersten Mediziner/-innen, die ihren akademischen Grad nutzten, um autoritär zu wirken und technisch kaum bis gar nicht Mögliches von ihrem Lieferanten zu verlangen. Aus meiner Sicht macht es durchaus Sinn, dass die Zahntechnik aus dem Lehrplan gestrichen wurde.

2024 holt sich der eine oder andere renommierte Professor einen Zahntechniker des Vertrauens an seine Seite, um eine patientenorientierte Planung und Ausführung zu realisieren. Es ist meine Hoffnung, dass die Entwickler der neuen Ausbildungsordnung genau darauf abzielen und diesen Prozess fördern wollen. Denn wenn etwas über 70 Jahre lang nicht richtig funktioniert, dann ist es doch in Ordnung, die neue zahnmedizinische Generation nicht weiter mit Stoff zu triezen, der ihr in der Ausbildung praktisch kaum Nutzen bringt.

Sind wir doch einmal ehrlich: Trotz des früher gerne mal umgangssprachlich verwendeten Ausdrucks „Zahnklempner“ sind es Ärzte und keine Handwerker. Und in der Regel wollen sie dies auch gar nicht sein. Akademiker liefern ungeheuren Einsatz. Das Durchlaufen des deutschen Regelschulsystems ist wahrlich kein Zuckerschlecken und an der Uni wird es auch nicht besser. Spätestens in der Vorklinik wird jedoch klar: Nach der Ausbildungsordnung kommt die Berufsordnung und damit die nächsten Reglementierungen im System.

Besonders widerstandsfähige Zeitgenossen, vielleicht sogar solche, die Freude an Zahntechnik zeigten, bekamen in der Klinik die Macht des beaufsichtigenden Assistenzarztes zu spüren, so die Erfahrungsberichte vieler Studentinnen und Studenten. So wurde Prothetik immer mit Frust in Verbindung gebracht und selbst niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte erleiden regelmäßig Schiffbruch, wenn sie nicht wahrhaben wollen, dass bestimmte Abläufe technisch unveränderlich sind.

Hoffnung für eine bessere Zukunft

Ich hoffe darauf, dass immer mehr Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner ihre Lieferanten als Partner begreifen, die einem die zeitraubende handwerkliche Arbeit abnehmen. Ich hege weiter den Glauben daran, dass Zahntechnikerinnen und Zahntechniker bei ihrem Auftraggeber keine Euro-Zeichen in den Augen blitzen sehen und denken, dass man sie oder ihn austricksen muss, um überhaupt über die Runden zu kommen. Vielmehr sehe und wünsche ich mir eine ganz normale Geschäftsbeziehung. Nachdem nun das alte Ausbildungssystem nicht unbedingt zielführend war, bin ich der Meinung, dass es nur besser werden kann.

Matthias Schenk

Die Generationen und ihre Werte verändern sich. Die Generation meiner Kinder möchte Spaß haben und in der Arbeit, die sie wählt, einen Sinn sehen. Was nicht heißen soll, die Generation Z sei eine reine Spaßgeneration.

Laut Randstad Employer Brand Research 2022 möchte sie wieder mehr Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen. Dieser Wert ist seit den sogenannten Baby-Boomern abgesackt und hatte bei den Millennials seinen Tiefststand erreicht. Das macht doch Mut und ich gehe heute davon aus, dass die Motivation Zahnarzt bzw. Zahnärztin zu werden darin liegt, richtig gute Zähne machen zu wollen. Das wiederum wäre die Basis dafür, dass ein Arbeiten auf Augenhöhe möglich ist und sich eine gegenseitige Wertschätzung entwickelt. Deshalb bin ich guter Dinge, was uns die neue Ausbildungsordnung bescheren wird.

Unser Gesundheitssystem erfährt gerade eine generelle Umstrukturierung – es steht vor dem Kollaps, behaupten manche. Die Unterschiede in der Versorgung sind uns im Labor schon immer bewusst und sie werden noch deutlicher werden. Wissen ist heute überall verfügbar und diejenigen, die sich weiterbilden möchten, tun dies auch. Die Industrie ist ein fester Partner für die Ausbildung von Zahnärztinnen und Zahnärzten geworden. Es gibt Kurse, die von der Goldhämmerfüllung bis zum Lesen einer BWA reichen. Wie sehr man diese Möglichkeiten nutzt, ist jedem und jeder selbst überlassen. So klafft die Schere bei den Fähigkeiten weit auseinander. Für mich wäre es ausreichend, wenn prinzipielle Vorgehensweisen in der Zusammenarbeit mit der Patientin oder dem Patienten und dem Dentallabor in der Universität vermittelt werden könnten, damit eine positive Teamkultur gelebt wird.

Team, Trennung, Transparenz

Wer denkt, die handwerkliche Arbeit könnten ein PC und ein Drucker erledigen, liegt falsch. Das Zahntechnikhandwerk muss aus seinem Schattendasein heraustreten und der Welt zeigen, was es tatsächlich leistet. Es sind nun einmal 2 verschiedene Berufe, die als Team arbeiten müssen. Für manche Patientenfälle wäre sogar eine noch umfangreichere interdisziplinäre Zusammenarbeit indiziert.
Praktizierte Transparenz liefert Verständnis für die aufwendige Arbeit, auch für die Patientinnen und Patienten. Vielleicht könnte diese Ehrlichkeit sogar zu einer gerechteren Vergütung führen?

Wahrscheinlich weckte die bisher aufgezwungene zahntechnische Ausbildung bei vielen Akademikern und Akademikerinnen eine Abneigung gegen dieses Thema und war mit verantwortlich für eine weniger angenehme Zusammenarbeit der beiden Berufe.

Durch die konsequente Trennung der „Gewerke“ und deren Fachgebiete kann es möglich sein, zueinanderzufinden. So war das in den 1950ern wohl auch gedacht: Es sollte eine Anhebung der Qualität durch eine Spezialisierung erfolgen.

Einer der es verstanden hat, Ausblicke in die Zukunft auch zu realisieren, war Steve Jobs. Wenn ein Angestellter ihm einen Verbesserungsvorschlag unterbreitete, fühlte er sich nicht in seiner Autorität angegriffen, sondern erkannte das Wachstumspotenzial für seine Firma. So soll es sein und ich spüre den Wind der Erneuerung in unseren Universitäten.

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