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Trotz großer Fortschritte in der zahnmedizinischen Prävention bleibt die Prävalenz oraler Erkrankungen, insbesondere der Parodontitis, in der erwachsenen Bevölkerung hoch. Sowohl Tabak- als auch übermäßiger Zuckerkonsum zählen dabei zu den zentralen beeinflussbaren Risikofaktoren für Karies, Gingivitis und Parodontitis. Trotz breiter Aufklärung gelingt es vielen Patient/-innen jedoch nicht, schädigendes Verhalten dauerhaft zu ändern.1 Die DGDH betont daher, lieber individuell umsetzbare Schritte hin zu einer Verhaltensverbesserung zu fördern, statt an einem starren „Alles-oder-Nichts“-Prinzip festzuhalten. Auch wenn dies zunächst nur eine Reduktion statt eines vollständigen Verzichts bedeutet.
Schrittweise Veränderung statt Überforderung
„Viele unserer Patient/-innen scheitern nicht an fehlendem Wissen, sondern an zu hohen Anforderungen. Sie brauchen realistische Optionen und keine Ideale, die sie nicht erreichen können“, erklärt Sylvia Fresmann, Vorsitzende der DGDH. Im Positionspapier wird Schadensminderung als ergänzende Strategie vorgestellt, die dort ansetzt, wo ein kompletter Verzicht bislang nicht gelingt.
Im Bereich Ernährung kann der Ersatz von Zucker durch Xylit oder andere Zuckeraustauschstoffe helfen, das Kariesrisiko signifikant zu senken, selbst wenn die Gesamtzuckerzufuhr nicht auf null reduziert wird. Zuckerfreie Kaugummis oder Getränke mit Süßstoffen gelten laut aktuellen Studien als niedrigschwellige, effektive Interventionen, die sich einfach in den Alltag integrieren lassen.2,3
Harm Reduction auch beim Tabakkonsum
Noch größer ist das gesundheitliche Risiko beim Tabakkonsum, insbesondere für die parodontale Gesundheit. Trotz zahlreicher Hilfsangebote bleibt die Quote dauerhaft abstinenter Raucher/-innen gering. Hier bietet die kontrollierte Schadensminderung, etwa durch E-Zigaretten oder Tabakerhitzer, eine Möglichkeit zur Reduzierung der Schadstoffbelastung, wenn ein kompletter Rauchstopp (noch) nicht möglich ist.
„Wir dürfen nicht warten, bis der Patient vollständig bereit zum Verzicht ist“, so Fresmann. „Wenn wir heute Alternativen aufzeigen, verbessern wir die Mundgesundheit sofort und legen gleichzeitig den Grundstein für künftige Verhaltensänderungen.“
Die DGDH betont dabei ausdrücklich: Alternativprodukte sind keine harmlosen Genussmittel, sondern risikominimierende Hilfsmittel für bereits zigaretten- und nikotinabhängige Erwachsene. Ihre Anwendung ist ausschließlich in Beratungssituationen und unter medizinischer Begleitung zu empfehlen. Für Jugendliche und Nichtraucher/-innen sind sie strikt abzulehnen, etwa da sie ebenfalls Nikotin enthalten und Langzeitstudien zum Konsum noch ausstehen.
Der Mensch im Mittelpunkt – lebensnah und empathisch
Zentrales Element des DGDH-Konzepts ist die patientenzentrierte Kommunikation. Statt Verzicht zu fordern, sollen erreichbare Ziele formuliert werden. Methoden wie „Motivational Interviewing“, der Einsatz strukturierter Anamnesebögen und eine nicht-verurteilende Gesprächsführung helfen, individuelle Strategien zu entwickeln –abgestimmt auf Motivation, Lebensrealität und Gesundheitskompetenz.4
„Wir brauchen eine präventionsorientierte Zahnmedizin, die den Menschen dort abholt, wo er steht“, so Fresmann. „Schadensminderung ist kein fauler Kompromiss, sondern ein realistischer Weg zu besserer Gesundheit.“
Politische Forderungen und Blick in die Zukunft
Neben der Integration von Harm Reduction-Strategien in die tägliche Praxis fordert die DGDH eine stärkere Berücksichtigung in Fortbildungen und der politischen Gesundheitssteuerung. Steuerliche Anreize für zuckerfreie Lebensmittel, klare Regulierung von Tabakalternativen und Aufklärungskampagnen nach internationalem Vorbild, zum Beispiel aus Großbritannien, könnten laut DGDH eine entscheidende Rolle spielen, um Mundgesundheit flächendeckend zu fördern.
Die DGDH sieht in der gezielten Schadensminderung einen wirksamen Baustein für eine patientenorientierte, alltagsnahe Prävention. Sie ersetzt nicht die klassische Aufklärung oder Therapie. Aber sie erweitert deren Wirksamkeit dort, wo andere Strategien an Grenzen stoßen. Für viele Patient/-innen ist sie der erste Schritt in Richtung einer besseren Mundgesundheit. Begleitet durch ein informierendes, motivierendes und verantwortungsvolles Praxisteam.
Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Dentalhygieniker*innen e.V.

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