Von einem Misserfolg wird gesprochen, wenn das angestrebte Therapieziel nicht oder nicht nachhaltig erreicht wird. Ursachen können schicksalhafte Komplikationen oder Behandlungsfehler sein. Komplikationen deuten per se noch nicht auf eine fehlerhafte Behandlung hin. Sie können allerdings durch fehlerhaftes Komplikationsmanagement in einen Behandlungsfehler münden. Eine sinnvolle Kategorisierung unterscheidet zwischen psychosozial, biologisch und mechanisch/ technisch bedingten Komplikationen. In einem Review zu mechanischen und technischen Risiken bei implantatprothetischen Versorgungen wurden verschiedene Risikofaktoren analysiert [10]. Assoziationen folgender Faktoren mit vermehrten Komplikationen wurden identifiziert:
- Fehlendes Metallgerüst bei Deckprothesen
- Extensionsglieder > 15 mm
- Bruxismus
- Größe der Suprastruktur
- Wiederholte Komplikationen in der Anamnese
Hingegen wurden keine Assoziationen gefunden für:
- Befestigungsart
- Angulierte Abutments
- Kronen-Implantatlängenverhältnis
- Zahl der Implantate bei Brücken
In einem Review [2] wurden als häufigste technische Komplikationen bei zementierten Restaurationen Retentionsverlust, Chipping und Lockerung der Abutmentschraube genannt.
Compliance und Hygiene
Bei eingeschränkter, aber noch akzeptabler Mundhygiene sollten die individuellen Möglichkeiten des Patienten bei der Wahl der Konstruktion berücksichtigt werden. So spricht bei einem älteren Menschen mit reduziertem Sehvermögen, eingeschränkter Motorik und zu erwartender eher mäßiger Mundhygiene im zahnlosen Kiefer vieles für die Wahl von Einzelverankerungen gegenüber einer Stegversorgung, wenn auch die Stegversorgung besser dokumentiert ist und aus biomechanischer Sicht Vorteile bieten kann. Einzelverankerungen wie Kugelköpfe oder Locator®-Attachments sind leichter mit der Zahnbürste ohne zusätzliche Hilfsmittel zu reinigen. Auch sollte auf eine gut zugängliche und einsehbare (anteriore) Implantatposition Wert gelegt werden. Je weiter posterior ein Implantat geplant ist, desto eingehender sollte die individuelle Mundhygienefähigkeit hinterfragt werden.
Psychische Störungen
Die psychische Reaktionslage wird als prognoserelevanter Faktor oft unterschätzt. Gerade bei implantatprothetischen Versorgungen als quasi irreversible Maßnahme können Patienten mit somatoformen oder anderen psychischen Störungen zu einem außerordentlichen Problem in der zahnärztlichen Praxis werden. In der Wissenschaftlichen Mitteilung „Psychosomatik in der Zahn-, Mundund Kieferheilkunde“ des Arbeitskreises Psychologie und Psychosomatik der Deutschen Gesellschaft für Zahn, Mundund Kieferheilkunde (DGZMK) werden als psychosomatische Krankheitsbilder u. a. genannt:
- Anhaltende somatoforme Schmerzstörungen
- Somatoforme Materialunverträglichkeit
- Burning Mouth Syndrom (Definition uneinheitlich, Zuordnung umstritten)
- Craniomandibuläre Störungen
Obwohl inzwischen durch erweiterte Kriterien ersetzt, sind die Diagnosekriterien für seelische und psychosomatische Störungen nach Müller-Fahlbusch [7] immer noch für den Zahnarzt sehr praktikabel und hilfreich. Wenn von den fünf Diagnosekriterien drei erfüllt sind, besteht die Verdachtsdiagnose einer seelischen bzw. somatoformen Störung:
- Auffällige Diskrepanz zwischen dem Befund und Befinden
- Fluktuation der Beschwerden
- Diagnose ex non juvantibus
- Beteiligung der Persönlichkeit
- Konkordanz der Beschwerden mit situativen Ereignissen und Biografie
Kasuistik
Nach Versorgung mit einer implantatgetragenen Brücke im Oberkiefer zeigten sich bei einer Patientin Mitte fünfzig unspezifische Beschwerden mit chronischen Kiefer- und Gesichtsschmerzen, die therapeutisch nicht zu beherrschen waren. In der Folge kam es zu einer langjährigen zivilrechtlichen Auseinandersetzung, in der auch ein Fibromyalgiesyndrom und die mittlerweile bestehende Erwerbsunfähigkeit auf die implantatprothetische Versorgung zurückgeführt wurden. Die eingehende Fallanalyse brachte zutage, dass bereits im Vorfeld der Therapie deutliche Hinweise auf seelische Störungen vorgelegen hatten und übersehen worden waren. Bei Verdacht auf Somatisierungsstörungen, Depression und andere seelische Erkrankungen sollten implantatprothetische Versorgungen als invasive und schwer reversible Maßnahmen nicht ohne entsprechende fachärztliche Abklärung erfolgen.
Bruxismus
Gut bewährt hat sich die Michiganschiene. Bei wiederholten Problemen in der Anamnese oder massiver parafunktioneller Aktivität können auch reine Metallkonstruktionen aus edelmetallfreien Legierungen oder Titan sinnvoll sein. Auch auf eine ausreichende Implantatunterstützung (ausreichende Implantatzahl) ist zu achten.
Nutzen-Risiko-Verhältnis
Implantatpositionen
In diesen Fällen sollte konsequent eine Explantation erfolgen, um nicht die chirurgische Komplikation in einer nicht akzeptablen prothetischen Konstruktion fortzuschreiben. Indikationen zur Explantation bestehen auch bei bereits nach der Einheilung bestehendem Knochenabbau. Im Einzelfall ist vor prothetischer Versorgung eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Bewertung vorzunehmen und zu dokumentieren.
Konsequenz und Flexibilität bei der prothetischen Therapie
Kommt es zu Abweichungen zwischen den geplanten und realisierten Implantatpositionen, kann die Situation häufig noch durch Umplanung gerettet werden. Fatal kann es werden, wenn strikt an der ursprünglichen Planung festgehalten wird. Das Beispiel der Abbildungen 6 a-c zeigt eine nicht mehr mit einer Einzelzahnrestauration zu versorgende Implantatposition. Die prothetische Therapie erfolgte trotzdem in der ursprünglich vorgesehenen Weise. Konsekutiv kam es schließlich mittelfristig zu einer Implantatfraktur. Eine Abkehr von der ursprünglichen Planung und Umplanung, z. B. mit Nachimplantation oder Verbundkonstruktion, hätte den Misserfolg vermutlich verhindern können. In diesem Kontext ist die interkollegiale Zusammenarbeit – falls chirurgische und prothetische Behandlung nicht in einer Hand bleiben – von besonderer Bedeutung (Abb. 7).
Ästhetik
Das Risiko ästhetischer Komplikationen ist insbesondere bei einer hohen Lachlinie und hohen Patientenerwartungen hoch. Daher ist ein besonderer Schwerpunkt auf eine realistische Planung und Aufklärung zu legen. Insbesondere bei vertikalen Augmentationen, deren Ergebnis und Langzeitstabilität als deutlich unsicherer gegenüber horizontalen Augmentationen einzustufen ist, steigt das Komplikationsrisiko. In einem systematischen Review wird geschlussfolgert, dass es eine starke Empfehlung der Weichteilausformung mit provisorischen Kronen gibt, allerdings bei fehlender Evidenz [6]. Mit dieser Maßnahme können die Ergebnisse bei von vornherein günstigen Situationen sicher weiter verbessert werden. Bei ungünstiger Implantatstellung und defizitärem Weichgewebsangebot helfen sie als alleinige Maßnahme jedoch nur wenig.
Keramikdefekte
Keramikdefekte treten bei implantatgetragenem Zahnersatz häufiger auf als bei zahngetragenen Restaurationen. Diese Erfahrung aus der klinischen Praxis ist nur durch wenige Studien belegt. Kausal kann man diese Beobachtung auf den fehlenden Dämpfungseffekt und die fehlende Propriozeption des Parodonts bei gleichzeitig hohen Kräften zurückführen. Im Ergebnis einer klinischexperimentellen Studie wird über eine mehr als 8-fach höhere Tastschwelle bei Implantaten im Vergleich zu Zähnen berichtet [3]. Bei Werkstoffen mit erhöhtem Risiko wird daher durch den Einsatz auf Implantaten eine weitere Risikoerhöhung einzuplanen sein. Das Risiko von Keramikdefekten steigt mit der Größe der Restaurationen. Rein implantatgetragener Zahnersatz in beiden Kiefern trägt dabei das höchste Risiko. Daher sind hier Sorgfalt der okklusalen Gestaltung, eine indikationsgerechte Materialwahl und die Anfertigung einer Schutzschiene besonders wichtig. Bei rein implantatgetragenen Konstruktionen wird der Patient unter Umständen zum oralen Grobmotoriker. Vollkeramische Restaurationen erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit. Zu diesem Thema wurde Anfang 2015 eine S3-Leitlinie (höchste Leitlinienstufe) „Vollkeramische Kronen und Brücken“ der Deutschen Gesellschaft für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien und der DGZMK veröffentlicht. Die Leitlinie beschränkt sich auf zahngetragene Kronen und Brücken.
Studien mit reiner Implantatversorgung fanden keine Berücksichtigung, da nur bei wenigen Studien ein kleiner Anteil der Kronen implantatgetragen war. Für zahngetragene Restaurationen wird in der Leitlinie festgestellt, dass es für viergliedrige einspannige Brücken bisher keine Studien mit ausreichendem Evidenzniveau gab, die Leitlinienanforderungen genügten. Hinsichtlich mehr als viergliedriger einspanniger Brücken gab es bisher keine Studien mit Überlebensraten, die denen metallkeramischer Restaurationen entsprachen. Zu verblendeten zirkoniumdioxidkeramischen Kronen im Seitenzahngebiet wird festgestellt, dass diese nur mit Einschränkung empfohlen werden könnten.
Wie oben ausgeführt, kann weiterhin von einem erhöhten Risiko auf Implantaten ausgegangen werden und deshalb sollten größere vollkeramische Brücken und verblendete zirkoniumdioxidkeramische Seitenzahnkronen auf Implantaten nicht eingesetzt werden. Für Seitenzahnrestaurationen sieht der Autor metallkeramische Kronen und Brücken in der Regel als Mittel der ersten Wahl an.
Da die noch immer als Goldstandard anzusehenden Edelmetalllegierungen aus Kostengründen schwer zu implementieren sind, werden daher vorwiegend edelmetallfreie Legierungen zum Einsatz kommen. Auch sind bei diesen die mechanischen Eigenschaften für größere Restauration günstig (hoher Elastizitätsmodul). Inwieweit Hochleistungspolymere bei festsitzendem Zahnersatz zukünftig eine Rolle spielen werden, bleibt abzuwarten.
Extensionsglieder
Verbundbrücke
Verbundbrücken werden immer wieder als Risikorestaurationen diskutiert. In einer Metaanalyse ergaben sich zwar reduzierte 10-Jahres-Überlebensraten von 78 % für Verbundbrücken im Vergleich zu rein implantatgetragenen Brücken mit 87 % [8]. Die absolute 10-JahresÜberlebensrate von 78 % ist allerdings hoch genug, um die Anwendung dieser Konstruktionen zu rechtfertigen. Sie können im Regelfall als Mittel der zweiten Wahl – angezeigt sein, wenn z.B. aus finanziellen Gründen, anatomischen Gegebenheiten oder auf Wunsch des Patienten andere Alternativen ausscheiden.
Das Risiko wird am geringsten sein, wenn die Wertigkeit des natürlichen Pfeilers strengen Kriterien gerecht wird. Die natürlichen Pfeiler sollten keine Lockerung aufweisen und ein entsprechend hohes Attachmentlevel aufweisen. Sie sollten ausreichend tragfähige Zahnhartsubstanz besitzen und möglichst vital sein. Im Zweifel sollte dem rein implantatgetragenen Zahnersatz den Vorzug gegeben werden. In der Klinik des Autors werden einfache Konstruktionen gegenüber Teleskop- oder Geschiebekonstruktionen, die die Abnehmbarkeit des implantatgetragenen Teiles gewährleisten sollen, bevorzugt. Derartige Verbundbrücken werden in konventioneller Art gestaltet und mit permanentem Zement (Phosphatzement) befestigt.
Atypische Konstruktionen
Fazit
Implantatprothetische Risiken sind nur teilweise reduzier- bzw. vermeidbar. Die sichere Seite erreicht man am ehesten bei sorgfältiger Patientenauswahl und Indikationsstellung, eingehender Planung sowie der Anwendung anerkannter Konzepte und langzeitbewährter Materialien. Als allgemeine Empfehlungen zur Risikominimierung können genannt werden:
- Identifikation von Risiken und deren Bewertung nach Ereignisschwere und Eintrittswahrscheinlichkeit
- Abwägung der Risiken gegenüber potenziellem Nutzen
- Entscheidung unter Berücksichtigung der Risikobereitschaft von Patient und Zahnarzt
- Je höher das Risiko, desto intensiver die Aufklärung
Alle zitierten Leitlinien, wissenschaftlichen Mitteilungen und Stellungnahmen stehen zum Download unter http://www.dgzmk.de/zahnaerzte/wissenschaft-forschung/leitlinien.html kostenlos bereit.
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