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S+ Ein multidisziplinärer Behandlungsansatz

Veneerversorgungen nach kieferorthopädischer Vorbehandlung

Viele Patienten stellen sich mit dem konkreten Wunsch nach Veneerversorgungen vor, nachdem sie festgestellt haben, dass ihre Schneidezähne immer kürzer werden. Der Gedanke an eine Wiederherstellung mit Hilfe keramischer Schalen oder Kronen ist nachvollziehbar – er ist nur leider in vielen Fällen nicht umsetzbar, da schlicht der Platz für eine entsprechende Protrusionsbewegung fehlt – die abgeknirschten Schneidekantenflächen kommen ja nicht von ungefähr ... Anstelle eines „das geht leider nicht“ gilt die Devise, erst einmal der Ursache auf den Grund zu gehen und zu versuchen, die Zahnhartsubstanz verursachenden Parafunktionen zu identifizieren, auszuschalten und gegebenenfalls gegenzusteuern, um Platz für die angefragte restaurative Therapie zu schaffen. Hier sind jetzt sowohl Funktionsdiagnostik als auch Kieferorthopädie gefragt. Die folgenden Fallberichte zeigen derartige Veneer- bzw. Teilkronen-Versorgungsmaßnahmen, die erst nach bzw. zum Teil aufwendigen, kieferorthopädischen Vorbehandlungsmaßnahmen umsetzbar waren.

Kieferorthopädische Vorbehandlung über 8 Monate mit einer
OK-Multi-Bracket-Apparatur. Visualisierung bei leicht geöffnetem Mund. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Kieferorthopädische Vorbehandlung über 8 Monate mit einer OK-Multi-Bracket-Apparatur. Visualisierung bei leicht geöffnetem Mund.
Kieferorthopädische Vorbehandlung über 8 Monate mit einer OK-Multi-Bracket-Apparatur. Visualisierung bei leicht geöffnetem Mund.

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Die Patienten sind heutzutage sehr gut über die unterschiedlichen Möglichkeiten ästhetischer Frontzahnrestaurationen informiert. Deswegen sind auch Veneers, Vollkeramikkronen- und Teilkronen keine Fremdworte mehr. Häufig kommen die Patienten bereits mit sehr konkreten Therapiewünschen.

Bei den Schneidezähnen ist dies sehr häufig der Wiederaufbau von zu kurzen, abgekauten, abgebrochenen oder zu dünnen Zähnen. Die klinische Befundung ergibt dann sehr häufig ein parafunktional stark geschädigtes Gesamtgebiss mit massiver Reduktion in der Vertikalen.

Die Schäden an den Frontzähnen ergaben sich dann sekundär als Folge eines Absinkens der Bisslage im Seitenzahnbereich. Oft sind die Schädigungen der Seitenzähne dem Patienten gar nicht bewusst. Somit ist in der Regel eine sehr aufwendige, eingehende Aufklärung über die Befunde und Behandlungsmöglichkeiten erforderlich.

Eine Restauration ad integrum lediglich der Frontzähne würde in Folge zu einer massiven Bisserhöhung im Frontzahnbereich und damit zu einem Unvermögen des Kieferschlusses im Seitenzahnbereich führen. Als Erstes steht somit die Überprüfung an, ob bei dem Patienten eine restaurative Bisserhöhung im Seitenzahnbereich erforderlich ist [1,19,58]. Nicht bei jedem Patienten, der einen derartigen vertikalen Höhenverlust über die letzten Jahre (Jahrzehnte) erfahren musste und der komplett beschwerdefrei ist, muss eine derartige Therapieoption in Betracht gezogen werden.

Viele dieser Patienten sind funktional stabil, völlig beschwerdefrei und oft auch dergestalt aufwendigen prothetischen Behandlungsvorschlägen nicht unbedingt zugänglich – sehen sie doch ihr primäres Problem im Frontzahnbereich. Somit ist ein Funktionsstatus im ersten Schritt unumgänglich.

Ergibt sich aus der Funktionsdiagnositk keine Notwendigkeit einer Bisshebung, muss überlegt werden, ob es möglich ist, lediglich die Frontzähne kieferorthopädisch/präprothetisch so zu bewegen, dass genügend Platz für eine inzisal/palatinale Fassung mit einer Restauration geschaffen werden kann, oder ob eine komplette kieferorthopädische Vorbehandlung inklusive der geforderten Wiederherstellung der Vertikalen erforderlich ist. Nach Vorstellung und Befundung [1] durch eine funktionstherapeutisch spezialisierte Kollegin und ihrer „Freigabe“ einer Versorgung ohne prothetische Erhöhung der Vertikalen über z.B. Okklusalveneers [3-5,20,21,54], neue Kronen oder okklusale Kompositaufbauten [9–11,14,47,56,60,67,71–73,82] erfolgt als nächstes die Vorstellung bei der Kieferorthopädin für eine Detailplanung.

Erst nach der abgeschlossenen kieferorthopädischen Vorbehandlung erfolgt dann die Planung der Frontzahnversorgung. Sehr häufig können die Defekte in direkter Technik mit Komposit aufgebaut werden [11,25,28–32,34,36,37]. Die Indikationsbereiche sind hierbei sehr häufig überlappend und die Langzeitergebnisse vergleichbar [7].

Der sehr aktuelle Übersichtsbeitrag von Araujo und Perdigao [7] zeigt, dass die Restaurationsfavoriten mit zunehmender Größe der zu versorgenden Fläche eher in Richtung indirekter, keramischer Versorgungsvarianten tendieren. Dass Vollkeramik eine hochästhetische „High-End“-Versorgung gerade bei Veneers und Veneerindikationen darstellt, beweisen zahlreiche Publikationen der letzten Jahrzehnte [8,12,13,18,22,38,44–46,51,53,68,79,81].

Auch wenn verblendete, transluzente Zirkonoxidmaterialien bei hochästhetischen Frontzahnrestaurationen immer mehr im Kommen sind [26,8], bleibt gemäß der aktualisierten S3-Leitlinie zu vollkeramischen Restaurationen* nach wie vor Lithiumdisilikat als das Restaurationsmaterial der Wahl für ästhetische Frontzahnrestaurationen, das Stabilität, die Möglichkeit der adhäsiven Befestigung und Ästhetik optimal kombiniert. Trotz interessanter Innovationen der letzten Jahre bleibt hier e.max aufgrund seiner längjährigen Bewährung über Jahrzehnte und der nahezu uneingeschränkten ästhetischen Möglichkeiten der absolute Favorit [42,69,70,74,7–79]. Aus diesem Grund sind die im Folgenden vorgestellten Fälle ausnahmslos aus E.max-Press hergestellt – teils lediglich bemalt, teils im „Cut back“ ergänzt, teils verblendet.

Fall 1: Versorgung erheblicher parafunktionsbedingter Unterkiefer-Schneidezahndefekte

Der 60 Jahre alte Patient bat um eine Zweitmeinung zu einer möglichen Versorgung seiner Unterkiefer-Schneidezähne. Seit Jahren beobachtet er deren zunehmende Abnutzung sowohl inzisal als auch labial. Der von ihm konsultierte Kieferorthopäde seiner Kinder entließ ihn mit der Aussage, „dass man da nichts machen könne“.

Abb. 1: Frontalansicht des 60 Jahre alten Patienten mit stark abgesunkenem
Biss. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 1: Frontalansicht des 60 Jahre alten Patienten mit stark abgesunkenem Biss.
Da nun in den vergangenen Jahren auch Schmerzempfindlichkeiten auftraten, sah sich der Patient veranlasst, eine mögliche Versorgung nochmals aufzugreifen. Es imponierte eine sehr stark abrasiv geschädigte Unterkieferfront mit einem ausgeprägten Engstand (Abb. 1 bis 5). Die Abbildung 1 demonstriert den sehr tiefen Einbiss der Unterkieferfront.
Abb. 2: Die sehr stark abrasiv geschädigte Unterkieferfront ist erst bei leicht
geöffnetem Mund erkennbar. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 2: Die sehr stark abrasiv geschädigte Unterkieferfront ist erst bei leicht geöffnetem Mund erkennbar.
Abb. 3: Detailaufnahme der Schäden an den Unterkiefer-Frontzähnen. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 3: Detailaufnahme der Schäden an den Unterkiefer-Frontzähnen.
Abb. 4: Ansicht der Unterkieferfront von inzisal. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 4: Ansicht der Unterkieferfront von inzisal.
Abb. 5: Korrespondierendes Bild der Oberkiefer-Frontzähne: Auch hier finden
sich Parafunktionsdefekte palatinal an den Oberkiefer-Schneidezähnen. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 5: Korrespondierendes Bild der Oberkiefer-Frontzähne: Auch hier finden sich Parafunktionsdefekte palatinal an den Oberkiefer-Schneidezähnen.

In der Tat war keinerlei Platz vorhanden, um den Substanzverlust in der Unterkieferfront durch additive restaurative Maßnahmen auszugleichen. Deswegen erfolgte als nächster Schritt die Vorstellung in der Kieferorthopädie mit der Fragestellung, ob eine Auflösung des Engstandes im Ober- und Unterkiefer dahingehend möglich wäre, zusätzlich ausreichend Platz in der Horizontalen und Vertikalen zu schaffen, um die Labialversorgung der Zähne 32–42 zu ermöglichen. Da der Patient ansonsten funktionsstabil war und außer den Empfindlichkeiten der Unterkiefer-Labialflächen keine weiteren Beschwerden hatte, konnte von einer Erhöhung der Vertikalen abgesehen werden, da eine kieferorthopädische Behandlung nach der Auswertung der Planungsunterlagen ausreichend Spielraum für eine Versorgung der Unterkieferfront versprach.

Es war das Ziel, die sehr flächigen Defekte der Unterkiefer-Schneidezähne mit Veneers mit Schneidekantenfassung zu versorgen. Der Patient wurde eingehend darüber aufgeklärt, dass im Rahmen der kieferorthopädischen Behandlung in der Oberkieferfront Lücken entstehen werden, die dann sekundär mit Komposit versorgt werden müssen. Der Patient willigte in das umfangreiche kieferorthopädisch-restaurative Behandlungskonzept ein.

Abb. 6: Im Fortlauf der kieferorthopädischen Behandlung konnten die
freiliegenden Dentinareale der Unterkiefer-Schneidezähne mit Komposit erstmals
provisorisch abgedeckt werden. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 6: Im Fortlauf der kieferorthopädischen Behandlung konnten die freiliegenden Dentinareale der Unterkiefer-Schneidezähne mit Komposit erstmals provisorisch abgedeckt werden.
Im Fortlauf der kieferorthopädischen Behandlung (Abb. 6) konnten dann die freiliegenden Dentinareale der Unterkiefer-Schneidezähne mit Komposit (Scotchbond Universal/3M im Self-Etch-Ansatz, Venus Diamond Flow A2/Kulzer) erstmal provisorisch abgedeckt werden. Ziele der kieferorthopädischen Behandlung waren die Wiederherstellung einer Fronteckzahnführung, Ausformen der Zahnbögen sowie eine Bisshebung. Nach der 18-monatigen Behandlung im Unterkiefer und 24 Monaten im Oberkiefer mit einer Multi-Bracket-Apparatur konnten die Zähne 32 bis 42 mit Emax-Veneers versorgt werden.

Die Abbildung 7 zeigt eine Detailaufnahme der provisorisch versorgten Unterkiefer-Labialflächen vor der Präparation, die Abbildung 8 die Präparation der Schneidezähne nach Entfernung der aufgebrachten Abdeckkompositschicht. Grundsätzlich können derartige Kompositaufbauten belassen und in die Präparation einbezogen werden – man geht dann entsprechend dem Prinzip der Kavitätenbodenelevation bzw. des „immediate seal“ vor [40,41,49,55,57,62–65,83].

Abb. 7: Detailaufnahme der provisorisch versorgten Unterkiefer-Labialflächen
vor der Präparation. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 7: Detailaufnahme der provisorisch versorgten Unterkiefer-Labialflächen vor der Präparation.
Abb. 8: Präparation der Schneidezähne nach Entfernung der aufgebrachten
Abdeckkomposit-Schicht. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 8: Präparation der Schneidezähne nach Entfernung der aufgebrachten Abdeckkomposit-Schicht.

Essentiell wäre vor der Verklebung der Schalen ein Abstrahlen mit Aluminiumoxid, um eine suffiziente Anrauung des Komposits sicherzustellen. Nur so kann eine adäquate adhäsive Verankerung funktionieren [41,62]. Die Veneers wurden im hauseigenen Meisterlabor hergestellt.

Das Einsetzprocedere folgte dem üblichen Routineprocedere [27]: Nach der Entfernung der Provisorien und der Reinigung der Oberflächen erfolgte zuerst die Funktionseinprobe mit Prüfung von Randschluss, Positionierbarkeit und der Approximalkontakte. Im Anschluss daran stand die ästhethische Einprobe unter Zuhilfenahme einer Try-In-Paste (Variolink Esthetic Try-In neutral, Ivoclar) an. Die Arbeit überzeugte Patient und Behandler und konnte dementsprechend zur adhäsiven Befestigung vorbereitet werden.

Eine Abwandlung der Farbe durch die Wahl einer Alternativfarbe („warm“, „warm+“, „light“ oder „light+“ anstelle „ neutral“) des Befestigungskomposits war nicht erforderlich. Die Einsetzreihenfolge startete mit Zahn 32 fortlaufend in Richtung des 4. Quadranten.

Das erste zu verklebende Veneer wurde labial mit einem lichthärtenden, gummielastischen Provisoriummaterial (Clip, VOCO) in einem Pinselhalter fixiert. Dies erlaubt eine optimale Vorbehandlung, ohne dass Veneer in der Hand halten zu müssen. Nach einer Reinigung der Keramik mit Phosphorsäuregel [15] folgte die Keramikkonditionierung mit 5%iger Flusssäure (IPS Ceramic Etching Gel) für 20 Sek.

Die Vorbehandlung mit 5%iger Flusssäure stellt nach wie vor die am besten bewährte Methode für glasbasierte Keramiken dar [2,16,17,39,50,52]; eine Metaanalyse aus dem Jahre 2015 bestätigt dies [59]. Gerade bei IPS e.max bleiben wir aus diesem Grund bei der roten, 5%igen Flusssäure [35] und folgen somit den Empfehlungen des Keramikherstellers.

Nach dem gründlichen Abspülen der Flusssäure erfolgt eine nochmalige Reinigung mit Phosphorsäuregel unter leichten „Umrührbewegungen“ (kein Einreiben) mit einem Microbrush [43]. Auf eine zusätzliche Ultraschalreinigung wird hingegen seit über 20 Jahren verzichtet. Aus der bereits zitierten Literatur geht eindeutig hervor, dass eine Silanapplikation nach der Flusssäurekonditionierung signifikant höhere Haftwerte erzielt als die Flusssäurekonditionierung allein.

Somit kann die Silanisierung einer mit Flusssäure konditionierten glasbasierten Keramikoberfläche definitiv als „State of the Art“ bezeichnet werden, wie auch aus einer Metaanalyse zu diesem Thema hervorgeht [33,75]. Das Silan wird in Form eines Silan-/MDP-haltigen Universalprimers für Keramikrestaurationen (Clearfil Ceramic Primer Plus, Kuraray) aufgebracht und wirkt dort feucht für 60 Sek. ein. Nach der Lösungsmittelevaporation beendet die Applikation einer Schicht Optibond FL Adhesive (Kerr), welche nicht lichtgehärtet wurde, die Vorbehandlung der Glaskeramik.

Somit ergeben sich folgende Arbeitsschritte zur Vorbehandlung jeder einzelnen Schale (Tab. 1):

1.Fixierung eines Haltegriffes an der Labialfläche (Clip, Pinselhalter)
2.Reinigung mit Phosphorsäuregel (15 Sek.); gründliches Abspülen
3.Ätzung mit 5%iger Flusssäure (20 Sek.); gründliches Abspülen
4.Nochmalige Reinigung mit Phosphorsäuregel (15 Sek.); gründliches Abspülen
5.Silanapplikation (Clearfil Ceramic Primer Plus, 60 Sek.)
6.Lösungsmittelevaporation
7.Schicht Optibond FL Adhesive (keine Lichthärtung!)

Tab. 1: Vorbehandlungsschritte der Lithiumdisilikatkeramik.

Weiter geht es am Zahn: Die Kontaminationskontrolle ist bei der adhäsiven Befestigung essenziell [66]. Das einfachste Tool – gerade bei Veneerversorgungen – ist die Kofferdamisolierung (Abb. 9 bis 11). Der jeweils zu versorgende Zahn wurde mit einer flügellosen Zahnhalsklammer (Ivory 212) separat isoliert und damit zervikal optimal dargestellt (Abb. 12).

Abb. 9: Isolierung des Arbeitsfeldes mit Kofferdam zur adhäsiven Befestigung
der Veneers: Vorbereitung zur adhäsiven Befestigung der Schale an Zahn 32. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 9: Isolierung des Arbeitsfeldes mit Kofferdam zur adhäsiven Befestigung der Veneers: Vorbereitung zur adhäsiven Befestigung der Schale an Zahn 32.
Abb. 10: Vorbehandlung der Klebefläche des Zahnes 31 zur adhäsiven
Befestigung des Veneers. Die Oberfläche wurde gerade mit 50 μm Al2O3
abgestrahlt. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 10: Vorbehandlung der Klebefläche des Zahnes 31 zur adhäsiven Befestigung des Veneers. Die Oberfläche wurde gerade mit 50 μm Al2O3 abgestrahlt.
Abb. 11: Vorbehandlung der Klebefläche des Zahnes 41 zur adhäsiven
Befestigung des Veneers (nach Abstrahlen mit 50 μm Al2O3). Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 11: Vorbehandlung der Klebefläche des Zahnes 41 zur adhäsiven Befestigung des Veneers (nach Abstrahlen mit 50 μm Al2O3).
Abb. 12: Isolierte Klebefläche des Zahnes 42. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 12: Isolierte Klebefläche des Zahnes 42.

Abb. 13: Abgestrahlte Veneerklebefläche an Zahn 42. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 13: Abgestrahlte Veneerklebefläche an Zahn 42.
Approximal sind 2 getrennte, unter den Klammerflügeln durchgeschlaufte Frasaco-Streifen eingebracht: Diese verhindern ein ungewolltes Zusammenkleben der Approximalflächen und erleichtern später deren approximale Versäuberung nach Herausziehen derselben nach der Veneerplatzierung. Im nächsten Schritt erfolgt ein Abstrahlen der Klebefläche am Zahn mit 50 μm Aluminiumoxid (Rondoflex, KaVo). Dies ergibt nochmals einen verbesserten Reinigungseffekt und ein Anfrischen der Dentinklebefläche (Abb. 13).

Nach Phosphorsäurekonditionierung der gesamten Klebefläche (30 Sek. Schmelz, 15 Sek. Dentin) konnte der Optibond FL Primer (Kerr) 30 Sek. auf der Dentinfläche einwirken. Nach dessen Verblasen kam auch auf diese Fläche eine Schicht Optibond FL Adhesive (Abb. 14). Entgegen der Gebrauchsanweisung wurde auch diese Schicht nicht polymerisiert. Die vorbehandelte Schale (Abb. 15) wurde dann mit Variolink Esthetic LC in der Farbe „neutral“ beschickt und mit Hilfe des Pinselhalters in Position gebracht.

Abb. 14: Versiegelte Klebefläche an Zahn 42. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 14: Versiegelte Klebefläche an Zahn 42.
Abb. 15: Veneer 42 vorbereitet zur adhäsiven Befestigung. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 15: Veneer 42 vorbereitet zur adhäsiven Befestigung.

Durch ein leichtes Drehen lässt sich der Applikator leicht entfernen. Idealerweise verbleibt der Clip im Pinselhalter.

Das Optrasculpt-Modellierinstrument (Ivoclar) mit dem großen Schaumstoffeinsatz übernimmt dann sofort die Positionierung und Fixierung. Durch die immer noch approximal fixierten Frasaco-Streifen wird eine Kontamination der benachbarten Klebeflächen jeweils vermieden. Die Überstandsentfernung des Variolink Esthetic LC erfolgt entspannt mit Hilfe eines Modellierspates, Schaumstoffpets und Bondingpinsels.

Ist der herausquellende Überstand entfernt – dank des rein lichthärtenden Befestigungsprocederes ist dies sehr entspannt möglich, da keine einsetzende Selbsthärtung den Überstandsentfernungsprozess zu früh abbricht –, bleibt die korrekt in Position sitzende Schale mit dem Optrasculpt-Instrument fixiert, während mit der anderen freien Hand beide Frasaco-Streifen einzeln nach labial herausgezogen werden; dies versäubert hervorragend approximal.

Aufgrund der Stärke des nun fehlenden Frasaco-Streifens kann sich die Schale noch einmal etwas weiter in ihre eigentliche, finale Position nachsetzen. In der Regel quillt dann nochmals ein wenig Befestigungskomposit aus dem Fügespaltbereich heraus.

Dieser wird erneut mit einem Bondingpinsel aufgenommen und die Situation durch sofortige Lichthärtung fixiert. Dann kann das Optrascult-Fixierinstrument entfernt, Glyceringel (Abb. 16) auf den Fügespalt aufgebracht werden und die endgültige Lichthärtung starten (Abb. 17). Da es sich um eine rein lichthärtende Befestigung handelt, wird mindestens 60 Sek. von labial und zusätzlich 60 Sek. von lingual gehärtet.

Abb. 16: Platziertes Veneer 42. An den Klebefugen befindet sich Glyceringel zur
Eliminierung der Sauerstoff-Inhibitionsschicht. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 16: Platziertes Veneer 42. An den Klebefugen befindet sich Glyceringel zur Eliminierung der Sauerstoff-Inhibitionsschicht.
Abb. 17: Weitere Polymerisation des Befestigungskomposits. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 17: Weitere Polymerisation des Befestigungskomposits.

Spätestens nach dem 2. Härtezyklus (> 1.500 mW/cm2, Elipar Deep Cure, 3M) erfolgt eine parallele Kühlung mittels Luftpüster. Nach der Kontrolle der benachbarten Klebefläche auf eventuell akzidentiell „verkleckertes“ Klebematerial erfolgt eine nochmalige Einprobe der nächsten Schale. Da es hierbei zu Kontaminationen kommen kann, wird erst nach verifizierter Passung der nächsten Schale deren Vorbehandlung vorgenommen.

Das heißt, das in Tab. 1 aufgeführte Procedere wiederholt sich jetzt an der 2. Schale; nach deren erfolgreichen Befestigung an der 3. und so fort. Dies bedeutet zwar einen 2-stündigen Termin für die Verklebung von 4 nebeneinander liegenden Schalen, dafür ist es die sicherste und komplikationsloseste Herangehensweise, die exakt in dieser Konstellation seit inzwischen 20 Jahren nahezu unverändert so vorgenommen wird lediglich RelyX Veneer/3M wurde durch Variolink Esthetic LC/Ivoclar ersetzt. Die Tabelle 2 illustriert die einzelnen Arbeitsschritte am Zahn:

1.Kofferdamisolierung des zu verklebenden Zahnes mit einer zusätzlichen, flügellosen Zahnhalsklammer
2.Separierung der Approximalflächen durch 2 getrennte Frasaco-Streifen, die unter den Flügeln der Kofferdammklammer durchgeschlauft werden
3.Abstrahlen der Klebefläche mit Aluminiumoxid; gründliches Abspülen
4.Phosphorsäurekonditionierung der Klebefläche: Schmelz 30 Sek., Dentin 15 Sek.; gründliches Abspülen
5.Primerapplikation (Optibond FL Prime): 30 Sek.
6.Gründliches Verblasen
7.Applikation von Optibond FL Adhesive (keine Lichthärtung!)

Tab. 2: Alle Vorbehandlungsschritte auf Seiten des Zahnes

Die Abbildung 18 zeigt die letzte befestigte Schale nach der finalen Verklebungskontrolle unmittelbar vor Abnehmen des Kofferdams. In Abbildung 19 sind alle verklebten Unterkieferveneers bei einer Kontrolle nach 2 Wochen dargestellt, die sich in Form und Farbe perfekt in den nun optimal ausgestalteten Unterkiefer-Frontzahnbogen einfügen. Der Patient war überglücklich mit dem Endergebnis, beendete es doch einen jahrelangen Leidensweg.

Abb. 18: Das verklebte Veneer 42 unmittelbar vor Abnahme des Kofferdams. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 18: Das verklebte Veneer 42 unmittelbar vor Abnahme des Kofferdams.
Abb. 19: Die verklebten Unterkiefer-Veneers bei einer Kontrolle nach 2 Wochen. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 19: Die verklebten Unterkiefer-Veneers bei einer Kontrolle nach 2 Wochen.

Bei der weiteren Kontrolle wurden die aufgrund der erforderlichen kieferorthopädischen Vorbehandlung entstandenen und vorab angekündigten Lücken in der Oberkieferfront angesprochen (Abb. 20 bis 23). Es handelte sich um kleine Lücken zwischen den 1ern und 2ern und etwas größere Lücken zwischen den 2ern und 3ern. Der Patient fragte auch hier nach einer Veneerversorgung.

Abb. 20: Lippenbild nach Abschluss der Unterkieferversorgung. Nun stand das
Schließen der zwangsläufig im Oberkiefer entstandenen Lücken an. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 20: Lippenbild nach Abschluss der Unterkieferversorgung. Nun stand das Schließen der zwangsläufig im Oberkiefer entstandenen Lücken an.
Abb. 21: Detailaufnahme der nun lückig stehenden Oberkieferfront. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 21: Detailaufnahme der nun lückig stehenden Oberkieferfront.
Abb. 22: Rechts-laterale Detailaufnahme der Oberkieferfront. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 22: Rechts-laterale Detailaufnahme der Oberkieferfront.
Abb. 23: Links-laterale Detailaufnahme der Oberkieferfront. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 23: Links-laterale Detailaufnahme der Oberkieferfront.

Dies wäre zum Schließen der Lücken wohl möglich gewesen, erschien jedoch aufgrund der nun akkurat stehenden und ansonsten defektfreien Zähne als Überversorgung. Aus diesem Grund wurde ihm zu der minimalinvasiveren Therapieform direkter Kompositanbauten geraten.

Das Schließen der Lücken zwischen den 1ern und 2ern sollte problemlos mit Hilfe unilateraler Anbauten an die 1er erfolgen. Bei den Lücken zwischen den 2ern und 3ern standen zwei Optionen im Raum:

  1. Bilateraler Lückenschluss durch Anbauten distal an den 2ern und mesial an den 3ern
  2. Unilateraler Lückenschluss nur an den 2ern Ein unilateraler Lückenschluss mesial an den 3ern wurde nicht erwogen, da dies aufgrund des Belastungsszenarios bei der mediolateralen Funktionsbewegung ungünstig gewesen wäre.

Für den bilateralen Lückenschluss sprach die gleichmäßigere Verteilung der Zahnbreiten und somit eine nochmals bessere ästhetische Gesamtwirkung. Für den unilateralen Lückenschluss sprach primär das Intakt-Belassen jeweils einer gesunden Zahnhälfte, die nicht adhäsiv vorbehandelt werden musste, und natürlich auch die Kosten, da ansonsten 6 statt 4 Anbauten erforderlich gewesen wären. Wir rieten dem Patienten zu den unilateralen Anbauten an den seitlichen Schneidezähnen: Stören ihn die prominenteren seitlichen Schneidezähne nicht, hätten wir mit dem geringsten minimalinvasiven Aufwand den gewünschten Effekt erreicht.

Abb. 24: Verschalung des Zahnes 12 für den approximalen Anbau. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 24: Verschalung des Zahnes 12 für den approximalen Anbau.
Würden die 2er zu dominant, zu breit wirken, wäre es ein leichtes, die Anbauten jeweils distal etwas zu reduzieren, die 3er mesial adhäsiv vorzubehandeln und mit entsprechenden Kompositanbauten zu versorgen. Der Patient folgte der Empfehlung, da er hier später noch eine weitere Optimierungsoption hätte. Nach einem Anrauen der Klebeflächen mit einer EVA-Feile (Intensiv) und adhäsiver Vorbehandlung (Optibond FL) konnten die Anbauten in der bewährten Verschalungstechnik [28–31,36,37] erstellt werden (Abb. 24).

Abb. 25: Situation der Oberkiefer-Frontzahnversorgung mit Komposit
unmittelbar nach Ausarbeitung und Politur. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 25: Situation der Oberkiefer-Frontzahnversorgung mit Komposit unmittelbar nach Ausarbeitung und Politur.
Als Restaurationsmaterialien kamen distal der 1er ausschließlich Ceram.X Spectra ST A2 zum Einsatz und aufgrund des größeren zu ersetzenden Volumens an den 2ern im palatinalen Anteil die Dentinmasse D1. Clearfil Majesty ES Flow low (Kuraray) wurde zusätzlich zur Sicherstellung des vollständigen Ausfließens der zervikalen Ränder an den hochkant inserierten Teilmatrizenfolien in der „Schneepflugtechnik“ [61,80] eingebracht. Die Abbildung 25 zeigt die Situation unmittelbar nach Ausarbeitung und Politur, die Abbildungen 26 bis 29 bei einer weiteren Kontrolle nach einem halben Jahr.
Abb. 26: En-face-Aufnahme nach einem halben Jahr. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 26: En-face-Aufnahme nach einem halben Jahr.
Abb. 27: Oberkiefer-Frontzahnbereich 6 Monate nach dem Lückenschluss mit
Komposit. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 27: Oberkiefer-Frontzahnbereich 6 Monate nach dem Lückenschluss mit Komposit.
Abb. 28: Rechts-laterale Ansicht des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 6 Monate
nach dem Lückenschluss mit Komposit. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 28: Rechts-laterale Ansicht des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 6 Monate nach dem Lückenschluss mit Komposit.
Abb. 29: Links-laterale Ansicht des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 6 Monate
nach dem Lückenschluss mit Komposit. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 29: Links-laterale Ansicht des Oberkiefer-Frontzahnbereichs 6 Monate nach dem Lückenschluss mit Komposit.

Die im Vergleich zu den 1ern deutlich zu breiten 2er dominieren das Abschlussbild erheblich (Abb. 28 und 29); den Patienten störten die etwas zu breiten 2er jedoch überhaupt nicht. Er war froh, sich für die kostengünstigeren und wenig invasiveren unilateralen Anbauten entschieden zu haben – wohlwissend, dass eine Korrektur durch zusätzliche Anbauten an den 3ern nach distaler Reduktion der Anbauten an den 2ern jederzeit möglich wäre.

Fall 2: Adhäsive Kronen-/Teilkronenversorgung nach kieferorthopädischer Vorbehandlung

Abb. 30: Kieferorthopädischer Ausgangsbefund einer 53-jährigen Patientin in
Schlussbissposition vor Alignerbehandlung. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 30: Kieferorthopädischer Ausgangsbefund einer 53-jährigen Patientin in Schlussbissposition vor Alignerbehandlung.
Auch in diesem Fall war eine kieferorthopädische Vorbehandlung vor der Versorgung der Frontzähne erforderlich. In der Abbildung 30 ist der kieferorthopädische Ausgangsbefund in Schlussbissposition zu sehen. Die kieferorthopädische Behandlung mit Alignern lief dann über 6 Monate.

Die Abbildungen 31 und 32 zeigen die Situation nach Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung der damals 53-jährigen Patientin, bei der die Oberkiefer-Frontzähne aufgerichtet und nach labial bewegt worden sind. Nur so konnte der erforderliche Platz für die geplante Keramikversorgung geschaffen werden.

Abb. 31: Lippenbild nach Abschluss der kieferorthopädischen Vorbehandlung
– unmittelbar vor dem Start der restaurativen Therapie. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 31: Lippenbild nach Abschluss der kieferorthopädischen Vorbehandlung – unmittelbar vor dem Start der restaurativen Therapie.
Abb. 32: Die kieferorthopädische Behandlung schuf den erforderlichen Platz in
der Vertikalen und der Sagittalen. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 32: Die kieferorthopädische Behandlung schuf den erforderlichen Platz in der Vertikalen und der Sagittalen.

Abb. 33: Dunkelrote Dentinverfärbung des ansonsten suffizient wurzelkanalbehandelten
Zahnes 12. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 33: Dunkelrote Dentinverfärbung des ansonsten suffizient wurzelkanalbehandelten Zahnes 12.
Die Seitenzahnversorgung der Patientin war weitestgehend suffizient, sodass sich hier kein zusätzlicher Behandlungsbedarf ergab. In der Front dominieren erosive und abrasive Defekte. Der suffizient wurzelkanalbehandelte Zahn 12 war mit einem sehr großem, älteren Kompositaufbau versorgt, der die dunkelrote Dentinverfärbung (Abb. 33) recht gut kaschieren konnte.

Die erosiven Defekte an den Eckzähnen waren zu klein, um den gesamten Zahn mit einem Veneer zu versorgen. Alternativ wurde der Patientin die Versorgung der Zahnhalsregion mit Komposit angeboten: Neben dem Aspekt der Zahnhartsubstanz-Schonung wog auch hier der Kostenunterschied in der Differenzierung einer direkten MKV-Füllung für 80 Euro zu den 1.000 Euro einer Veneerversorgung. Bereits in der Präparationssitzung wurden die Zahnhalsdefekte mit Hilfe einer Verschalung mittels einer Unica anterior Matritze (Polydentia) [23,24] adhäsiv versorgt.

Als Adhäsiv kam Optibond FL (Kerr), als Composite Filtek Supreme XTE Flow A3,5 (3M) undf Filtek Supreme XTE A3,5B als pastöses Material zum Einsatz. Die Präparation des wurzelkanalbehandelten und nach Entfernung aller vorhandenen Kompositaufbauten recht kleinen Zahnes 12 ergab eine Kronenpräparation [27], während bei den Zähnen 11 bis 22 die Palatinalflächen belassen wurden. Inzisal erfolgte die Präparation eines horizontalen Plateaus.

Abb. 34: Detailaufnahme der vollkeramisch versorgten Oberkiefer-Frontzähne. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 34: Detailaufnahme der vollkeramisch versorgten Oberkiefer-Frontzähne.
Die Abformung erfolgte wie in allen Beispielen dieses Berichtes konventionell (Aquasil Ultra+ medium, Dentsply Sirona). Das adhäsive Befestigungsprocedere der IPS e.max Press-Teilkronen war identisch mit dem aus Fall 1 – das Ergebnis (Abb. 34–36) vergleichbar: Im direkten Vergleich der Abbildungen 32 und 34 sowie der Lippenbilder 31 und 36 zeigt sich der enorme ästhetische Gewinn derartiger adhäsiver Frontzahnrestaurationen. Ohne die kieferorthopädische Vorbehandlung wäre dies allerdings so nicht möglich gewesen.
Abb. 35: Lippenbild bei maximalem Hochziehen der Lippe. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 35: Lippenbild bei maximalem Hochziehen der Lippe.
Abb. 36: Entspanntere Lippenhaltung der nun hochzufriedenen Patientin. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 36: Entspanntere Lippenhaltung der nun hochzufriedenen Patientin.

Die Versorgung der Zahnhälse an den Zähnen 13 und 23 mit Komposit erschien als restaurative Therapie ästhetisch völlig ausreichend. Hier ist in jedem Einzelfall für jeden Zahn abzuwägen, wieviel Mehrwert eine deutlich aufwendigere indirekte Restauration im direkten Vergleich zur direkten Versorgungsvariante tatsächlich hat [7]. Oft sind dann Restaurationskombinationen aus direkten und indirekten Versorgungsvarianten wie im vorliegenden Fall aus Keramikversorgungen der Zähne 12 bis 22 und direkten Kompositrestaurationen der Zahnhalsdefekte an den Eckzähnen das ideale Mittel zum Zweck.

Der Patient dankt es dem Behandler durchaus, wenn für kleinere Defekte dann auch weniger aufwendige Versorgungsvarianten angeboten werden. Die endgültige Entscheidung bleibt letztendlich natürlich beim Patienten.

Fall 3: Kronenneuversorgung und adhäsive Teilkronen nach kieferorthopädischer Vorbehandlung 

Der Fall der 62-Jahre alten Patientin ist quasi identisch zu dem vorherigen: Auch hier mussten der Zahn 12 mit einer neuen Keramikkrone und die Zähne 12 bis 22 mit adhäsiven Teilkronen versorgt werden. Aufgrund einer Kopfbisssituation bei Zahn 11 (Abb. 37 und 38) war eine kieferorthopädische Vorbehandlung unumgänglich. Die kieferorthopädische Vorbehandlung verlief über 8 Monate mit einer OK-Multi-Bracket-Apparatur (Abb. 39 und 40), um die Zähne überhaupt wie gewünscht versorgen zu können.

Abb. 37: Ausgangsbild der kieferorthopädischen Behandlung einer 62-jährigen
Patientin. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 37: Ausgangsbild der kieferorthopädischen Behandlung einer 62-jährigen Patientin.
Abb. 38: Nahezu Kopfbisssituation bei Zahn 11. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 38: Nahezu Kopfbisssituation bei Zahn 11.
Abb. 39: Kieferorthopädische Vorbehandlung über 8 Monate mit einer
OK-Multi-Bracket-Apparatur. Visualisierung bei leicht geöffnetem Mund. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 39: Kieferorthopädische Vorbehandlung über 8 Monate mit einer OK-Multi-Bracket-Apparatur. Visualisierung bei leicht geöffnetem Mund.
Abb. 40: Schlussbisssituation während der kieferorthopädischen Vorbehandlung. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 40: Schlussbisssituation während der kieferorthopädischen Vorbehandlung.

Die Abbildungen 41 und 42 zeigen die klinische Situation nach der kieferorthopädischen Vorbehandlung am Tag der Präparation der Frontzähne. Die Versorgung der Frontzähne mit IPS e.max Press-Kronen bzw. Teilkronen erfolgte identisch zu den Fällen 1 und 2, sodass hier nicht noch einmal auf das Behandlungsprocedere im Einzelnen eingegangen werden soll. Die Abbildungen 43 und 44 zeigen die Neuversorgung 2 Wochen nach Eingliederung, die Abbildungen 45 und 46 bei einer weiteren Kontrolle nach einem Jahr.

Abb. 41: Lippenbild unmittelbar vor der Kronen- und Veneerpräparation. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 41: Lippenbild unmittelbar vor der Kronen- und Veneerpräparation.
Abb. 42: Detailaufnahme der Oberkiefer-Frontzähne vor der Präparation. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 42: Detailaufnahme der Oberkiefer-Frontzähne vor der Präparation.
Abb. 43: Versorgung der Frontzähne mit IPS e.max Press-Kronen bzw.
Teilkronen. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 43: Versorgung der Frontzähne mit IPS e.max Press-Kronen bzw. Teilkronen.
Abb. 44: Kontrollaufnahme 2 Wochen nach der adhäsiven Befestigung. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 44: Kontrollaufnahme 2 Wochen nach der adhäsiven Befestigung.
Abb. 45: Deutlich entspannteres Lachen 1 Jahr nach der keramischen
Frontzahnversorgung. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 45: Deutlich entspannteres Lachen 1 Jahr nach der keramischen Frontzahnversorgung.
Abb. 46: Detailaufnahme der Oberkiefer-Schneidezähne 1 Jahr nach der
adhäsiven Befestigung der Keramikrestaurationen. Interessant ist, wie gut sich
die Interdentalpapille zwischen den Zähnen 11 und 21 regeneriert hat. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 46: Detailaufnahme der Oberkiefer-Schneidezähne 1 Jahr nach der adhäsiven Befestigung der Keramikrestaurationen. Interessant ist, wie gut sich die Interdentalpapille zwischen den Zähnen 11 und 21 regeneriert hat.

Interessant ist, wie gut sich die Interdentalpapille zwischen den Zähnen 11 und 21 regeneriert hat. Auch hier wäre das sehr schöne Behandlungsergebnis nicht ohne die kieferorthopädische Vorbehandlung möglich gewesen. Die Patientin hat in der Zwischenzeit auch wieder gelernt, herzhaft zu lachen (Abb. 44), was gerade im direkten Vergleich zu Abbildung 41 deutlich wird.

Fall 4: Veneerversorgung der Zähne 12 bis 22 

Abb. 47: 47-jähriger Patient, der sich mit dem Wunsch nach einer restaurativen
Versorgung der mesioinzisalen Defekte seiner beiden mittleren Schneidezähne
vorstellte. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 47: 47-jähriger Patient, der sich mit dem Wunsch nach einer restaurativen Versorgung der mesioinzisalen Defekte seiner beiden mittleren Schneidezähne vorstellte.
Auch der 43-Jahre alte Patient stellte sich zunächst mit der Bitte einer restaurativen Versorgung der mesioinzisalen Defekte seiner beiden mittleren Schneidezähne vor (Abb. 47). Bei einem derartigen Befund denkt man primär als Behandler an eine direkte Kompositversorgung der Zähne – sowohl inzisal an den 1ern [6,7,11,29,30,31] als auch zervikal an den 2ern [23,24]. Schnell wurde allerdings klar, dass ein Kompositaufbau so nicht realisierbar wäre, da aufgrund der Zahnstellung und der Abrasionen die Gefahr eines schnellen Aufbauverlustes gegeben wäre.

Aus diesem Grunde wurde dem Patienten eine kieferorthopädische Vorbehandlung angeraten, um die Zähne überhaupt in eine restaurierbare Position zu bringen. Diesen Vorschlag nahm der Patient an.

Er durchlief eine 10-monatige Alignertherapie. Danach war inzisal genug Platz geschaffen, um die Zähne adäquat aufzubauen (Abb. 48 und 49). Bei einem derartigen Befund denkt man primär als Behandler an eine direkte Kompositversorgung der Zähne – sowohl inzisal an den 1ern [6,7,11,29,30,31] als auch zervikal an den 2ern [23,24].

Abb. 48: Erst die kieferorthopädische Vorbehandlung schuf den erforderlichen
Platz zur Versorgung der beiden mittleren Schneidezähne. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 48: Erst die kieferorthopädische Vorbehandlung schuf den erforderlichen Platz zur Versorgung der beiden mittleren Schneidezähne.
Abb. 49: Detailaufnahme unmittelbar vor der Präparation der Schneidezähne
zur Aufnahme glaskeramischer Veneers. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 49: Detailaufnahme unmittelbar vor der Präparation der Schneidezähne zur Aufnahme glaskeramischer Veneers.

Nach näherer Befundung und ausführlicher Beratung stellte sich schnell heraus, dass im vorliegenden Fall anstelle einer direkten eine indirekte Versorgung mit Keramikveneers die Versorgungsoption der Wahl sein dürfte, da die gesamte Zahnfläche morphologisch umgestaltet werden sollte. Zudem störten den Patienten die offenen zervikalen Interdentalbereiche, die schwer zu reinigen waren und als schwarze Dreiecke unschön das Gesamterscheinungsbild dominierten.

Es folgte eine klassische Veneerpräparation (Abb. 50) und die Versorgung mit Lithiumdisilikatveneers analog zum vorab beschriebenen Fällen. Die Abbildung 51 zeigt die Positionierung des letzten Veneers an Zahn 22: Die Schale wird mit dem Optrasculpt-Instrument in Position gehalten, während die Überstandsentfernung verbleibender, unpolymerisierter Reste von Variolink Esthetic LC mit Hilfe eines Bondingpinsels erfolgt. Die Abbildungen 52 und 53 zeigen den Abschluss der Behandlung mit einem sehr zufriedenen Patienten – ein langer Weg aus kieferorthopädischer und restaurativer Behandlung, der sich aber gelohnt hat.

Abb. 50: Klassische Veneerpräparation der Zähne 12 bis 22. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 50: Klassische Veneerpräparation der Zähne 12 bis 22.
Abb. 51: Positionierung des letzten Veneers an Zahn 22: Die Schale wird mit
dem Optrasculpt-Instrument in Position gehalten. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 51: Positionierung des letzten Veneers an Zahn 22: Die Schale wird mit dem Optrasculpt-Instrument in Position gehalten.
Abb. 52: Detailaufnahme der Oberkiefer-Schneidezähne nach Behandlungsabschluss. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 52: Detailaufnahme der Oberkiefer-Schneidezähne nach Behandlungsabschluss.
Abb. 53: Lippenbild des sehr zufriedenen Patienten. Die Versorgung ohne die
kieferorthopädische Vorbehandlung wäre so nicht möglich gewesen. Prof. Dr. C.-P. Ernst, Dr. Christine Nauth
Abb. 53: Lippenbild des sehr zufriedenen Patienten. Die Versorgung ohne die kieferorthopädische Vorbehandlung wäre so nicht möglich gewesen.

Schlussbetrachtung

Wie eingangs erwähnt, kann nicht jede vom Patienten gewünschte ästhetische Versorgung sofort umgesetzt werden, da Parafunktionen und die aktuelle Bisslage dies nicht erlauben oder eine extrem ungünstige Langzeitprognose für die Restaurationen in puncto adhäsiver oder kohäsiver Frakturgefahr mit sich bringen würde. In derartigen Fällen sollte man ein kieferorthopädisches Konsil heranziehen, das den Patienten hinsichtlich der Möglichkeiten einer Bissumstellung oder nur kleinerer Positionsänderungen der betreffenden, zu versorgenden Zähne aufklärt.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie bereitwillig die dahingehend beratenen Patienten sind, die zum Teil sehr aufwendigen sowie kosten- und zeitintensiven Behandlungen über sich ergehen zu lassen. Zu betonen ist, dass die gewünschte ästhetische Versorgung der Schneidezähne ansonsten in der Regel nicht möglich wäre. Für die abschließende, ästhetisch anspruchsvolle Frontzahnversorgungen punkten nach wie vor glasbasierte Keramiken.

Lithiumdisilikat stellt zudem noch eine sehr stabile Variante vollkeramischer Versorgungen dar, die hinsichtlich ihrer Biegebruchfestigkeit von hochtransluzenten Vollzirkonkeramiken kaum übertroffen wird. Mehr als 15 Jahre klinische Erfahrung mit dem Material zeigen die klinische Zuverlässigkeit.

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