Der Verlust von oberen Frontzähnen bringt aufgrund der prominenten Position dieser Zähne im Zahnbogen für die betroffenen Patienten neben funktionellen Einschränkungen zumeist auch erhebliche Beeinträchtigungen im sozialen Umgang mit sich. Aus diesen Gründen sollte eine möglichst perfekte Wiederherstellung der roten und weißen Ästhetik durch das Behandlungsteam beim Ersatz dieser Zähne angestrebt werden. Der Ersatz durch eine konventionelle Brücke kann zwar den Zahnverlust kompensieren, allerdings ist der biologische Preis hoch, wenn dafür unversehrte lückenbegrenzende Zähne präpariert werden müssen. Adhäsivbrücken oder Maryland-Brücken stellen bei geeigneten klinischen Ausgangsbedingungen eine minimalinvasive Behandlungsalternative zur klassischen Brücke beim Einzelzahnersatz im Frontzahnbereich dar [1–3]. Diese Versorgungen werden heutzutage vorzugsweise als einflügelige vollkeramische Variante mit dichtgesintertem und verblendetem Zirkonoxidgerüst angewendet und sind mittlerweile wissenschaftlich evidenzbasiert abgesichert [2–4]. Allerdings werden Klebebrücken nur von einem kleinen Teil der Zahnärzteschaft als permanenter Zahnersatz angewendet. Sie werden oft nur als Provisorium bis zum späteren Ersatz durch ein Einzelzahnimplantat eingesetzt [4,5]. Sowohl bei konventionellen Brücken als auch bei Adhäsivbrücken kommt es durch Resorptions- und Umbauvorgänge des knöchernen Lagers im Bereich der Extraktionsalveole immer wieder zu ästhetischen Problemen aufgrund sichtbarer Spaltbildung zwischen den Pontic-Auflagen und dem Gewebe des zahnlosen Kieferkammabschnitts.
Gemäß der Indikationsbeschreibung für die Regelfallversorgung in der Implantologie, die von der Konsensuskonferenz Implantologie (KKI) im Jahr 2014 an die zwischenzeitliche Entwicklung des Fachgebiets angepasst wurde, stellt grundsätzlich der Ersatz jedes einzelnen Zahns durch ein Implantat die optimale Therapie des Zahnverlusts dar [6]. Im selben Statement wird allerdings auch konzediert, dass diese optimale Therapie aus anatomischen, medizinischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht immer durchgeführt werden kann [6]. Implantatgestützte prothetische Versorgungen haben sich mittlerweile zu einer Routineoption für Ärzte und Patienten entwickelt [7]. Die Insertion eines Implantats und die anschließende Versorgung mit einer Einzelkrone schaffen bei geeigneter Indikation eine klinisch langfristig erprobte Lösung zum Ersatz eines einzelnen Zahns im Frontzahnbereich [8–11]. Speziell in der sichtbaren anterioren Oberkieferregion ist eine gute biologische und funktionelle Integration sowie eine exzellente ästhetische Wirkung der Restauration mit perfekter Einpassung in das Gesamtbild der Nachbarbezahnung oft nur mit erheblichem Zusatzaufwand zu erzielen. Hierzu zählen beispielsweise vorausgehende oder begleitende Hart- und Weichgewebsaugmentationen in der chirurgischen Behandlungsphase. Die Behandlung sollte deshalb im Team qualifizierter Spezialisten erfolgen, um alle sinnvollen zahnmedizinischen und labortechnischen Therapieaspekte entsprechend zu berücksichtigen.
Klinischer Fall
Ausgangssituation
Ein zum Zeitpunkt der Erstvorstellung in unserer Sprechstunde 44-jähriger Patient präsentierte einen deutlich verfärbten rechten mittleren Schneidezahn im Oberkiefer. Der Zahn wies sowohl labial als auch palatinal im sichtbaren Bereich deutliche Risse in der Zahnhartsubstanz auf (Abb. 1 bis 4). Im Rahmen der Versorgung eines einige Jahre zurückliegenden dentalen Traumas war der Zahn alio loco wurzelkanalbehandelt und einige Zeit später auch apikal reseziert worden. Der Zahn war bei der Untersuchung nicht klopfempfindlich und bereitete dem Patienten keine Schmerzen. Auf der neu angefertigten Röntgenaufnahme zeigte sich am Neoapex eine nahezu kreisrunde Radiotransluzenz mit einem Durchmesser von ca. 7 mm als Abbild einer chronischen apikalen Ostitis (Abb. 5). Aufgrund der erhobenen Befunde wurde der rechte mittlere Inzisivus als nicht mehr erhaltungswürdig eingestuft. Prof. Dr. Jürgen Manhart
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Sämtliche anderen Frontzähne waren nicht perkussionsempfindlich und reagierten positiv auf die Sensibilitätsprüfung mit Kältespray. Im Rahmen eines Funktionsscreenings zeigten sich leichte Abrasionsfacetten an der Zahnhartsubstanz. Es ergaben sich aber keine Anzeichen für eine Funktionsstörung des stomatognathen Systems, insbesondere keine muskulären oder arthrogenen Probleme und keine Einschränkungen in der Mobilität des Unterkiefers.
Therapieplanung und Behandlungsziel
Entsprechend der medizinischen Therapienotwendigkeit und dem Wunsch des Patienten, eine Verbesserung der Ästhetik im rechten Oberkieferfrontzahnbereich mit einer festsitzenden prothetischen Versorgung zu erreichen, wurden verschiedene Behandlungsvorschläge unterbreitet. Nach einer intensiven Beratung wurde aufgrund der Ausgangssituation mit karies- und füllungsfreien Nachbarzähnen zusammen mit dem Patienten entschieden, den Zahn 11 nach erfolgter Extraktion durch eine implantatverankerte Krone zu ersetzen. Nach der Einheilung des enossalen Implantats und einer Phase der Weichgewebskonditionierung mit einem laborgefertigten Langzeitprovisorium sollte die prothetische Versorgung durch eine verschraubbare Hybridabutmentkrone mit individualisiertem Austrittsprofil erfolgen.
Der Patient wurde im ausführlichen Beratungsgespräch neben den Therapiealternativen über Notwendigkeit, Dringlichkeit, Umfang, Vorgehen, Risiken und die wirtschaftlichen Aspekte der geplanten Behandlungsmaßnahmen aufgeklärt. Anschließend erfolgte die Dokumentation der Ausgangssituation mit digitaler Fotografie. Zum Abschluss der 1. Behandlungssitzung wurden noch ein Okklusionsprotokoll mit Shimstock-Folie und Präzisionsabformungen beider Kiefer mit individualisierten konfektionierten Abformlöffeln angefertigt. Zusätzlich wurden eine Kieferrelationsbestimmung in habitueller Interkuspidation (HIKP) und eine arbiträre schädel- und gelenkbezogene Übertragung der Oberkieferposition mittels Gesichtsbogen durchgeführt [12].
Chirurgische Phase
Beim Implantologen erfolgte eine schonende Extraktion des kompromittierten Schneidezahns (Abb. 6). Die wichtige vestibuläre Knochenlamelle konnte hierbei im koronalen Bereich komplett erhalten werden (Abb. 7). Nach dem Anlegen einer horizontal verlaufenden vestibulären Inzision im apikalen Bereich der keratinisierten Gingiva präsentierte sich der knöcherne Defekt im Bereich der ehemaligen Wurzelspitze (Abb. 8). Das nach der Zahnentfernung in der Alveole noch verbliebene restliche Granulationsgewebe wurde über diesen apikalen Zugang mit einem Lucas-Schaber (Helmut Zepf Medizintechnik GmbH, Seitingen- Oberflacht) sorgfältig ausgeräumt. Anschließend wurde die restliche knöcherne Alveole gründlich gereinigt. Es folgte die Sofortimplantation. Dafür wurde das Implantatbett unter Verzicht auf eine Lappenbildung aufbereitet. Bei der Auswahl des Implantatdurchmessers ist zu beachten, dass bei der Bohrung für das Implantatbett ein ausreichender Mindestabstand zu den angrenzenden natürlichen Zähnen eingehalten wird (Abb. 9). Die Positionierung im Zahnfach orientierte sich an der palatinalen Knochenwand (Abb. 10). Dr. Peter Randelzhofer
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Ein CAMLOG Screw-Line-Implantat mit 4,3 mm Durchmesser und 16 mm Länge (CAMLOG, Wimsheim) (Abb. 11) wurde primärstabil inseriert. Es wurde darauf geachtet, die Implantatschulter in vertikaler Dimension 3 bis 4 mm unterhalb des Verlaufs des Gingivasaums am benachbarten mittleren Schneidezahn zu legen (Abb. 12) [13,14]. In der orofazialen Position wurde das Implantat mit einem Abstand von mindestens 2 mm zur bukkalen Knochenplatte eingesetzt, um deren Resorption zu verhindern (Abb. 13). Nach dem Einbringen einer Verschlussschraube in die Implantatöffnung für die gedeckte Einheilung wurden räumliche Defizite zwischen Knochenfach und Implantatoberfläche mit blutvermischtem Knochenersatzmaterial (Bio-Oss, Geistlich Biomaterials, Baden-Baden) augmentiert. Ziel war es, ein entstehendes Blutkoagel zwischen Alveolenwand und Implantat zu stabilisieren und Resorptionen möglichst zu verhindern [15]. Es wurde eine zusätzliche Weichgewebsaugmentation mit einem aus dem Gaumen entnommenen Bindegewebstransplantat durchgeführt (Abb. 14 bis 17) und anschließend der Wundverschluss mit Nähten vorgenommen (Abb. 18). Dr. Peter Randelzhofer
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Eine Sofortimplantation hat das Ziel, die unmittelbar nach der Extraktion vorhandenen Knochenstrukturen so gut wie möglich zu erhalten. Hartgewebliche Augmentationen zu einem späteren Zeitpunkt sind aufwendig und vor allem schwierig vorhersagbar [15]. Zu den weiteren Vorteilen der Sofortimplantation zählen die verkürzte Behandlungsdauer sowie die geringere Anzahl an Sitzungen bis zur Eingliederung der definitiven Versorgung [16,17]. In der Literatur ist umfangreich nachgewiesen, dass die Sofortimplantation nach der Extraktion eines Zahns mit endodontisch bedingter periapikaler Ostitis von einem erfahrenen Chirurgen ohne erhöhtes Risiko für das Auftreten von Komplikationen und die Implantatverweildauer vorgenommen werden kann, wenn im Rahmen eines sorgfältigen Débridements das Granulationsgewebe restlos entfernt und somit die Alveole komplett gereinigt und dekontaminiert wird [16,18-32].
Das Operationsgebiet präsentierte sich nach einer Einheilzeit von 5 Monaten reizlos mit gesunden Schleimhautverhältnissen (Abb. 19). Aus der lateralen Ansicht war ein labiales Volumendefizit in der Implantatregion des Alveolarkamms erkennbar (Abb. 20). Eine Konturverbesserung sollte im Rahmen der Freilegung korrigierend mit der Rolllappen-Technik zur Weichgewebeverdickung vorgenommen werden. Dabei wurde zuerst die Gingiva über dem Implantat unter Aussparung der Papillen deepithelisiert (Abb. 21). Anschließend wurde nach palatinal ein Spaltlappen präpariert, der das entepithelisierte Gewebe umfasst. Dieser wurde als Rolllappen umgeklappt und in den bukkal präparierten Tunnel geschoben (Abb. 22). Nach Entfernung der Abdeckschraube wurde ein passender Gingivaformer im Implantat positioniert und der Rolllappen mit Nähten fixiert (Abb. 23). Einen Monat später wurde der Gingivaformer entfernt und es erfolgte die Erstabformung mit einem konfektionierten Standardtransferpfosten und einem individuellen Löffel für die Anfertigung eines laborgefertigten Langzeitprovisoriums (Abb. 24). Der Patient wurde anschließend wieder zurück an das restaurative Team überwiesen. Dr. Peter Randelzhofer
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Prothetische Phase
Weichgewebsausformung
Auf dem Gipsmodell der Implantaterstabformung wurde vom Zahntechniker ein diagnostisches Wax-up angefertigt (Abb. 25). Dieses dient als Planungsgrundlage, mit dem man auch ein natürlich wirkendes Emergenzprofil erarbeitet [33]. Die Übertragung des Austrittsprofils der geplanten Implantatkrone auf das Gipsmodell erfolgt durch labiale und palatinale Silikonvorwälle vom diagnostischen Wax-up, mit deren Hilfe mit einem feinen Stift die Geometrie der Durchtrittskontur auf dem Gipsmodell eingezeichnet wird [34,35]. Der dadurch illustrierte Unterschied in den Dimensionen zwischen derzeitigem und geplantem Durchtrittsprofil zeigt das nötige Ausmaß an Weichgewebsmanagement. Es wird eine annähernde Spiegelung des Austrittsprofils des homologen Nachbarzahns angestrebt [36]. Mit einer Sequenz von rotierenden Instrumenten wird dafür das ideale Emergenzprofil am Gipsmodell sorgfältig herausgearbeitet (Abb. 26). Um das periimplantäre Weichgewebe kontrolliert ausformen zu können, ist es wichtig, dass man nahe der Implantatschulter sehr schmal arbeitet, in Richtung des zervikalen Bereichs mehr Platz für das Abutment schafft und dann den Übergang zum späteren Sulkus leicht ausladend definiert [34]. Das Austrittsprofil muss also möglichst konkav radiert werden (Abb. 27). Die Faustregel lautet hierbei: labial entlasten, approximal drücken [34]. ZT Uwe Gehringer
Prof. Dr. Jürgen Manhart
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Auf dem vorbereiteten Gipsmodell wird durch Verblenden eines provisorischen Abutments mit hochwertigem Komposit eine langzeitprovisorische Prototypkrone zum Verschrauben für die schrittweise Ausformung des periimplantären Weichgewebes hergestellt (Abb. 28). Der Vorteil dieser Kompositkrone liegt darin, dass sie durch Zurückschleifen oder einfaches Antragen von Komposit im Bereich des Austrittsprofils auch vom Behandler schnell und einfach verändert werden kann. Da diese Restauration über mehrere Monate zur Modellation der approximalen Papillen und der marginalen Gingiva als Langzeitprovisorium vom Patienten an prominenter Position getragen wird, ist neben einer korrekten Form und Funktion auch eine ästhetisch überzeugende Rekonstruktion anzustreben (Abb. 29 bis 32). Prof. Dr. Jürgen Manhart
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Zwei Wochen nach der Erstabformung erschien der Patient erneut in der Praxis. Nach Abnahme des Gingivaformers wurde die Prototypkrone eingegliedert (Abb. 33). Beim Einschrauben der Prototypkrone entsteht durch den Verdrängungseffekt ein leichter Druck auf die Weichgewebe um das Implantat, der sich in der Ausbildung einer vorübergehenden, regionalen ischämischen Zone manifestiert. Nach etwa 10 bis 15 Minuten sollte das periimplantäre Weichgewebe allerdings wieder regelrecht durchblutet sein und seine natürliche Farbe zurückgewinnen [37]. Andernfalls muss die Prototypkrone nochmals herausgeschraubt und das Gewebe durch gezieltes leichtes Zurückschleifen und Polieren der Restauration im Bereich des Durchtrittsprofils entlastet werden, um bleibende Schädigungen zu vermeiden [35]. Generell gilt, je dünner das periimplantäre Weichgewebe ist, desto weniger Druck sollte ausgeübt werden.
Der nächste Termin fand 4 Wochen nach dem erstmaligen Einbringen der Prototypkrone statt. Die periimplantären Weichgewebe hatten sich mittlerweile vorteilhaft entwickelt. Nach dieser 1. Konditionierungsphase wurde die langzeitprovisorische Krone nochmals abgeschraubt und im Gebiet der Durchtrittslinie durch Antragen von Komposit etwas verbreitert. Durch diese Modifikation soll im Verlauf des weitergehenden Weichgewebsmanagements erreicht werden, dass sich im Bereich der späteren definitiven Versorgung keine hygienisch bedenklichen Räume zwischen Gingiva und Keramikkrone ergeben und weiterhin das Austrittsprofil so optimiert werden, dass die spätere definitive Krone die Illusion eines aus einem natürlichen Alveolarfach heraustretenden Zahns erweckt [5,34,38]. Anschließend wurde die umgearbeitete provisorische Implantatkrone wieder auf dem enossalen Pfeiler verschraubt. Wittneben et al. zeigten in einer klinischen Untersuchung, dass mit der schrittweisen Konturierung durch eine langzeitprovisorische Prototypkrone das Emergenzprofil von Oberkieferfrontzahnimplantaten individualisiert und das Volumen des Weichgewebes im Bereich des Durchtrittsprofils im Vergleich zu einem konfektionierten Gingivaformer positiv beeinflusst werden kann [39]. In einer weiteren klinischen Studie konnte eine die Ästhetik unterstützende Verbesserung des periimplantären Weichgewebes mit der Ausbildung von approximalen Papillen durch provisorische Implantatkronen mit individualisiertem Emergenzprofil demonstriert werden [40].
Nach 5 weiteren Monaten hatte sich das periimplantäre Weichgewebe endgültig stabilisiert. Es zeigte sich eine leichte Narbenbildung im Bereich der distalen Papille und am Gingivazenit (Abb. 34 und 35); dieser Mangel der roten Ästhetik störte den Patienten allerdings nicht. In der Röntgenkontrolle zeigte sich eine gute und stabile Osseointegration des Implantats (Abb. 36). Die klinische Situation war somit bereit für die Abformung zur Anfertigung der definitiven Implantatrekonstruktion. Da die laborgefertigte Prototypkrone im Verlauf der Konditionierungsphase zur Optimierung der Weichgewebskontur in ihrem Durchtrittsprofil korrigiert wurde, muss der Behandler dem Zahntechniker diese Veränderung in der Weichgewebskontur durch eine erneute Implantatabformung für die Herstellung eines die neue Situation exakt berücksichtigenden Meistermodells übermitteln. Diese Abformung erfolgt mit einem entsprechend der Veränderung des Durchtrittsprofils individualisierten Transferpfosten [33,38,41]. Prof. Dr. Jürgen Manhart
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Herstellung des individualisierten Abformpfostens
Zur Herstellung des individualisierten Abformpfostens, der die periimplantäre Weichgewebemorphologie mit maximaler Detailtreue auf das Meistermodell für die Anfertigung der definitiven Arbeit überträgt, wurde das auf dem enossalen Implantat verschraubte Langzeitprovisorium vorsichtig aus dem Patientenmund entnommen (Abb. 37). Es präsentierte sich eine gut ausgeformte Weichgewebsarchitektur, bei der die an der Implantationsstelle vorzufindende Gewebedicke vergleichbar mit der Situation am zu kopierenden linken mittleren Inzisivus war (Abb. 38). Für die Dauer der Entnahme des Langzeitprovisoriums zur Herstellung des individualisierten Abformpfostens wurde ein Kollaps des intraoralen Weichgewebes dadurch verhindert, dass temporär ein konfektionierter Gingivaformer eingeschraubt wurde, dessen Volumendefizit im Vergleich zur Prototypkrone durch zirkuläres Umspritzen mit einem Bissregistriersilikon kompensiert wurde [37]. Prof. Dr. Jürgen Manhart
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Die aus dem Patientenmund entnommene implantatgetragene Einzelzahnprototypkrone mit individualisiertem Emergenzprofil wurde gereinigt und auf ein systemkompatibles Laboranalogimplantat geschraubt (Abb. 39). Wichtig ist dabei, die Halteschraube nicht zu fest anzuziehen, damit sich später beim Lösen der Schraube – um die zu kopierende Prototypkrone gegen den zu individualisierenden konfektionierten Abformpfosten auszutauschen – das im Abformmaterial fixierte Laboranalogimplantat nicht verdreht. Für die Kopie der zervikalen Kontur des Langzeitprovisoriums wurde eine detailliert zeichnende niedrigvisköse Präzisionsabformmasse (z.B. V-Posil Light Fast; VOCO, Cuxhaven) verwendet, die in einen kleinen Plastikbecher (z.B. Dosierbecher einer Mundspüllösung) vorgelegt wurde (Abb. 40). Der wichtige Bereich des Emergenzprofils wurde nochmals extra mit dem dünnfließenden Abformmaterial zirkulär blasenfrei umspritzt (Abb. 41), bevor das auf dem Laboranalog montierte Langzeitprovisorium in das Gefäß mit der Abformmasse positioniert wurde (Abb. 42). Es ist wichtig, die Prototypkrone tief genug einzubetten, um später den individualisierten Transferpfosten im Bereich der Approximalräume ausreichend hoch gestalten zu können, damit bei der Abformung im Mund das interdentale Gewebe genügend unterstützt wird [33]. Nach dem Abbinden des Abformmaterials wurde das Plastikgefäß entfernt und überschüssiges Abformmaterial knapp oberhalb des Emergenzprofils mit einem Skalpell scharf abgetrennt, um die weiteren Arbeitsgänge zu erleichtern. Mit einem Permanentmarkerstift wurde die labiale Seite auf dem Abformmaterial markiert (Abb. 43), bevor die provisorische Krone durch Lösen der Verschraubung wieder vom Laboranalog abgenommen wurde (Abb. 44). Prof. Dr. Jürgen Manhart
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An einem systemzugehörigen konfektionierten Abformpfosten wurden mit einem Schleifkörper Unterschnitte als Rotationsschutz für den im Folgenden anzubringenden Kunststoff zur Individualisierung des Übertragungspfostens angebracht (Abb. 45). Der nun vorbereitete konfektionierte Abformpfosten wurde auf das im Abformmaterial eingebettete Laboranalogimplantat geschraubt. Deutlich zu erkennen ist die Volumendiskrepanz zwischen der Außengeometrie des Standardabformpfostens und dem mit der Prototypkrone erarbeiteten Emergenzprofil, welches die Durchtrittsgeometrie eines natürlichen Zahns imitiert (Abb. 46). Der Spaltraum zwischen dem Standardabformpfosten und dem durch das Abformmaterial dargestellten individualisierten Durchtrittsprofil wurde mit einem Kunststoffmaterial aufgefüllt (Abb. 47) [33,41]. Hierfür eignet sich hervorragend ein dünnfließendes Bulk-Fill- Kompositmaterial aus der restaurativen Zahnheilkunde, da diese Materialklasse neben exzellenten Anfließeigenschaften über eine große Durchhärtetiefe von 4 mm für die Lichtpolymerisation (Abb. 48) verfügt und somit auch bei umfangreicheren Individualisierungsmaßnahmen maximal 2 Kompositschichten für das komplette Auffüllen des Spaltraums genügen sollten (Abb. 49). Alternativ kann man einen dünnfließenden Modellierkunststoff aus dem Zahntechniklabor (z.B. Pi-Ku-Plast HP 36 blau, bredent, Senden) in der Pinseltechnik einsetzen; da diese Werkstoffe chemisch härten, kann man den kompletten Spaltraum ohne Lichthärtung auf einmal füllen. Prof. Dr. Jürgen Manhart
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Nach dem Aushärten des Kunststoffs wurde mit einem Schleifkörper die bukkale Seite des individualisierten Abformpfostens markiert (Abb. 50), um dem Behandler die intraoral korrekte Orientierung zu erleichtern. Abschließend wurde der nunmehr individualisierte Abformpfosten wieder vom Laboranalog abgeschraubt. Es erfolgte eine Kontrolle auf Imperfektionen. Insbesondere müssen etwaige scharfe Kanten aufgrund von Fehlstellen entfernt werden, die intraoral zu Verletzungen des periimplantären Weichgewebes führen könnten. Der beschriebene Workflow erlaubt auf einfache Weise unter Verwendung eines Kunststoffs die präzise Kopie des Emergenzprofils der intraoral modifizierten implantatgetragenen Prototypkrone auf einen konfektionierten Abformpfosten (Abb. 51) und somit nach Herstellung eines neuen Meistermodells die formanaloge Anfertigung des definitiven Abutments und der Krone [41]. Prof. Dr. Jürgen Manhart
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Implantatabformung mit individualisiertem Transferpfosten
Nachdem der individualisierte konfektionierte Abformpfosten angefertigt war, wurde intraoral der für die Zwischenzeit eingebrachte Gingivaformer wieder vom Implantat entfernt. Der individualisierte Implantatabformpfosten wurde ohne Zeitverzug in die Lücke eingebracht und sorgfältig auf dem enossalen Implantat verschraubt (Abb. 52). Bestehen Zweifel an der korrekten Positionierung, sollte vor der Abformung der einwandfreie Sitz des individualisierten Abformpfostens auf dem enossalen Implantat mit einem Röntgenbild kontrolliert werden. Der individualisierte Transferpfosten übernimmt während der Abformung die Stützfunktion, um ein Kollabieren des periimplantären Weichgewebes zu verhindern und das ausgeformte Durchtrittsprofil zu erhalten [42]. Durch eine ausreichende approximale Höhe wird auch der Bereich der Papillen unterstützt. Nach dem Aufbringen der Repositionshilfe auf den Transferpfosten (Abb. 53) erfolgte die detailgetreue Abformung der Implantatposition und der periimplantären Gewebemorphologie mit einem Polyethermaterial und einem laborgefertigten individuellen Abformlöffel in der geschlossenen Technik (Abb. 54). Mit diesem Verfahren kann die mit der langzeitprovisorischen Prototypkrone intraoral über Monate optimierte periimplantäre Weichgewebssituation ohne Informationsverlust einfach und sicher auf das Meistermodell des Zahntechnikers zur Anfertigung der definitiven prothetischen Restaurationen übertragen werden [34,38]. Nach der Abformung wurde die gereinigte Prototypkrone wieder auf dem Implantat verschraubt (Abb. 55). Prof. Dr. Jürgen Manhart
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Labortechnische Herstellung der Hybridabutmentkrone
Nach der Herstellung des Gipsmeistermodells wurde im Zahntechniklabor die definitive prothetische Arbeit in Form einer verschraubbaren Hybridabutmentkrone angefertigt [43,44]. Hierfür wurde ein individuell hergestellter Zirkonoxidaufbau, der das subgingivale Emergenzprofil der langzeitprovisorischen Prototypkrone exakt kopierte, mit keramischen Schichtmassen manuell verblendet und abschließend auf einer konfektionierten Titanbasis im Dentallabor unter optimalen Bedingungen miteinander verklebt (Abb. 56). Die Unterstützung des Emergenzprofils erfolgt zum größten Teil durch das individuelle Abutment und wird koronalwärts durch die darauf anschließende Kontur der Keramikverblendung nahtlos weitergeführt (Abb. 57 bis 60) [35]. Dadurch wird das periimplantäre Weichgewebe im Durchtrittsprofil optimal unterstützt. Der „Präparationsrand“ des Abutments sollte dabei ca. 0,5 bis 1,0 mm subgingival positioniert werden [45-47]. Prof. Dr. Jürgen Manhart
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Eingliederung der Hybridabutmentkrone
Nach Abnahme der Prototypkrone wurde die definitive Hybridabutmentkrone mithilfe eines laborgefertigten Übertragungsschlüssels auf dem enossalen Implantatkörper positioniert und mit einem Drehmomentschlüssel verschraubt. Der spaltfreie korrekte Sitz der Restauration wurde mit einem Röntgenbild kontrolliert, auf dem sich gleichzeitig eine gute und stabile Osseointegration des Implantats zeigte (Abb. 61). Abschließend wurde der Schraubenkanal mit Teflonband und Komposit verschlossen und nochmals die statische und dynamische Okklusion geprüft. Die Restauration integriert sich funktionell und ästhetisch gut in die Umgebungsbezahnung (Abb. 62). Auch das Zusammenspiel von Lippen und prothetischer Arbeit ergibt ein harmonisches Gesamtbild (Abb. 63 bis 65). Prof. Dr. Jürgen Manhart
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Fazit
Bei der Eingliederung einer implantatverankerten festsitzenden Restauration im Frontzahnbereich kommt es neben der funktionellen Passung vor allem auf eine gelungene ästhetische Integration der prothetischen Krone an. Hierbei spielt neben der weißen Ästhetik auch die rote Ästhetik mit der Ausformung eines zahnähnlichen Emergenzprofils und harmonisch verlaufender Gingiva bei stabilen Weichgewebsverhältnissen eine große Rolle. Um in diesem Indikationsbereich vorhersagbare Ergebnisse zu erzielen, ist eine strukturierte, aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit aller Mitglieder des Behandlungsteams unabdingbar. Dies beginnt bei der gemeinsamen Fallplanung mit dem Dentallabor, setzt sich fort bei der korrekten Positionierung des Implantats durch den Chirurgen und wird in der prothetischen Phase vor der Eingliederung der definitiven Restauration mit der optimalen Ausformung der periimplantären Weichgewebsstrukturen mit einer verschraubten, individuell optimierten langzeitprovisorischen Prototypkrone weitergeführt.
Näheres zu den Autoren des Fachbeitrages: Prof. Dr. Jürgen Manhart, Dr. Peter Randelzhofer, ZT Uwe GehringerBildquellen sofern nicht anders deklariert: Unternehmen, Quelle oder Autor/-in des Artikels
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