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Zahntechnische Abrechnung

Von banal bis fatal – Fehler in der zahntechnischen Rechnungsstellung

Im beruflichen Alltag begegnet man immer wieder unvollständigen, fehlerhaften oder schlichtweg falschen Rechnungen über zahntechnische Leistungen aus dem Eigen- oder Fremdlabor. Die meisten sind nicht weiter gravierend und bringen höchstens Umsatzverluste mit sich, es gibt aber auch gravierende Fälle, die gegen Abrechnungsvorschriften verstoßen und schlimmstenfalls rechtliche Konsequenzen für die Zahnarztpraxis nach sich ziehen können.

Wolfilser/AdobeStock

Grundsätzlich müssen zahntechnische Abrechnungen zwingend die folgenden beiden Anforderungen erfüllen: Sie müssen rechtskonform erstellt werden, d.h., sie müssen alle rechtlichen Vorgaben erfüllen und es dürfen ausschließlich Leistungen berechnet werden, die auch tatsächlich erbracht wurden. Typische Fehler in der zahntechnischen Abrechnung sind z.B.:

  • Vergessen erstellter Leistungen
  • Angabe nicht erstellter Leistungen
  • Aufführen falscher Leistungen
  • Verwendung falscher Positionen
  • falsche Mengenangaben
  • Zusammenfassen mehrerer Leistungen (Intransparenz)
  • Verwendung „falscher“ Preise

Rechtlicher Rahmen

Rechtliche Regelungen für die Abrechnung zahntechnischer Leistungen für gesetzlich versicherte Patient/-innen finden sich im Sozialgesetzbuch (SGB V). Gemäß § 88 SGB V haben der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) und der GKV-Spitzenverband (Spitzenverband Bund der gesetzlichen Krankenkassen) ein Bundeseinheitliches Verzeichnis der abrechnungsfähigen zahntechnischen Leistungen (BEL II) vereinbart. Dieses Verzeichnis gibt an, welche zahntechnischen Leistungen zu welchen Preisen im Rahmen der Regelversorgung abgerechnet werden können. Alle Leistungen, die darüber hinausgehen, sind als Privatleistungen abzurechnen. In Deutschland erfolgt die private Abrechnung zahntechnischer Leistungen gemäß der Bundeseinheitlichen Benennungsliste (BEB). Gemäß § 9 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) sollen die „tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten“ abgerechnet werden. Des Weiteren verlangt § 10 Absatz 2 Satz 5 der GOZ, dass bei der Erstattung von Auslagen gemäß § 9 die Art, der Umfang und die Ausführung der einzelnen Leistungen so genau wie möglich angegeben werden. Hieraus ergibt sich zweifelsfrei, dass für eine korrekte Abrechnung eine präzise Aufschlüsselung der jeweiligen zahnärztlichen Leistungen in ihre betriebswirtschaftlichen Bestandteile erforderlich ist. Die Beurteilung der Angemessenheit der zahntechnischen Laborkosten als Auslagen gemäß § 9 GOZ obliegt tatsächlich dem Zahnarzt als Vertragspartner des Dentallabors, wie vom Amtsgericht Nürnberg in einem Urteil vom 14.10.1994 – Az. 31 C 3271/94 festgestellt wurde, und nicht einer Versicherung. Das BEL II lässt keine „Spielräume“ in der Abrechnung zu. Die abrechenbaren Leistungen und Preise sind eindeutig vorgegeben. Abweichende Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht vergütet.

Die Abrechnung von privaten zahntechnischen Leistungen (gleichartige und andersartige Versorgung) auf der Grundlage der Bundeseinheitlichen Benennungsliste für zahntechnische Leistungen (BEB 97 oder BEB Zahntechnik®)bietet mehr (aber keine unbegrenzten) Gestaltungsmöglichkeiten. Diese Liste erlaubt nicht nur das Ergänzen und Ändern von Leistungen nach betriebsindividuellen Kriterien, sondern auch eine freie Preisgestaltung. Aber auch hier gilt: Es darf nur abgerechnet werden, was auch erbracht wurde! Abrechnungsfehler im Rahmen des BEL II fallen schnell auf, da die Rechnungen von den gesetzlichen Krankenversicherungen (und der jeweiligen KZV) der Patient/-innen geprüft werden. Fehler in privaten Abrechnungen fallen in der Regel nicht oder nicht sofort auf, weil die Patienten bzw. die privaten Versicherungen die Rechnungen nicht unbedingt kontrollieren. Hier finden Prüfungen und Beanstandungen meistens dann statt, wenn es zu Unstimmigkeiten kommt, z.B. wenn die Rechnung vom Kostenvoranschlag abweicht, der private Versicherer Leistungen nicht übernimmt oder der Patient bzw. die Patientin das Gefühl hat, dass die selbstzutragenden Kosten zu hoch sind.  Des Weiteren besteht nur zwischen Patient/-innen und Zahnarztpraxis ein Vertragsverhältnis – nicht zwischen Labor und Patient. Das bedeutet, dass die primäre Haftung grundsätzlich die Zahnarztpraxis übernehmen muss.

Ursachen für Abrechnungsfehler

Die zwei Hauptursachen für falsche oder fehlerhafte Abrechnungen sind Unwissenheit und Gleichgültigkeit. Unwissenheit ergibt sich aus unzureichenden Abrechnungskenntnissen. Das kann daran liegen, dass die Abrechnungskraft generell die Abrechnungssystematik nicht verstanden hat, über Wissenslücken verfügt, nicht auf dem neuesten Stand ist, keine ausreichenden Informationen über die erbrachten Leistungen hat (z.B., wenn das Labor die erstellten Leistungen nur unzureichend dokumentiert hat), nicht gut eingearbeitet wurde oder mit falsch eingerichteter Software arbeitet. Dieses Defizit lässt sich durch Weiterbildung und Lernen beheben. Das Problem der Gleichgültigkeit ist vielschichtiger. Es kann in mangelndem Interesse oder fehlender Motivation ebenso begründet liegen wie im Festhalten an alten Gewohnheiten, Bequemlichkeit oder mangelndem finanziellem Druck. Hier muss die für die Abrechnung verantwortliche Person grundsätzlich ihre Einstellung ändern bzw. Abläufe und Ziele neu definieren. Nur der Vollständigkeit halber sei auch erwähnt, dass es darüber hinaus auch vereinzelte Fälle von bewusst falschem Abrechnen gibt, also Abrechnungsbetrug mit dem Ziel der persönlichen Bereicherung. Darauf soll an dieser Stelle aber nicht weiter eingegangen werden.

Beliebte Abrechnungsfallen

  • Verwechseln ähnlicher Leistungen
  • Vergessen erbrachter „Neben-“Leistungen, die nichts mit der direkten Fertigung zu tun haben (z.B. Desinfektion)
  • Vergessen von Leistungen, die nicht im Kostenvoranschlag/HKP enthalten sind, aber im Verlauf der Herstellung notwendig geworden sind
  • Leistungen, die „Vorleistungen“ benötigen (Vorleistung fehlt)
  • Leistungen werden zusammen mit Leistungen berechnet, die nicht kombiniert berechnet werden können

Praxisbeispiele (dürfen mit farblicher Hinterlegung kleiner gedruckt werden)

Beispiel 1

Auftrag: Unterfütterung (Regelversorgung)

L-Nr.MengeLeistung
Mat.5Kunststoff/Lot XX.XX.XX
Mat.2Primer/Lot XX.XX.XX
00101Modell
Anmerkung: Obwohl seitens der Zahnarztpraxis nur eine Abformung erstellt wurde, wird bei einer Unterfütterung der Konter als zusätzliches Modell berechnet.
01121Fixator
80101Grundeinheit ZE
81001Prothesenbasis erneuern
Anmerkung: Die BEL L-Nr. 8100 „Prothesenbasis erneuern“ hat folgenden Leistungstext: „Die L-Nr. 810 0 beinhaltet die vollständige Entfernung und Erneuerung der Kunststoffbasis bei Erhaltung des Zahnkranzes sowie ggf. einschließlich Sicherung von vorhandenen Verbindungselementen.“ Da es sich nur um eine „gewöhnliche“ Unterfütterung und nicht um eine Rebasierung handelt, kann die BEL L-Nr. 8100 nicht berechnet werden. Es müsste hier die BEL L-Nr. 8090 „Vollständige Unterfütterung einer Basis“ berechnet werden.
93302Versandkosten
Fazit: Diese Rechnung ist offensichtlich falsch. Im Nachhinein ist sichtbar zu erkennen, dass an der Prothese eine Rebasierung oder Unterfütterung durchgeführt wurde.

Beispiel 2

Auftrag: Zirkonoxidkronen, vollverblendet, 42, 41, 31 verblockt (gleichartige Versorgung)

L-Nr.MengeLeistung
00102Modell
00511Sägemodell
Anmerkung: Seit dem 01.01.2023 hat die BEL L-Nr. 0051 folgenden Leistungsinhalt: „Einphasig oder zweiphasig hergestelltes Sägemodell einschließlich Gips- oder Kunststoffsockel.“
01201Mittelwertartikulator
93302Versandkosten
01037Modellsegment sägen
01043Stumpf aus Superhartgips
02173Stumpf unter Mikroskop vorbereiten
02221Modellergänzung aus Kunststoff
Anmerkung: Die Modellergänzung aus Kunststoff wird in der Regel berechnet, wenn das Sägemodell auf einer Kunststoffplatte (z.B. „Zeiser-Modell“) oder in einer Kunststoffschale (z.B. „Modelltray“) hergestellt wird. Da diese Herstellungsmethode bereits in der BEL L-Nr. 0051 inkludiert ist, kann diese Leistung nicht über die BEB berechnet werden – es würde damit zu einer Doppelberechnung kommen.
07321Desinfektion Eingang
Anmerkung: Die Bezeichnung „Desinfektion Eingang“ lässt darauf schließen, dass hier die Abformungen desinfiziert wurden. Da die Abformungen jedoch im Rahmen der BEMA-Abrechnung und die Modelle im Rahmen der BEL-Abrechnung erfolgen, ist die Leistung mit dieser Bezeichnung nicht zulässig.
22823CAD/CAM-Kronengerüst „Zirkon“ für mehrflächige Keramikverblendung oder Cut-back-Technik
22892CAD/CAM-Verbindungsstelle oder Verblockung „Zirkon“
25613Gerüstfarbe infiltrieren, je Krone/Brückenglied oder Hybridabutment
25653Liner aufbrennen, je Anker/Krone oder Brückenglied
26123Mehrflächige Verblendung aus Keramik
28043Frontzahn nach gnathologischen Kriterien gestaltet, in Keramik
Anmerkung: Die Abrechnung von gnathologischen Leistungen setzt mindestens die Anwendung eines Gesichtsbogens und eines individuellen Artikulators voraus. Bei mittelwertig einartikulierten Modellen ist diese Leistung technisch nicht möglich.
29223Krone/Inlay/Brückenglied aufpassen auf Kontrollmodell
29513Individuell charakterisieren Keramik, je Inlay/Krone oder Brückenglied
930940403Cercon® Zirkonoxid blank
Fazit: In diesem Beispiel ist gut zu erkennen, wie wichtig das Wissen über die jeweiligen Leistungsbeschreibungen ist. Wenn Leistungen über das BEL II sowie über die BEB berechnet werden, ist dieses Wissen umso relevanter. Typische Abrechnungsfehler sind in diesem Zusammenhang häufig unberücksichtigte (zwingend notwendige) Vorleistungen.

Beispiel 3

Auftrag: 11 Zirkonkrone auf individuellem Zirkonabutment (andersartige Versorgung)

L-Nr.MengeLeistung
22921Cercon-Material, pro Einheit
00101Spezialmodell
02241Modellimplantat repositionieren
Anmerkung: Ob die Leistung „Modellimplantat repositionieren“ erbracht wurde, lässt sich schwer einschätzen. Die genaue Leistungsbeschreibung lautet: „Lagerichtiges Zurücksetzen des Manipulierimplantates in den Abdruck.“Das bedeutet, dass diese Leistung nur bei einer geschlossenen Abformung abrechenbar ist.
02251Implantatpfosten auf Modellierimplantat aufschrauben
02531Split-Cast-Sockel an Modell
Anmerkung: Die Leistung kann je einartikuliertem Modell berechnet werden – also zweimal.
03121Wax-up, je Zahn
Anmerkung: Da diese Leistung nicht im Auftrag beschrieben ist, ist eine falsche Abrechnung sehr wahrscheinlich.
07321Desinfektion
10081Funktions-/individueller Löffel aus Kunststoff
12252Kontrollschablone, Einbringungshilfe
19051Individuelles Abutment aus Zirkonoxid
22821Krone aus Keramik gefräst, zur Keramikverblendung
26121Mehrflächige Verblendung aus Keramik
28111Selektives Einschleifen
Anmerkung: Das selektive Einschleifen ist mit mittelwertig einartikulierten Modellen nicht möglich.
29921Auf Kontrollmodell aufpassen, je Einheit
29711Aufwand bei Superstruktur
51031Verklebung
02221Silikongingiva, abnehmbar, pro Stumpf
92231CAD-Tool Zirkon SHT
00102Modell
Anmerkung: Außer bei Ausnahmeindikationen führt implantatgestützter Zahnersatz zu einer andersartigen Abrechnung. Hier sollte die Abrechnung der Leistung im Rahmen der BEB stattfinden. Diese Position ist nicht falsch abgerechnet – nur über die falschen Liste für einen zu niedrigen Preis.
00231Verwendung von Kunststoff
Anmerkung: Die Leistung kann seit dem 01.01.2023 nur bedingt (Zahnfleischmaske oder individuelles Primärteil im Mund) abgerechnet werden. Da die Zahnfleischmaske über die BEB (Silikongingiva, abnehmbar, pro Stumpf) berechnet wurde, kommt es hier zu einer Doppelberechnung.
01204Mittelwertartikulator
Anmerkung: Hier ist die Menge der Leistung sehr in Frage zu stellen.
93304Versandkosten
Anmerkung:
Fazit: Gerade bei andersartigen Abrechnungen müssen sehr gute Abrechnungskenntnisse  der BEB vorhanden sein. Diese dürfen sich aber nicht nur auf die Leistungen beziehen, sondern müssen auch die Leistungsbeschreibungen mit einbeziehen.

Konsequenzen falscher Abrechnungen

Abrechnungsfehler können unangenehme Folgen und schlimmstenfalls rechtliche Konsequenzen mit sich bringen. Sicherlich unterlaufen Flüchtigkeitsfehler jeden einmal, aber wenn Rechnungen kontinuierlich falsch ausgestellt werden, müssen Sie mit Beanstandungen rechnen.

Unter anderem können folgende Auswirkungen auf Sie zukommen:

  • Umsatzverluste aufgrund von vergessenen Leistungen
  • Rechnungskorrekturen, unter Umständen verbunden mit Rückzahlungen
  • Rückfragen durch die KZV
  • nachträgliche Begutachtungen
  • Unzufriedenheit bei Kunden bzw. Kundinnen und Patient/-innen bis hin zu Imageverlust
  • Strafzahlungen bei Betrugsverdacht
  • „Vererbung“ von falschen Abrechnungsgewohnheiten an neue Abrechnungsmitarbeiter
  • übertrieben häufige Rückfragen bzgl. zahntechnischer Leistungen aufgrund fehlender Informationen

Vermeidungsstrategien

Falsche Rechnungen können Ärger mit sich bringen sowie Zeit und Geld kosten. Deshalb sollten Sie es gar nicht erst dazu kommen lassen und Fehler im Vorfeld vermeiden. Hier einige Tipps, wie Sie sich in der zahntechnischen Abrechnung gut aufstellen:

  • Bereiten Sie alle Unterlagen und Informationen für das Fremdlabor gewissenhaft vor.
  • Werden Sie zum Abrechnungsexperten! Setzen Sie sich intensiv mit den Abrechnungsvorschriften auseinander und bilden Sie sich weiter.
  • Sorgen Sie für eine lückenlose Dokumentation der erbrachten zahntechnischen Leistungen. Beharren Sie z.B. darauf, dass Technikerzettel ausnahmslos, korrekt und vollständig ausgefüllt werden.
  • Richten Sie Ihr Abrechnungsprogramm optimal ein. Achten Sie auf Aktualität des BEL im Hinblick auf die jährlichen Preisanpassungen. Passen Sie ihre BEB an (neue Leistungen) und kalkulieren Sie bei veränderten Bedingungen die Preise neu. Erstellen Sie sich Abrechnungs-Leistungsketten, um den Abrechnungsalltag zu erleichtern. Nutzen Sie den vollen Umfang Ihrer Software!
  • Sind Sie sich in Abrechnungsfällen unsicher, fragen Sie nach (z.B. bei der KZV)!
  • Prüfen Sie jede Rechnung noch einmal selbst, bevor Sie diese rausschicken.
  • Wenn Sie mit einem Fremdlabor zusammenarbeiten, binden Sie dieses stärker in die Abrechnung mit ein.

Fazit

Nehmen Sie die zahntechnische Rechnungsstellung nicht auf die leichte Schulter. Sie ist zwar umfangreich und kann als kompliziert empfunden werden, die Regelungen und Vorschriften dürfen aber trotzdem nicht vernachlässigt werden. Das Prüfen von Fremdlaborrechnungen gehört zum Tagesgeschäft innerhalb der Zahnarztpraxen. Auch dieser Bereich muss entsprechend ernst genommen werden. Gerade Neueinsteiger in der Abrechnung sollten von Anfang an darauf achten, dass sich Fehler oder Nachlässigkeiten gar nicht erst einschleichen, auch wenn Stress und Zeitdruck ab und zu groß sind. Die Aussage: „Unsere Rechnungen wurden immer so akzeptiert“, kann schon bei der nächsten Rechnung hinfällig sein, wenn der Empfänger genauer darauf schaut und Fehler reklamiert. Eignen Sie sich umfangreiches Abrechnungswissen an, denn die Phrase „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ trifft auch hier zu. Und versuchen Sie zu guter Letzt, alle Abrechnungsmöglichkeiten auszuschöpfen und keine abrechenbare Leistung zu vergessen – das erhöht dem Umsatz und den Unternehmenserfolg! 

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